Mit dem „Professional Certification Program“ bietet der Branchenverband buildingSMART International einen weltweit gültigen Qualitätsmaßstab für die Bewertung und Vergleichbarkeit von Kenntnissen in Building Information Modelling (BIM). Der Autodesk-Vertriebspartner inovi führt seit 2021 BIM-Seminare durch, die nach diesen Qualitätsmaßstäben und gemäß der Richtlinie VDI/bs-MT 2552 8.1 anerkannt und zertifiziert sind. BUSINESS GEOMATICS sprach mit Dr.-Ing. Rico Steyer von der AKG Software, Systemhaus und eines der vier Gründungsunternehmen der inovi gmbh, über das Ausbildungsangebot und welche Rolle die AKG-Lösung VESTRA INFRAVISION dabei spielt.
Herr Dr. Steyer, was versteckt sich hinter dem Begriff „Professional Certification Program“?
buildingSMART hat erkannt, dass erfolgreiches Arbeiten mit BIM nicht nur offene Software-Standards braucht, sondern auch Standards für die berufliche BIM-Weiterbildung. buildingSMART und VDI haben daher einen Standard für den deutschen Markt entwickelt, um eine verlässliche und allgemein anerkannte Norm für BIM-Weiterbildung zu bieten. Das Programm ist zweistufig aufgebaut. In der ersten Stufe geht es darum, BIM-Basiswissen zu vermitteln, sie wird als „Professional Certification Program – Foundation“ bezeichnet. Die zweite Phase nennt sich „Professional Certification – Practitioner“. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Vermittlung anwendungsbezogener BIM-Kompetenzen.
Wie läuft die Schulung bei Ihnen ab und was können Teilnehmer:innen erwarten?
Aufgrund der aktuellen Situation finden derzeit nur Online-Seminare statt. Das Basisseminar dauert zwei Tage und richtet sich nicht nur an Beschäftigte im Straßenbau, sondern generell an alle im Bauwesen tätigen Ingenieure, Techniker und Zeichner. Zur Erlangung des Zertifikats findet optional am Kursende eine dreißigminütige Online-Abschlussprüfung im buildingSMART-Prüfungsportal statt. Die Prüfung besteht in der Beantwortung von 25 Fragen aus fünf Themenbereichen. Wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass bisher weit mehr als 150 Personen bei uns das buildingSMART-Zertifikat erhielten. Optional besteht die Möglichkeit, sich in einem internationalen Online-Verzeichnis eintragen zu lassen.
Der in der zweiten Phase angebotene Professional Certification – Practitioner-Kurs beinhaltet ein wesentlich breiteres inhaltliches Spektrum und legt die Schwerpunkte auf BIM-Koordination und BIM-Management. Dieser Kurs besteht aus 40 Lerneinheiten á 45 Minuten, aus Selbstlernzeiten mit praktischen Übungen an Anwendungsfällen sowie einer komplexen Zertifizierungsprüfung mit Fachaufgabe, Prüfungsgespräch und Online-Test. Mit dem erfolgreichem Prüfungsabschluss erwirbt man das Zertifikat „Certified Professional“. Auch diesen Kurs bieten wir zukünftig an.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte beinhaltet Ihr Basisangebot?
Die inhaltlichen Schwerpunkte geben buildingSMART und VDI anhand der VDI-Richtlinie 2552/Blatt 8-1 vor. Unser Basisseminar richtet sich exakt an die Vorgaben dieser Vorschrift, sonst wäre eine erfolgreiche Zertifizierung gar nicht möglich. Teilnehmende erhalten die Richtlinien VDI 2552/Blatt 1, Blatt 2 und Blatt 8-1. Die Unterlagen stellen ein Kompendium dar, das alles Wissenswerte zu Grundlagen und Anwendung der BIM-Methodik liefert. Anhand der Richtlinien setzen wir im Seminar folgende Schwerpunkte: Grundlagen der BIM-Methodik, Mehrwert und Herausforderungen, Normen und Richtlinien, Anwendungsformen, objekt-
orientierter Modellaufbau, Implementierung, Werkzeuge, Koordinierung und Modellprüfung sowie Modellaustausch mittels IFC, IDM und MVD. Das Feedback zeigt, dass die Agenda für alle sehr spannend, aber auch durchaus herausfordernd war.
