Die Digitalisierung des Managements von Stadtbäumen wird inzwischen nicht nur vor dem Hintergrund der Verkehrssicherungspflicht vorangetrieben.
Bäume in der Stadt stehen vor allem wegen der Verkehrssicherungspflicht im Mittelpunkt des kommunalen Interesses. Der Gesetzgeber verpflichtet sie zu kontrollieren und Schäden durch herabfallende Äste oder umstürzende Bäume zu verhindern. Die Kontrolle von Bäumen an Straßen und in Parks ist daher ein fest verankerter Aufgabenbereich in den Kommunen, in dem auch die Digitalisierung seit Jahren voranschreitet. Lösungen für Baumkataster zeigen nicht nur die Standorte der Bäume an, sondern speichern auch alle Informationen zu deren Zustand, zur Kontrolle und weitere Sachdaten. Man kann durchaus von digitalen Zwillingen des städtischen Baumbestandes sprechen. Moderne Software zeigt schon heute, wohin die digitale Reise einmal gehen wird: Smartphones und deren Bilderkennung ermöglichen eine schnelle Pflanzenbestimmung auf Knopfdruck. Google Lens ist sicherlich die bekannteste Lösung, die nicht nur Baumarten erkennt, sobald man sie „fotografiert“, sondern auch einen bestimmten Krankheitsbefall. Es gibt weitere Anbieter von Pflanzenerkennungssystemen, die alle auf KI basieren.
Gerade Stadtbäume unterliegen aber auch einem Imagewandel. Sie werden nicht mehr nur als technisches „Inventar“ der Stadt gesehen, sondern als produktiver und heilsamer Bestandteil der Ökosphäre. Aber Bäume sind schön. Sie wecken positive Emotionen. Bäume reinigen die Luft. Bäume kühlen. Bäume speichern Wasser und spenden Leben. Gerade in der Stadt bilden Bäume ein neues Feld für Interessenskonflikte. Denn Bäume kosten auch Geld. Von der Pflanzung bis zur Fällung brauchen sie ein umfassendes Management. Das Modell des Life-Cycle-Managements, wie es in der Industrie längst üblich ist, hat sich in der gesamten Grünflächenbewirtschaftung noch kaum durchgesetzt. Neue Parks, Grünflächen und Baumstandorte werden heute zwar mit viel Enthusiasmus und öffentlichem Zeremoniell gefeiert, aber welcher Aufwand für die Stadtverwaltung damit verbunden ist, ob die notwendigen Ressourcen vorhanden sind und welche Kosten entstehen, wird noch zu wenig diskutiert. Die Kommune wird es schon richten, so eine weit verbreitete Annahme, die oft auf wenig ökonomischer Realität beruht. Die Digitalisierung gilt als wesentlicher Schlüssel, um die Baumpflege effizienter zu gestalten, nachhaltiger zu planen, zu überwachen und als objektive Informationsbasis für rechtliche Auseinandersetzungen zu mobilisieren.
Doch wo stehen die Kommunen heute beim Einsatz eines Baumkatasters? „Aufgrund der Notwendigkeit des Nachweises notwendiger Baumkontrollen verfügen heute die allermeisten – zumindest größeren – Kommunen über ein Kataster. Die inhaltliche Qualität ist jedoch unterschiedlich“, sagt Dieter Fuchs, Leiter des Geschäftsbereich Stadtgrün der Bundesstadt Bonn. Grundvoraussetzung sollte aber sein, dass eine regelmäßige Baumkontrolle und die Beseitigung von dabei festgestellten Schäden nachgewiesen wird.
Und wie viel kostet das „Asset“ Baum? Noch gibt es keine etablierten Methoden, um die Kosten im Lebenszyklus eines Baumes abzubilden. Aber es gibt Untersuchungen und Forschungen zu den Ökosystemleistungen von Stadtbäumen“, sagt Fuchs. Obwohl das Thema sehr komplex ist und erst in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen hat, gebe es noch wenige Quellen. Dabei sei das Interesse in den Städten groß, die Kosten von Bäumen zu quantifizieren, so Fuchs, der seit 2021 den Arbeitskreis Stadtbäume der GALK (Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz) leitet.
