Die EnviaM-Tochter MITNETZ STROM entwickelt Strategien rund um den Einsatz Digitaler Zwillinge. In Kooperation mit dem IT-Dienstleister GISA sind bereits hochentwickelte Praxisbeispiele sichtbar, auch unter Einsatz des HoloLens-Headsets.

Der Digitale Zwilling des Umspannwerks in Falkenberg/Elster. Geobasisdaten: © GeoBasis-DE/LGB, dl-de/by-2-0, Daten geändert.
Die Nutzung von Geodaten hat in der Versorgungswirtschaft eine enorm lange Tradition. Umso erstaunlicher, dass Netzbetreiber den Trend zu 3D-Geodaten im Vergleich zu anderen Branchen wie etwa die Bauwirtschaft oder auch Öffentliche Hand nur langsam adaptiert haben.
Dabei zeigen aktuelle Entwicklungen, wie hoch das Potenzial sein kann. Zum Beispiel bei der Mitteldeutschen Netzgesellschaft Strom GmbH (MITNETZ STROM) in Sachsen-Anhalt. Das Unternehmen, das rund 2,3 Millionen Menschen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen mit Strom versorgt, hat erste Projekte mit sogenannten Digitalen Zwillingen realisiert, bei denen die 3D-Dokumentation von Netzinfrastruktur in Geschäftsprozesse eingebunden wird. „Die Erfahrungen zeigen, dass heute bereits vieles machbar ist und konkreten Nutzen in der Praxis hervorbringt“, so Roberto Löffler, IT-Projektleiter bei der MITNETZ STROM.

Trafostation als Digitaler Zwilling. Eine gute Datenlage erlaub das detailreiche Ausmodellieren von 3D-Objekten. Geobasisdaten: © GeoBasis-DE/LGB, dl-de/by-2-0, Daten geändert.
Vier strategische Handlungsfelder für Digitale Zwillinge
Löffler sieht im Wesentlichen vier strategische Einsatzfelder für Digitale Zwillinge. Zum ersten die Abbildung von ingenieurtechnisch geprägten Netzelementen wie Schaltanlagen oder Umspannwerken. Der zweite Bereich ist die Dokumentation des gesamten Netzes, die — wie bei den meisten Netzbetreibern — bisher zum überwiegenden Teil rein in 2D erfolgt. 3D-Daten auch im Auskunftsprozess zu integrieren und dann auch für die Visualisierung vor Ort in Form von Virtual oder Augmented Reality (beispielsweise für Baumaschinenführer) zu nutzen, sieht der Verteilnetzbetreiber als drittes Handlungsfeld. Last but not least spielen Digitale Zwilling auch in der Planungsphase für Netzausbau und -erweiterung eine große Rolle.
In der Praxis ist der Versorger in Teilen schon weit vorgedrungen, jeweils unterstützt von dem IT-Dienstleister GISA GmbH aus Halle. So hat die MITNETZ STROM eine Freiluftschaltanlage von einem externen Experten in 3D dokumentieren lassen, wobei ein optisches 3D-Aufnahmeverfahren mittels LiDAR und Kamerasystemen genutzt wurde. „Schon einen Tag später hatten wir eine intuitive, virtuelle Visualisierung der Anlage mit allen Details“, beschreibt Löffler, wobei ihm wichtig ist, dass dies verschiedenste Anwendungen produktiv unterstützt: Also nicht nur zur Durchführung von virtuellen Schaltmaßnahmen im Rahmen des Erwerbs einer Schaltberechtigung, sondern beispielsweise auch für die Fluchtwegeplanung, die Einweisung für externe Dienstleister, die Rasenpflege oder die Lösung kniffliger logistischer Herausforderungen, wenn etwa große Bauteile wie Transformatoren innerhalb der Anlage an den Bestimmungsort gebracht werden müssen.

HoloLens im Vor-Ort-Einsatz: Gezeigt wird der Verlauf der unterirdischen Leitungen (hier perspektivisch verzerrt dargestellt). Die Orientierung vor Ort erfolgt über Referenzpunkte. Bild: GISA GmbH
Ein weiterer Ansatz wurde bei einer Innenschaltanlage realisiert. Hier hat die GISA verschiedenste CAD- und GIS-Datensätze integriert, um einen vollständigen Digitalen Zwilling zu erstellen. „Dazu haben wir etwa 3D-Plandaten des Gebäudes, Grundrisse, CAD-Daten der Schaltfelder und GIS-Daten zu den Leitungsanschlüssen verheiratet“, sagt Hannah Zerjeski. Der Nutzen solcher Ansätze resultiere, so die GIS-Spezialistin bei GISA, einerseits aus der Qualität der vorhandenen Daten und andererseits aus dem qualifizierten Prozess der Homogenisierung (vor allem die verschiedenen Genauigkeiten) in einem gemeinsamen Modell.
Einsatz von AR-Brillen sehr vielversprechend
GISA hat bei dem Projekt auch seine langjährigen Erfahrungen im Bereich Augmented Reality (AR) eingebracht, insbesondere mit dem HoloLens-Headset von Microsoft. Vor allem bei der mobilen Auskunft vor Ort. „Die Ergebnisse sind sehr gut, wenn man die Daten innerhalb eines lokalen Bezugssystems nutzt. Dann erreichen sowohl die Daten als auch deren lagegenaue Visualisierung die geforderte Präzision“, so Löffler. Schwierigkeiten gebe es immer noch, wenn Geodaten, die auf verschiedenen (teils globalen) räumlichen Bezugssystemen stammen, homogenisiert werden müssen. Das datennahe Engineering gehörte daher zu den Hauptaufgaben von GISA. „Beispielsweise haben wir die 3D-Modelle speziell für die HoloLens angepasst, das heißt in diesem Fall vor allem ausgedünnt, um eine intuitive und praxistaugliche Visualisierung zu erzeugen“, so Zerjeski.

Visualisierung via HoloLens: Per Fingerbewegung können die einzelnen Netzelemente ausgewählt werden. Bild: GISA GmbH
Die HoloLens ist zwar eigentlich für Anwendungen in Innenräumen konzipiert, „aber wir haben sie mit einigen Engineering-Maßnahmen auch für den Einsatz bei Tageslicht fit gemacht“, so Zerjeski. Aus Sicht des Nutzers heißt das am konkreten Beispiel, dass man per Fingerbewegung ein im Display virtuell überblendetes Element „antippen“ kann und dort zusätzliche Fachdaten eingeblendet werden können. „Das ist enorm intuitiv und auch für die Weiterbildung perfekt geeignet“, so Löffler.