Die WIGeoGIS GmbH aus München hat mit dem WIGeo Standortatlas ein neues Produkt vorgestellt, mit dem Standortplaner, Stadtentwickler, Wirtschaftsförderer und Gutachter faktenbasierte Standortentscheidungen auf Basis von OpenStreetMap und Künstlicher Intelligenz treffen können.

Wie hoch ist die Verkaufsflächendichte in und um Bonn? Wo sind Standorte von Lebensmitteldiscountern? Der WIGeo Standortatlas liefert Antworten auf einen Blick. Bild: WIGeoGIS Gesellschaft für digitale Wirtschaftsgeographie mbH
Es ist ein alltägliches Szenario in der Wirtschaft: eine Fachmarktkette mit bereits zahlreichen Filialen in verschiedenen deutschen Städten will expandieren und erstmals einen Standort außerhalb Deutschlands eröffnen. Das Unternehmen kennt seine Zielgruppe, ihre Bedürfnisse und Anforderungen und weiß, welche Standortfaktoren es beachten muss, um Erfolg zu haben. Wie kann der zuständige Planer auf dieser Basis nun eine faktenbasierte Entscheidung bezüglich eines möglichen neuen Filialstandortes treffen – auch ohne Ortskenntnisse vorweisen zu können? Antworten darauf liefert WIGeoGIS aus München mit einer neuen Lösung.
„Unser neues Produkt, der WIGeo Standortatlas, zeigt Anwendern und Anwenderinnen sozusagen auf Knopfdruck jene Gebiete in der D-A-CH-Region an, auf welche die von den Planern und Planerinnen definierten Standortfaktoren zutreffen – und ermöglicht auf dieser Basis eine schnelle und belastbare Standortentscheidung“, berichtet Marc Urner, Senior Manager bei WIGeoGIS. „Unser Ziel ist es, dass unsere Kund:innen auf einen Blick verstehen können, wie eine Stadt oder Gemeinde tickt, wo das Hauptzentrum liegt, wo die Nebenzentren sind, wodurch sich die unterschiedlichen Einkaufslagen auszeichnen und welche Art von Angeboten es dort gibt.“
Darüber hinaus können Städte, Gemeinden und Regionen den Standortatlas nutzen, um Fragestellungen der Stadt- und Raumplanung zu beantworten – zum Beispiel um herauszufinden, welche Viertel und Quartiere welche Angebote benötigen. „Stadtentwickler, Regionalplaner, Wirtschaftsförderer und Gutachter können sich mit dem WIGeo Standortatlas einen Überblick über zentrale Versorgungsbereiche, die bestehende Angebotsvielfalt in Stadtteilzentren, die Qualität der Nahversorgung oder die Risiken bei der Ansiedlung großflächiger Handelsbetriebe außerhalb gewachsener Strukturen verschaffen. Das sorgt für Transparenz und Planungssicherheit“, betont Urner.
Drei Jahre Entwicklungszeit
Insgesamt drei Jahre hat das Münchener Geomarketing-Unternehmen in die Entwicklung des Produkts investiert. Unter anderem hat WIGeoGIS dafür Machine Learning-Modelle aufgebaut, die mit Millionen von Marktdaten trainiert wurden. Herausgekommen ist eine webbasierte Lösung, die auf Basis der Faktoren, die Anwender und Anwenderinnen für ihre Standortwahl angegeben haben, den passenden Standort sucht. „Das Ergebnis wird dann kartenbasiert mittels farbigen Heatmaps angezeigt – so wie sie auch bei der Wettervorhersage verwendet werden“, so Senior Manager Urner.
WIGeo Standortatlas beruht auf öffentlich zugänglichen Informationen aus der digitalen Weltkarte OpenStreetMap (OSM). „Dabei handelt es sich um eine frei nutzbare Geodatensammlung, in der auch sogenannte Points of Interest (POI) gesammelt und eingetragen sind“, führt Urner aus und fügt hinzu: „OSM ist ein Datenschatz!“ Aus den mehr als 3 Millionen in OSM für die D-A-CH-Region enthaltenen, relevanten POI wurden rund 1,4 Millionen handelsrelevante Datensätze aus den Kernbranchen Handel, handelsnahe Dienstleistungen und Gastgewerbe vorselektiert und zum Datenprodukt WIGeo Standortatlas veredelt.
Nachvollziehbare Kategorisierung als Basis
Für den Standortatlas besonders wichtig ist eine nachvollziehbare Kategorisierung der einzelnen POI, um die Eignung der einzelnen Einkaufslagen für bestimmte Betriebsformate treffsicher ermitteln zu können. „Insgesamt haben wir für die POI rund 300 Kategorien definiert. So ordnet der Standortatlas die Einzelbetriebe den Branchen Einzelhandel, Großhandel, Kfz-Handel, einzelhandelsnahe Dienstleistungen, Gastronomie und Beherbergung zu und unterscheidet außerdem je nach Art der verkauften Waren nach 40 Sortimenten, rund 100 Sortimentsgruppen und 230 Untergruppen“, berichtet Urner.