Der Arbeitskreis, ein Zusammenschluss der kommunalen Grünflächenverwaltungen, hat dazu Erhebungen und Umfragen initiiert. Demnach verursacht ein Straßenbaum nach einer ersten groben Schätzung durchschnittlich rund 80 Euro Kosten pro Jahr. Darin sind die Kosten für Ersatzpflanzungen nicht enthalten. Bei Bäumen in Parks und Gärten werden die Kosten etwas geringer ausfallen. „Eine detaillierte Erhebung dazu ist mir nicht bekannt“, so Fuchs.
Amtliche Geodaten und mobile GIS-Lösungen spielen daher für die Baumpflege eine große Rolle. „Für die Optimierung eines Baumkatasters sind diese Daten unabdingbar“, so Fuchs. Wenn eine Baumkontrolle nach den Richtlinien der FLL (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau e.V.) durchgeführt werden soll, müssen diese Daten vorhanden sein.
Enge Verzahnung besonders wichtig
Ebenso wichtig ist die Verzahnung von Baumkataster (Managementebene) und Baumpflege (mobile Systeme). „In der Regel sollten die Ergebnisse der Kontrollen, insbesondere wenn sich daraus Handlungsbedarf ergibt, in der Baumpflege umgesetzt werden“, so Fuchs. Die Dringlichkeit hat mit dem Klimawandel zugenommen. Die starke Reaktion der Bäume auf die letzten trockenen und heißen Jahre hat zu einem Sorten- und Artenwechsel bei den gepflanzten Bäumen geführt. Es wird Neues ausprobiert (vor allem stressresistente Sorten), überall wird versucht, optimale Standorte zu finden und auch die Pflege zu intensivieren oder zu optimieren“, so Fuchs. Bei vielen Versuchen sei aber noch unklar, welche langfristigen Folgen sie haben.
Dazu sei eine genaue Dokumentation des Bestandes und seiner Entwicklung über den gesamten Lebenszyklus notwendig. Das Konzept des digitalen Zwillings des Stadtbaumbestandes, wie es in Ansätzen bereits existiert, könnte hier seine Vorteile ausspielen. Ziel ist es, daraus Rückschlüsse für eine lange Lebensdauer trotz ungünstiger werdender Wachstumsbedingungen zu ziehen. „Es ist auch eine tägliche Herausforderung, die Raumansprüche insbesondere der Straßenbäume gegenüber anderen und neuen Nutzungsansprüchen (Wohnungsbau, Radwege, Ausbau erneuerbarer Energien) zu verteidigen“, so Fuchs.
Bäume in der wassersensiblen Stadt
Den Baum als Faktor im urbanen Wasserkreislauf zu sehen, ist ebenso neu wie wichtig. Im Zuge neuer Konzepte wie der wassersensiblen Stadtentwicklung (z.B. Schwammstadt) werden z.B. immer wieder Baumrigolen, ein Begriff den Fuchs problematisch findet, genannt, die den Abfluss von Regenwasser reduzieren bzw. verzögern. Kombiniert mit der Verdunstungsleistung eines Straßenbaumes könnte sich ein positiver Effekt für Grundwasser, Klima und Hochwasserschutz ergeben. Entscheidend für den Baum ist jedoch die Versorgung mit Wasser und Luft. „Beides muss gewährleistet sein, damit man von einem geeigneten Baumstandort sprechen kann“, so Fuchs. In einem Positionspapier zur wassersensiblen Straßenraumgestaltung der GALK (www.galk.de/component/jdownloads/send/3-positionspapiere/859-flyer-positionspapier-wassersensible-strassenraumgestaltung-2023) wird diese Auffassung beschrieben. Darin betont die GALK, dass verschiedene Fachgebiete in der Nutzung von Baumstandorten zur Versickerung eine Win-Win-Situation sehen, dies aber im Zusammenhang mit der Notwendigkeit den Bäumen schadstofffreies Wasser und Luft zur Verfügung zu stellen, verfrüht sei. Die Neupflanzung von Bäumen sollte daher „frühzeitig baumfachlich begleitet werden“, heißt es in dem Positionspapier.