Das Thema BIM steht nun schon seit einiger Zeit im Mittelpunkt der Diskussionen um die Zukunft der Bauwirtschaft und bei den Veränderungen durch die Digitalisierung. Bei Topcon steht BIM ganz oben auf der Prioritäten-Liste.
Topcon sieht sich als Technologiehersteller an der „Intersection of Infrastructure and Technology” – da wo heutige und zukünftige Infrastrukturanforderungen auf Technologien treffen, mit deren Hilfe diesen Anforderungen Sorge getragen wird. Das Unternehmen möchte mit der Integration von Technologien helfen, digitale und vernetzte Prozesse in der Bauwirtschaft zu etablieren und Auftraggeber entsprechend beraten. Doch wie weit ist Deutschland im Vergleich zu Ländern wie Schweden, den Niederlanden oder Großbritannien bei der Implementierung der BIM-konformen Prozesse? Und welche Entwicklungen sind notwendig, damit auch die deutsche Baubranche endgültig den Absprung in die Digitalisierung schafft? Business Geomatics Redakteurin Carolin Höher traf sich zum Gespräch am Topcon-Standort in Essen mit Olaf Droste, Prokurist und Senior Sales Manager DACH, und Wolfgang Bücken, Business Development Manager & Key Account Manager für den Bereich Softwarepartner- und Topcon-Partnermanagement.
Business Geomatics: BIM ist zwar das Thema in der Baubranche. Wenn man sich umhört, was denn damit genau gemeint ist, scheint sich die Branche allerdings nicht ganz einig zu sein. Wie definiert Topcon den Begriff BIM?

Wolfgang Bücken ist seit August 2016 Business Development Manager & Key Account Manager für den Bereich Softwarepartner- und Topcon- Partnermanagement. Foto: Topcon
Wolfgang Bücken: Wenn Sie 20 Leute fragen „Was ist BIM“, bekommen Sie 36 Antworten (lacht). Prinzipiell steht BIM bei Topcon vor allem für die Bereiche Daten, Datenerfassung und Datendokumentation, also die neben der Planung wesentlichen Bestandteile des digitalen Bauens. Topcon-Technologie steht im Zentrum aller Prozessabläufe rund um ein BIM-konformes Baumanagement. Da für ein Bauvorhaben zunächst die Grundlagendaten ermittelt werden müssen, sind unsere Technologien von Anfang an maßgeblich daran beteiligt, Grundlagendaten zu erheben – zum Beispiel mittels Vermessung und Befliegung – diese weiterzuverarbeiten und anderen am Bauprozess beteiligten Unternehmen sinnvoll, intelligent und ohne Informationsverlust weiterzugeben. Wenn die Planung abgeschlossen ist und es um die Ausführung geht, kommen unsere Systeme erneut zum Einsatz – zum Beispiel in Form von Maschinensteuerungen für Baumaschinen, sodass die Planung präzise und datenkonform in der Ausführung umgesetzt wird. Zusammengefasst steht BIM für uns also für Integration, Offenheit, Transparenz und Kommunikation, und dies ist gewissermaßen auch Leitbild für alle neuen Entwicklungen bei Topcon.
Olaf Droste: Im Prinzip geht es Topcon um übergreifende Workflows, die alle Arbeitsprozesse in der Digitalisierung abdecken. Topcons Ziel ist es, als Hersteller gleichermaßen die Produkte und Schnittstellen bereitzustellen, um einen durchgängigen und offenen Arbeitsprozess abzubilden. Wir bieten dafür zum Beispiel auch die Möglichkeit, verschiedene Produkte – auch die anderer Unternehmen – in diesem Prozess zu nutzen, auch wenn dies eine anspruchsvolle Aufgabe ist.
Inwiefern anspruchsvoll?
OD: Vor allem aufgrund der Situation bei den Datenformaten: Zwar haben sich im internationalen Bereich gewisse Datenformate als Standard durchgesetzt, das bedeutet aber nicht, dass es keine anderen Datenformate gibt. Was Topcon dabei auszeichnet, ist die Offenheit zu nahezu allen Datenformaten, die in irgendeiner Weise genutzt werden. Viele Hersteller gehen dahin, dass sie sich abschotten, also eigene Datenformate kreieren. Topcon hingegen sagt: Wir verknüpfen alles, geben die Möglichkeit diese zu integrieren, lassen die Schnittstellen offen, sodass man sie in einem gesamten Prozess nutzen kann.