Klingt nach viel theoretischem Wissen. Kommt die Praxis dabei nicht zu kurz?
In der Tat behandeln die beiden Seminartage eine Vielzahl theoretischer Aspekte der BIM-Methodik, sei es die Modellierung, der Datenaustausch oder rechtliche Grundlagen. Es werden auch praxisrelevante Fragen gestellt, die sich auf Projekte, Prozesse und Workflows beziehen.
Deshalb bieten wir in Ergänzung zum Basisseminar einen praxisbezogenen BIM-Vertieferworkshop an. Dieser Tag ist ganz der praktischen Arbeit mit der BIM-Methodik gewidmet und besitzt drei thematische Schwerpunkte. Der erste Teil beinhaltet das Vorgehen zur Erstellung eines BIM-konformen 3D-Modells, hier geht es um einen kleinen Straßenabschnitt mit Parkplatz. Zum Einsatz kommt unser CAD-System VESTRA INFRAVISION, mit dem sich Daten unterschiedlicher Herkunft importieren und weiterverarbeiten lassen. Der zweite Teil befasst sich mit der Anreicherung des geometrischen Modells mit zusätzlichen Informationen, als Stichwort sei die Attribuierung genannt. Wichtig ist hier die Arbeit mit unterschiedlichen Datenformaten und die Weitergabe der BIM-Modelle über Standardschnittstellen, z. B. IFC und CPIXML. Im dritten Teil des Workshops widmen wir uns dem „I“ in BIM. Es geht um die Arbeit im Common Data Environment, kurz CDE. Am Praxisbeispiel wird gezeigt, wie ein CDE eingerichtet, administriert und angewendet wird. Wir zeigen, wie Modelle und Pläne in die CDE geladen werden und wie die Modelle zum Mängel- und Qualitätsmanagement genutzt werden können. Hier wird dann deutlich, wie vielfältig die praktische Anwendung der BIM-Methodik ist und wieviel Spaß es macht, sich mit neuen digitalen Werkzeugen zu befassen. Zur aktiven Mitarbeit wird Teilnehmenden vorab das Workshop-Projekt über die Cloud zur Verfügung gestellt.
Wie lautet Ihr Fazit zur BIM-Ausbildung?
In den nächsten Jahren werden immer mehr Infrastrukturprojekte mit der BIM-Methodik geplant, gebaut oder betrieben. Unsere Kunden stehen bereits jetzt vor der Herausforderung, sich mit BIM auseinandersetzen zu müssen. Dies betrifft alle Arbeitsbereiche, ganz gleich ob Planer, Vermesser, BIM-Koordinator, Abrechner, Bauleiter oder Bauüberwacher. Ich bin mir sicher, dass die Teilnahme am Basisseminar nach buildingSMART/VDI und an dem Vertieferworkshop ein hervorragender Einstieg in die BIM-Methodik ist. Neben der Vermittlung grundlegender theoretischer Zusammenhänge wird auch die Brücke zur praktischen Anwendung geschlagen. BIM wird durch konkrete Veränderungen in den Arbeitsabläufen für jeden bei der täglichen Arbeit spürbar. Das buildingSMART/VDI-Zertifikat bescheinigt BIM-Kenntnisse und wird sicherlich Voraussetzung für die erfolgreiche Teilnahme an Ausschreibungen werden. Zu erwähnen ist auch, dass buildingSMART mit der Konzeptionierung des Practitioner-Kurses die zweite Phase der Zertifizierungsausbildung mit Schwerpunkt BIM-Koordination und BIM-Management geschaffen hat. Das zeigt, dass der BIM-Ausbildungsbedarf nach wie vor hoch ist und die BIM-Methodik im Bauwesen mehr und mehr praktische Anwendung findet. Uns bereiten die Vorbereitungen und Durchführungen der Seminare viel Freude, durch den regen Austausch mit den Teilnehmenden lernen so auch wir viel über die Herausforderungen, vor die BIM uns schon heute stellt.