Das Ende 2016 auf den Markt gekommene Vermessungsinstrument vereint Totalstation und 3D-Laserscanner. Dabei hat Trimble weltweit Entwicklungskapazität konzentriert, um höchsten Ansprüchen gerecht zu werden.
Viele Vermessungstechniker werden sich erinnern, wie sie in den 1990er Jahren mit einer Robotik-Totalstation gearbeitet haben. Erstmals führte ein Vermessungsinstrument selbständig hochpräzise Messungen anhand eines definierten Ablaufs aus. Dieser Wow-Effekt soll sich nun wiederholen. Die Firma Trimble hat Ende 2016 die SX10-Scanning-Totalstation am Markt vorgestellt. Nach eigenen Angaben stellt es das revolutionärste Instrument dar, das der Hersteller jemals auf den Markt gebracht hat. Diese Aussage von der Firma, die die GPS-basierte Vermessung erstmals kommerzialisiert hat, macht neugierig. Was genau ist so besonders an der SX10?

Foto: Trimble
Auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht: Trimbles SX10 ist 3D-Laserscanner und Totalstation in einem. Damit kombiniert der Hersteller zwei der wichtigsten heutigen Geräteklassen und dürfte dem Bedürfnis vieler Fachleute gerecht werden, die sich eine Verschlankung des Instrumentenarsenals sowie steigende Funktionalität und Leistungsfähigkeit wünschen. Mit diesem 1+1=2-Ansatz alleine lässt sich die Revolution jedoch noch nicht ausreichend beschreiben. Die wirklich innovativen Dinge lassen sich erkennen, wenn man die sprichwörtliche Motorhaube öffnet und einen genauen Blick auf die vielen neuartigen Entwicklungen wirft, die sich im Innenleben verbergen. Denn die SX10 vereint die Vorteile der einzelnen Methoden: „Sie scannt in extrem hoher Geschwindigkeit, verbessert die Trimble VISION Bilderfassungstechnologie und besitzt die von Totalstationsmessungen gewohnte hohe Genauigkeit“, so Dr. Christian Grässer, Entwicklungsspezialist bei Trimble im schwedischen Danderyd.
Lightning 3DM Technologie
Um dieses Ziel zu erreichen, hat Trimble einige Dinge völlig neu erdacht. Das System baut zwar auf der Stabilität der Trimble-Technologien MagDrive und SurePoint auf. Bei diesem Projekt wurden aber erstmals alle bestehenden Entwicklungsressourcen von Trimble konzentriert, um den hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Nach ersten Entwicklungen nach der Grundkonzeption im Jahr 2007 hatte das Team festgestellt, dass dieses simple Zusammenführen der damals bestehenden Linien S und VX nicht erfolgreich sein konnte.
Neue Wege wollten also begangen werden und so entstand das Herzstück der SX10, die Lightning 3DM Technologie. Die SX10 Entwicklung setzte auf keiner bestehenden Plattform auf. „Fast jede Komponente musste von Grund auf neu entwickelt werden, von der Grundlagenforschung bis hin zu ganz neuen Fertigungstechniken, Produktionsprozessen und Testverfahren“, so Grässer. Lightning 3DM besitzt einige Kernkomponenten, die grundlegend neu sind. Dazu gehört zum Beispiel ein rotierendes Ablenkprisma, das ein horizontales Scanband erzeugt und eine vom Messsystem komplett unabhängige Komponente darstellt. Besonderheit: Das Prisma bedient gleichermaßen die laser- und die bildbasierte Messung. Dabei greift Trimble auf das Know-how von Trimble-Nikon, einem Joint Venture mit dem japanischen Optik-Spezialisten Nikon, zurück. Das rund 500 Gramm wiegende Prisma aus Glas allerhöchster Güte der Japaner wurde dabei in Danderyd auf die SX10 angepasst. Damit birgt die SX10 etwa auch die Option zur terrestrischen Photogrammetrie: Die dazugehörige Software Trimble Business Center registriert die einzelnen Aufnahmen der Kamera automatisch und generiert so eine 3D-Punktwolke.
Ein weiteres Kernstück von Lightning 3DM ist ein spezieller Kristalloszillator, der die Steuerung des rotierenden Prismas inklusive der Synchronisation der Laserpulse und der Datenverarbeitung übernimmt. Ebenfalls grundlegend neu ist der Verstärker, der das Konzept MOFA (master oscillator fiber amplifier) verfolgt. Diese aus der Mikrosystemtechnik entlehnte Technologie sorgt dafür, dass der Laserimpuls die nötige Energie bekommt – und das lediglich im Chip-Kartenformat. Die Laserenergie ist wichtig, um die Störanfälligkeit des Signals zu reduzieren und ihn unabhängiger etwa von widrigen Sichtbedingungen zu machen. Der Verstärker verstärkt das Signal mit einer Leistung von bis zu 1,3 Kilowatt. Ein sichtbares Ergebnis dieser Basistechnologie ist der kleine Messpunkt des Lasers. Die nach Angaben von Trimble kleinste Spotgröße im Markt beträgt acht Millimeter bei einer Entfernung von 50 Metern, bei 100 Metern sind es nur 14 Millimeter.
Weiterer Vorteil: Die Ungenauigkeit der Messung steigt nicht – wie bisher auch bei High-end-Geräten üblich – mit steigender Messentfernung exponentiell an, sondern „nur“ linear. Konkret produziert der Scanner bei 200 Metern Messdistanz eine Ungenauigkeit von 1,5 Millimetern, bei 250 Metern allerdings auch nur zwei Millimeter.