WB: Darum sind wir auch strategische Partnerschaften eingegangen, etwa mit Autodesk, RIB oder Bentley. Auch diese Partner haben so die Möglichkeit, direkt in unsere Datenformate reinzuschreiben, diese auszulesen und sie weiter zu verarbeiten.
Wo spiegelt sich der Begriff BIM in den Projekten von Topcon wieder?

Olaf Droste ist Prokurist und Vertriebsleiter des Construction- Teams der DACH-Region. Foto: Topcon
OD: Das prominenteste Projekt ist aktuell die Erneuerung der Startbahn West des Frankfurter Flughafens (BG 08/17, Anm. d. Red.). Mit SmoothRide – einem vollständigen vernetzen Arbeitsprozess, ist es gelungen, die Verschleißschicht der Startbahn in nur fünf Tagen genau nach Plan fertigzustellen. Das BIM-Konzept spiegelt sich in diesem Fall in erster Linie in der Kommunikation und der lückenlosen Prozesskette wieder. Alle Beteiligten haben sich zuvor gemeinsam an einen Tisch gesetzt und das Projekt besprochen. Von der Planung, über die Vermessung und die Erneuerung bis hin zur Abrechnung waren alle Schritte und alle Beteiligten genau aufeinander abgestimmt, weshalb wir genau im Kosten-und Zeitplan lagen. Und genau das ist es, was bei vielen Bauprojekten in Deutschland fehlt, denn oft entspricht die Planung eben nicht den endgültigen Kosten – siehe Berliner Flughafen. Wäre dieser mit modernen, BIM-konformen Methoden geplant worden, sähe die Situation heute sicher auch anders aus.
BIM scheint Trendthema und Unwort zugleich zu sein. Die einen werben aggressiv mit BIM-konformen Prozessen und Produkten, während die anderen diesen Veränderungen eher kritisch gegenüber stehen, insbesondere im Tiefbau. Woran liegt das?
WB: Die Tiefbau- und Vermessungsbranche ist – zumindest in Deutschland – sehr traditionell. Sicherlich gibt es seit 15- 20 Jahren digitale Prozesse, aber das ist nicht gleichbedeutend mit BIM. Mit den neuen technologischen Möglichkeiten besteht die Chance, interne Prozesse auch innerhalb des Unternehmens auf den Prüfstand zu stellen und zu optimieren. Viele Anwender wollen das nicht, weil die Prozesse bisher ja immer funktioniert haben. In großen Bauunternehmen ist der Wandel zwar bereits ersichtlich, viele investieren um ihre Prozesse vollständig zu digitalisieren. Die kleineren Unternehmen aber sträuben sich gegen diesen Wandel, und da sehe ich ein großes Problem in der Branche.
OD: Auch die Rahmenbedingungen sind schwierig. Teilweise sind die Grundlagen für BIM bei der öffentlichen Hand nicht vorhanden. Diese Kommunen und Behörden sind oft noch gar nicht bei dem Digitalisierungsprozess angekommen. Bei manchen Infrastrukturprojekten ist bereits die Auftragsvergabe nahezu mittelalterlich: Man erhält einen 2D-PDF-Plan vom Bauherren, aber dieser erwartet bizarrerweise vom ausführenden Unternehmen eine digitale Bauplanung und eine ebensolche Baufortschrittsdokumentation. Obwohl die Baufirmen viele ihrer Prozesse bereits digitalisiert haben, stehen sie vor der Herausforderung, den analogen Auftrag digital fortzusetzen. Oft scheitert es von Seiten der Bauherren auch an der Prüfbarkeit, weil sie gar nicht die Möglichkeit haben, die Pläne, die diese technologisch fortschrittlichen Firmen erstellt haben, mit ihren Mitteln zu prüfen. Teilweise wird dann sogar erwartet, dass man die digitale Planung wieder runterbricht auf eine Form, die vor 20 Jahren Usus war. Dies ist gegenüber den heutigen technischen Möglichkeiten geradezu eine Provokation.
Warum bewegt sich die Branche so langsam?
OD: Das liegt teilweise am Informationsmangel, teilweise ist es Bequemlichkeit: „Das haben wir doch immer schon so gemacht, warum müssen wir das jetzt ändern”, so eine vorherrschende Haltung. Oft ist es auch einfach eine Bildungslücke, insbesondere bei traditionell arbeitenden Mitarbeitern. Es fehlen Schulungen, die darüber aufklären, wie man die Vernetzung digitaler Prozesse für seine Arbeit gewinnbringend nutzen kann. Wir sind dabei als Unternehmen auch gefordert. Wir digitalisieren ja auch immer mehr und man ist verständlicherweise auch mal überwältigt von den ganzen Neuerungen. Daher gibt es auch ein umfangreiches Schulungs- und Weiterbildungsangebot.