Angebote der Nahversorgung (in Grün), des Innenstadtbedarfs (in Blau) und des sonstigen Bedarfs (in Rot). Bild: WIGeoGIS Gesellschaft für digitale Wirtschaftsgeographie mbH
Dabei dient der Standortatlas gewissermaßen als eine Referenzdatenbank zu standortrelevanten Kategorien. Zudem hat WIGeoGIS eine Künstliche Intelligenz entwickelt, die anhand von semantischen Mustern weitgehend automatisiert und in Echtzeit erkennt, welche POI welchen Kategorien zugeordnet werden sollen. „Natürlich hat es eine gewisse Trainingszeit gebraucht, bis die KI treffsicher wurde“, berichtet der Standortexperte. „Schließlich ist es mithilfe der KI aber gelungen, aus den POI-Rohdaten sehr präzise die branchenspezifischen Standortfaktoren abzuleiten.“ Wichtig in diesem Zusammenhang sei aber vor allem die vorangehende Qualifizierung der POI durch das menschliche Auge gewesen, so Urner: „Der ‚Human in the Loop‘ überprüft die Daten und die von der KI vorgenommen Zuordnungen und greift dann gegebenenfalls korrigierend ein. Denn einerseits sind die OSM-Rohdaten nicht immer zu 100 Prozent korrekt und andererseits kann auch die KI Fehler machen.“ Durch diesen „Human in the Loop“ kann die KI mitlernen und wird selbst immer besser und fehlerresistenter.
Die Standortfaktoren im Detail
Im Ergebnis entstehen interaktive Landkarten, die anzeigen, inwieweit die jeweiligen Standortanforderungen (Verkaufsflächendichte, Filialisierungsgrad, vorherrschende Betriebsformen nach Angebots- und Bedarfskategorien, Angebotsniveau und Trendlagen) in einem Zielgebiet erfüllt werden. Die Verkaufsflächendichte ist einer der relevantesten Standortfaktoren. So zeigt die dazugehörige Versorgungsdichte-Heatmap im Standortatlas an, wo sich Verkaufsflächen von Handelsunternehmen und handelsnahen Dienstleistern im Zielgebiet ballen. Die Daten beantworten somit, wo in einer Stadt die Einkaufsstraßen, wo die Fachmarkt- und Einkaufszentren und wo attraktive und stark frequentierte Lagen sind.
Der Standortfaktor Filialisierung hingegen zeigt in zwei unterschiedlichen Farbskalierungen die Verteilung und Konzentration von inhabergeführten Betrieben gegenüber Filialbetrieben an. „So wird rasch sichtbar, wo in einer Stadt oder Gemeinde die Haupt- und wo die Nebenlagen sind“, so Urner. Der Standortfaktor Angebots- und Bedarfskategorien unterscheidet Warengruppen nach Kauffrequenz und Zentrenrelevanz. So werden Nahversorgungszentren für den täglichen und kurzfristigen Bedarf (mit Supermärkten, Drogerien und Bäckereien) auf einen Blick unterscheidbar von Einkaufslagen mit vornehmlich Anbietern von Artikeln des mittel- bis langfristigen Bedarfs (beispielsweise Schuhe und Bekleidung) sowie Betriebsformen des sonstigen Bedarfs (etwa Baumärkte, Möbelhäuser oder Gartencenter).
Das Angebotsniveau wiederum unterscheidet das Handels-, Dienstleistungs- und Gastronomie-Angebot nach preisorientierten Lagen, Konsum-Lagen, Niveau-Lagen und Luxus-Lagen. „Kurz gesagt kaufen in Luxuslagen mit Gucci-, Prada- und Hermès-Boutiquen andere Zielgruppen ein als in einfachen Lagen mit Spielhallen, Wettbüros und Ein-Euro-Shops“, erklärt Standortexperte Urner.
Die Heatmap Trendlagen zeigt schließlich Häufungen von Geschäften mit extravaganten Sortimenten aus den Bereichen Bekleidung, Schuh- und Lederwaren sowie Wohn- und Modeaccessoires sowie Mono Label-Stores. Das Angebot hier richtet sich damit nicht an die breite Masse, sondern an Lifestyle- und trendorientierte Zielgruppen. Meist wird das Handelsangebot in Trendlagen außerdem ergänzt durch „hippe“ Gastronomie und entsprechende Dienstleistungen.
Fazit
„Es war nicht leicht, dieses Puzzle aus OSM-Daten, den typischen Betriebsformen und Kategorien zusammenzusetzen und eine Daten-Struktur zu entwickeln, die einerseits den Fragestellungen im Geomarketing und andererseits der gängigen Logik im Handel gerecht wird“, resümiert Urner. „Am Ende geht es darum, mit den gewonnenen Informationen die typischen Fragestellungen von Handel und Stadtentwicklung zuverlässig zu beantworten – und das ist uns mit dem WIGeo Standortatlas gelungen.“ (jr)