Die afo solutions ag aus der Schweiz bietet seit 15 Jahren Standortanalysen für Unternehmen an. Dabei kommen verschiedene Verfahren wie die Gravitations- oder die White Spot-Analyse zum Einsatz. Welche Rolle spielt die Konkurrenzsituation an einem möglichen Standort dabei?
Angeheizt durch die Corona-Pandemie und die fortschreitende Digitalisierung hat sich der Konflikt zwischen stationärem Einzelhandel und Online-Marketing weiter verschärft. Auf Augenhöhe begegnen sich die beiden Kontrahenten jedoch schon lange nicht mehr. Denn der Online-Handel scheint ein schier übermächtiger Gegner zu sein – allein schon, weil die Vorzeichen grundsätzlich verschieden sind: Online-Händler brauchen keine teuren Standorte, keine großen Verkaufsflächen und oftmals nur einen Bruchteil des (Verkauf-)Personals. Klar also, dass die Unternehmen hier knapper kalkulieren und Preise günstiger anbieten können als ihre analogen Konkurrenten.
Das hat Folgen: der US-Konzern Amazon, Pionier und leuchtendes Vorbild für viele Online-Händler, konnte seinen Umsatz in Deutschland allein in der zweiten Jahreshälfte 2019 im Vergleich zum ersten Halbjahr um rund 35 Prozent auf 15,6 Milliarden Euro steigern. Das geht aus der Studie „E-Commerce Germany Report“ hervor, die 2020 erschienen ist. Der gesamte Einzelhandel in Deutschland hat im gleichen Zeitraum nur um knapp 10 Prozent zugelegt. Mit der Corona-Pandemie und den zugehörigen Lockdowns hat sich dieses ungleiche Rennen weiter verschärft.
Erfolgsfaktor: Standort
Und dennoch: auch der stationäre Einzelhandel kann immer noch erfolgreich sein – wenn die richtigen Faktoren beachtet werden. „Insbesondere die richtige Wahl des Unternehmensstandortes ist hier zu nennen“, weiß Peter Hartmann, Geschäftsführer der afo solutions ag aus dem schweizerischen Hünenberg. Das Unternehmen besteht bereits seit über 15 Jahren am Markt und ist Spezialist für Geodaten und räumliche Analysen. Dabei verfügt afo solutions über eine eigens entwickelte WebGIS-Lösung sowie eine eigene Geodatabase mit umfassenden Marktdaten. „Wir wollen unseren Kunden die besten Entscheidungen hinsichtlich eines möglichen Standortes ermöglichen. Dafür beziehen wir verschiedene Informationen in unsere Analysen ein, sodass wir das Potenzial eines potenziellen Standorts genau abschätzen können.“
Die wichtigsten Faktoren für die Standortbewertung sind dabei die Distanz zwischen dem Kunden und dem Standort sowie die Attraktivität des Standorts. „Muss ein Standort also zwangsläufig eine hohe Passantenfrequenz haben und dem Geschäftserfolg steht nichts mehr im Wege? Ganz so einfach ist es leider nicht“, so Hartmann, der ausführt: „Eine hohe Frequenz ist selbstverständlich sehr relevant, aber sie entscheidet nicht allein über die Rentabilität des Geschäfts. Vielmehr müssen die Bedürfnisse der Zielgruppe und die Lage zusammenpassen und sich bestenfalls ergänzen.“
Wie das aussehen kann, zeigt ein einfaches Beispiel: Ein Schuhgeschäft einer großen Kette hat direkt am Gleis eines Bahnhofs einer rund 30.000-Einwohner großen Stadt eine neue Filiale eröffnet. Das Gleis ist zwar hochfrequentiert und in der Folge ist der Passantenstrom an der Filiale groß gewesen, doch sind die Passagiere vornehmlich Pendler. „Der Standort ist also kein ‚Verweilstandort‘, sondern ein ‚Durchgangsstandort‘, an dem die Passanten nicht viel Zeit haben. Wenn sie etwas kaufen, muss es schnell gehen. Ein Schuhkauf ist für die meisten Menschen jedoch keine Sache von nur fünf Minuten“, erklärt der afo solutions-Geschäftsführer. Erfolgsversprechender wäre an diesem Standort also ein Ladenlokal, das den Zeitdruck der Pendler berücksichtigt, beispielsweise ein Schnell-Imbiss.