WB: Gerade in größeren Unternehmen gibt es zudem Unterschiede zwischen einzelnen Abteilungen. Während einige sehr intensiv mit digitalen Prozessen arbeiten, stehen andere noch ganz am Anfang. Wenn da kein Anreiz oder Druck vorhanden ist, wird sich dieses Gefälle bis in zehn Jahren verstärken. Auch wir als Anbieter sind hier gefordert, immer wieder nachhaltig Prozesse zu definieren und anschaulich zu erklären, wie es laufen kann. Darum sind wir als Technologielieferant dafür verantwortlich, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen.
Wie sehen Sie den Entwicklungsstand von BIM in Deutschland zurzeit?
WB: BIM ist zwar in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt, aber noch nicht implementiert. Solange von Auftraggeberseite nichts geändert oder investiert wird, kommt das Thema nicht richtig ins Rollen. Vor allem die kommunalen Auftraggeber sind gefordert, die eigenen Prozesse zu überdenken beziehungsweise zu überarbeiten. Bleibt die Umstellung weiterhin so langsam, ist das nicht gut für den Standort Deutschland. Aber es gibt auch positive Beispiele. Die Deutsche Bahn hat ja jetzt schon angefangen, Ausschreibungen für BIM-konforme Projekte zu machen, damit bestimmte Prozesse einfach eingehalten werden. Die Großen haben BIM also bereits ganz klar auf der Agenda stehen. Das müssen sie auch, denn wer international dabei sein will, kommt da nicht drum herum.
OD: In diversen anderen Branchen und anderen Ländern sind die digitalen Prozesse einfach viel weiter. Im Straßenbau tätige Unternehmen in skandinavischen Ländern haben einen Großteil ihrer Maschinen mit digitalen Werkzeugen, etwa intelligenter Maschinensteuerung, ausgestattet. In Deutschland ist dieser Anteil wesentlich kleiner. Aber Deutschland scheint sich generell vor der Digitalisierung auch in anderen Bereichen zu sträuben. Das sieht man zum Beispiel auch daran, dass die meisten Deutschen noch gern mit Bargeld zahlen, anstatt digital, wie es bei den unmittelbaren Nachbarn etwa in den Niederlanden oder in Dänemark mittlerweile normal ist.
Was unterscheidet die Baubranche in Deutschland von der in den Niederlanden oder England?
OD: An konkreten Beispielen lässt sich sagen: In den Niederlanden wird eine Umgehungsstraße in jedem Fall digital geplant, in Norddeutschland nicht. In Deutschland haben nur ein Bruchteil der Walzen eine GPS Antenne, um den Verdichtungsprozess zu messen und digital aufzuzeichnen. Auch das sieht im Ausland anders aus. Dabei stehen die technologischen Grundlagen in Deutschland zur Verfügung. Wir haben hierzulande aber auch ein extremes Wachstumspotenzial. Wir bei Topcon erleben im deutschsprachigen Raum zweistellige Wachstumsraten zwischen zehn und manchmal sogar 20 Prozent.
WB: Von der Herstellerseite ist die Technologie in den genannten Ländern auf einem ähnlichen Level. Was sich unterscheidet, ist die Akzeptanz dieser Technologie in den einzelnen Ländern beziehungsweise bei den administrativen, übergeordneten Stellen. In England ist seit drei Jahren BIM in allen öffentlich beauftragten Projekten über fünf Millionen Pfund Pflicht. Soweit sind wir in Deutschland nicht, damit fangen wir gerade erst an.
Was muss sich ändern, damit sich BIM in Deutschland durchsetzt?
WB: Die Politik muss den Rahmen geben, ganz klar. Aber da bewegt sich zurzeit einiges. Siehe Building Smart e.V., Planen Bauen 4.0. Es gibt unzählige Vereine, Plattformen, Arbeitsgruppen, in denen wir als Technologiehersteller mit involviert sind und auch eine beratende Funktion haben. Was durch den Stufenplan zumindest in den letzten Jahren initiiert worden ist, hat dazu geführt, dass Deutschland wach geworden ist. Prozesse und Rahmenbedingungen ändern sich bereits aktuell sehr schnell. Aber es braucht eben auch in Deutschland einige Jahre, bis diese Änderungen in Gesetze umgewandelt sind. Wir sind bereit!