Koaxiale Optik, kein Okular
Alle Totalstationen, die in Danderyd produziert werden, haben digitale Kameras integriert, die SX10 besitzt gleich fünf davon, die alle inhouse entwickelt und gefertigt werden. „Dies stellt ein voll integriertes Kamerasystem für Dokumentation, Messung und die Geräteführung zur Verfügung“, sagt Christian Grässer. Die senkrechte Kamera, angebracht in einer Höhe von 1,5 Metern, erreicht dabei sogar eine Auflösung über Grund von 0,3 Millimetern pro Pixel. Drei Kameras sind zu einer Systemeinheit verbunden, hinzu kommt eine koaxiale Telekamera.
Die Telekamera hat acht Zoomstufen, wovon die sechste Stufe bereits die 84-fache Vergrößerung bietet. Die Stufen sieben und acht sind dem digitalen Zoom vorbehalten, wobei dabei die Pixelgröße für den Digitalzoom optimiert wurde. Diese Kameras ersetzen quasi das bisherige optische Okular der Totalstationen. „In der Praxis hat sich dies als äußerst praktikabel erwiesen“, sagt Christian Grässer aus der Entwicklungsabteilung von Trimble. Mit dem Zoom kann der Blickwinkel von 0,65 Grad bis hin zu 57 Grad eingestellt werden. Damit einher geht die Entwicklung des digitalen Fadenkreuzes, das die Bildsicht überlagert, wo auch Einstellungen für Helligkeit, Spot-Belichtung, Weißabgleich und vieles andere zu erkennen sind.
Auch dies stellte die Entwicklungsarbeit vor ganz neue Herausforderungen. Physische Fadenkreuze besitzen eine Genauigkeit von wenigen Mikrometern, eine Lasermessung auf kurze Distanz kommt jedoch deutlich unter diesen Wert, so dass man in Danderyd bei digitalen Cross Hairs (englisch für Fadenkreuz) neue Wege gehen musste. Nun wird die durch die verschiedenen Kameras erzeugte Parallaxe automatisch korrigiert, die Messung der Distanz wird in Echtzeit angegeben. Es muss also kein extra Bedienelement betätigt werden. Den ehemaligen „Blick ins Okular“ zeigt nun auch ein Tablet: Er zeigt den Digitalzoom in beliebiger Vergrößerung, so dass das Fadenkreuz Pixel für Pixel bewegt und justiert werden kann. Über diesen „Trick“ des digitalen Zooms werden die Nachteile der geringeren Genauigkeit des digitalen Fadenkreuzes bei größeren Entfernungen quasi ins Gegenteil gekehrt.
Ziele verdoppelt
Wie groß die Entwicklungsdynamik war, lässt sich beim Blick auf die Entwicklungsziele ableiten, die sich im Laufe des Projekts veränderten. Ursprünglich war es zu Beginn vorgesehen, eine Winkelgenauigkeit von zwei Bogensekunden zu erreichen. Bei der Entfernungsgenauigkeit sollten vier Millimeter, in einem späteren Entwicklungsschritt bis zu zwei Millimeter, und eine maximale Messweite von 250 Metern erreicht werden. Aber die technologische Konzeption barg ein hohes Potenzial, sodass jeder detaillierte Entwicklungsschritt Wirkung zeigte. Die Folge: Das Trimble-Team reizte das technologisch Machbare aus. Aktuell erreichen die Werte das Doppelte oder mehr: Die SX10 erfasst etwa 26.600 Punkte pro Sekunde bei einer Reichweite von bis zu 600 Metern. Die Vermessung wird über Live-Videobilder vom Feldrechner aus gesteuert.
Zurück im Büro können mit Trimble Business Center die Trimble-SX10-Daten über die bekannten Arbeitsabläufe dieser Auswertesoftware komplett in laufende Projekte einbracht werden. Erweiterte Punktwolkenverwaltung, automatisierte Extraktion und die Kompatibilität zu führenden CAD- und GIS-Paketen stellen sicher, dass sich die Revolution der SX10 bis zum Ende des Workflows durchzieht.
Kleiner geschichtlicher Exkurs

Der Trimble SX10 vereint 3D-Laserscanner und Totalstation. Er liefert auch im Vergleich mit den Einzelgattungen Spitzenwerte. Foto: Trimble
Trimble setzt mit dem SX10 eine lange schwedische Tradition in der Geschichte der Geodäsie fort. 1941 arbeitete der Physiker Erik Bergstrand an einer Methode zur Messung von Lichtgeschwindigkeit. Er bezeichnete das daraus resultierende Gerät als Geodimeter, da die wichtigste Anwendung die Messung von Entfernungen war und zwar in einer neuen Dimension: Ein Abstand von 35 Kilometern konnte innerhalb einer Messung mit der Genauigkeit von bis zu sieben Zentimetern gemessen werden. Seine Erfindung war in der Lage, mehrere Millionen Impulse pro Sekunde auszusenden.
Schließlich brachte das schwedische Industrieunternehmen AGA den Geodimeter 1953 in Serienproduktion und startete damit eine Erfolgsgeschichte. 1964 gab es dann den ersten komplett transistorbasierten Geodimeter – was quasi die Geburtsstunde von Totalstationen einleitete. Im Jahr 1986 war das Geodimeter 440 die erste Totalstation mit Onboard-Programmen. Die Geotronics-Linie wurde zu Spectra Precision und schließlich im Jahr 2000 von Trimble übernommen. Im schwedischen Danderyd, rund zehn Kilometer nördlich von Stockholm, wurde die Geschichte der Totalstation weiter fortgeschrieben. Zum Beispiel im Jahr 2005, in dem die S-Serie von Trimble das Licht der Welt erblickte. In 2007 war es die VX Spatial Station, die erstmals 3D-Laserscanning, Bilderfassung und Vermessung in einem Instrument vereinte.
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