Analysen für die ganze Schweiz, Österreich und Deutschland
Wie aber kann die Standortattraktivität nun genau analysiert werden? Die afo solutions ag hat dafür mehrere Verfahren im Angebot, zum Beispiel die sogenannte Gravitationsanalyse. „Man berechnet hierbei die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden von ihrem Wohn- oder Arbeitsplatz aus an einen bestimmten Standort zum Einkaufen gehen“, erklärt Hartmann. Auch kann mit der Gravitationsanalyse berechnet werden, wie hoch Kannibalisierungseffekte sind und welche Auswirkungen Schließungen, Neueröffnungen und Umzüge eigener oder Konkurrenzstandorte haben. Dabei wird räumlich modelliert, wie sich die Umsätze und die Kaufkraft zwischen den Filialen verändern.
Besonderheit beim afo solutions-Ansatz ist, dass das Unternehmen solche Gravitationsanalysen für das gesamte Gebiet der Schweiz anbieten kann. Aber auch für Unternehmen in Deutschland und Österreich können die Hünenberger das Verfahren anbieten. „Je nach Land arbeiten wir dabei mit diversen Rastern. Für die Schweiz zum Beispiel mit einem länderüberspannenden Modell in einem kleinteiligen 100-mal-100-Raster, für Deutschland und Österreich mehr mit Mikrozellen“, berichtet der Standort-Experte. Mikrozellen sind länderspezifisch und variieren von der Adresse bis hin zum räumlich-inhaltlichen Aggregatslevel, der datenschutzbedingt die Anonymisierung personenbezogener Daten garantiert. Auch seien die Modelle, die afo solutions für ihre Kunden entwickelt, immer individuell und branchenspezifisch: „Tankstellenshops haben natürlich andere Anforderungen an einen Standort als Weingeschäfte oder Non-Food-Läden wie Optiker oder Akustiker. Eins haben aber alle Modelle gemein: wir benötigen vielfältige Informationen vom Kunden, um eine erfolgversprechende Analyse durchführen zu können.“ Dabei handelt es sich beispielsweise um die Kaufkraft der umliegenden Anwohnerschaft, naheliegende Points of Interest (POI) oder das Umsatzpotenzial des Kunden.
Rückschlüsse auf komplexe Szenarien dank White Spot
Außerdem bietet die afo solutions ag sogenannte White Spot-Modelle an. „Das sind Verallgemeinerungen von einfachen Gravitationsanalysen, die die Vernetzung aller Einflussfaktoren berücksichtigen“, berichtet Hartmann. Als White Spots werden dabei solche Gebiete bezeichnet, die gleichermaßen einen niedrigen Versorgungsstand und ein hohes Umsatz- bzw. Kundenpotenzial haben. „Dieser Ansatz erlaubt es uns, Rückschlüsse auf komplexe regionale Szenarien wie Filialschließungen oder -neueröffnungen zu ziehen.”
Grundlegend dafür ist die alte Marketing-Weisheit, dass Konkurrenz das Geschäft belebt: „Eine Imbissbude, die auf einer teuren Einkaufsmeile zwischen Luxus-Modeläden eröffnet, wird wohl kaum erfolgreich sein – obwohl die Passantenfrequenz hier hoch ist. Mikrolage des Imbisses und Branchenmix passen hier nicht zur Zielgruppe. Befindet sich der Imbiss aber auf einer Ausgangsmeile, auf der es weitere Imbissbuden gibt, wird das Unternehmen von der Konkurrenz profitieren können. Denn Besucher einer Ausgangsmeile suchen diese auf, um ihre Grundbedürfnisse ‚Essen, Trinken, Freizeit‘ zu befriedigen. Die Mitbewerber wirken hier also als Frequenzbringer: je mehr Alternativen die Passanten haben, desto beliebter wird die Ausgangsmeile sein.“
Der White Spot-Ansatz kann darüber hinaus zusammen mit dem Szenariorechner in das afo solutions-WebGIS integriert werden. Hier können diverse Szenarien berechnet werden, wie beispielsweise der zu erwartende Umsatz an einem potenziellen Standort sowie die Kannibalisierung eigener Standorte. Für den Kunden sieht die Kartenansicht dann aus wie eine Heatmap, auf der schnell ersichtlich wird, welches Gebiet für einen Standort interessant sein könnte. „Unsere Standortanalysen – egal ob per Gravitations- oder White Spot-Modell – basieren damit immer auf einer Mischung aus unserer langjährigen Erfahrung und dem Wissen, welches wir gesammelt haben“, resümiert der Standort-Experte. „Somit können Einzelhändler richtige Entscheidungen für ihr Unternehmen treffen – und den Abstand zum Online-Handel bestenfalls verringern.“ (jr)