In der Stadt Dortmund wird im Rahmen eines Smart City Projekts eine neuartige Brückenüberwachung per Wireless Monitoring eingeführt. Bei einem Belastungstest mit zwei Messverfahren wird die Zuverlässigkeit nachgewiesen.
Halle 1 | Stand C1.014 Senceive
Als im April ein Fahrzeug der Dortmunder Feuerwehr mit rund 48 Tonnen Gesamtgewicht über eine Brücke nahe dem bekannten Fußballstadion fuhr, herrschte gespannte Stille. Entgegen dem üblichen Verkehr, der auf der Brücke im Zuge der B1, eine der Hauptschlagadern des stark belasteten Verkehrs im Ruhrgebiet, rollte, war die Schar der Beobachter nicht wegen eines möglichen Feuers gebannt. Das dort anwesende Projektteam wollte herausfinden, wie sich die Brücke verformt, wenn sie stark belastet wird. Und tatsächlich deformierte sie sich, genau genommen um vier Millimeter an der maximalen Stelle, was weit innerhalb des geforderten Toleranzbereichs lag. Es kam heraus, dass die üblichen temperaturbedingten Deformationen im Verlauf eines Tages sogar höher sind. Herausgefunden wurde dies mit 21 hochgenauen Sensoren, die kleinste Bewegungen des Bauwerks aufnahmen, die mit dem menschlichen Auge nicht erkennbar, dafür aber für die Verkehrssicherheit enorm wichtig sind. Die kleine Deformation war auf einem Computer vor Ort unmittelbar und in höchster Genauigkeit sichtbar. Somit galt der Belastungstest nicht nur der Brücke, sondern auch der implementierten Sensorik, die, wie sich im Rahmen einer parallelen Messung per 3D-Laserscanner herausstellte, sehr zuverlässig und genau arbeitete.
Die Brücke über die Wittekindstraße in Dortmund ist zwar ein Einzelfall, sie steht aber repräsentativ für viele Brücken in Deutschland, die unter dem massiven Schwerlastverkehr der letzten Jahrzehnte leiden. Die Brücke wurde im Jahr 1957 errichtet und ist seither ein wichtiger Bestandteil des regionalen und überregionalen Dortmunder Straßenverkehrs. In den letzten Jahren wurde festgestellt, dass die Plattenbrücke mehrere Risse aufweist, insbesondere quer zu den innenliegenden Stützstrukturen, was auf Deformationen schließen ließ. Da bei dem Bauwerk Spannstahl Sigma Oval St 145/65 verbaut wurde, der als stark spannungsrisskorrosionsgefährdet eingeschätzt wird, wurde im Jahr 2021 das Ankündigungsverhalten des Überbaus untersucht und als ausreichend nachgewiesen.
Im Jahre 2022 wurde in einer gutachtlichen Stellungnahme festgehalten, dass es zu diesem Zeitpunkt keine Anzeichen für einen beginnenden Spannstahlausfall infolge von Spannungsrisskorrosion gab. Da eine zunehmende Rissbildung jedoch nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde ein Monitoringkonzept entwickelt, um das Verhalten des verkehrstechnisch wichtigen Brückenüberbaus während der Nutzung messtechnisch zu überwachen.
Das Messkonzept
Im Rahmen der „Smart-City-Strategie“ der Stadt Dortmund wurde im Jahr 2023 ein Messkonzept auf Basis des Wireless Monitoring angeschafft. Ziel des Brückenmonitorings ist es, das Verhalten des Brückenüberbaus während der Nutzung durchgängig messtechnisch zu überwachen und eine beginnende Schädigungszunahme frühzeitig festzustellen.
Das System von dem Anbieter Senceive Ltd. misst regelmäßig den Zustand der Brücke auf Basis verschiedener Sensoren. Insgesamt wurden 16 Neigungs-, vier Dehnungs-, drei Riss- und vier Temperatursensoren eingerichtet, die entlang einer gedachten Messachse in Brückenlängsrichtung jeweils an den Randbereichen des Überbaus angeordnet wurden. Die batteriebestückten Sensoren übertragen ihre Messdaten über ein Funknetzwerk (solargespeist) an eine zentrale Anwendung, wodurch das Verhalten der Brücke durchgängig überwacht wird. Die Daten werden an das Tiefbauamt gemeldet.
Wie bei allen Überwachungsprojekten des Wireless Monitorings ist die Kombinatorik der Sensoren wichtig. „Jedes Bauwerk ist individuell und benötigt sein eigenes Messkonzept“, sagt Markus Rennen, Business Development Manager von Senceive in Deutschland. Von besonderem Interesse bei dieser Brücke ist der Zustand der Stahltragglieder, doch der kann nicht zerstörungsfrei festgestellt werden. Daher kommen zum Beispiel hochauflösende Dehnungssensoren zum Einsatz. Sie zeigen, wie sich der Beton verhält, bevor es zur Rissbildung kommt, und geben Aufschluss über das Verhalten der Brücke. Wo die Dehnung maximal ist, also am Punkt der höchsten Durchbiegung, ist die Neigung jedoch am kleinsten, daher ist die durchdachte, aus den ingenieurtechnischen Vorberechnungen resultierende Verformung ein wichtiger Faktor für die Echtzeitmessungen.
Echtzeit-Belastungstest
Wie in anderen Städten auch gibt es in Dortmund viele Brücken, die eine Überwachung benötigen, daher hat die Stadt sechs Senceive-Systeme angeschafft. Ob das neue Messsystem in Dortmund zuverlässig funktioniert, sollte bei einem Belastungstest herausgefunden werden. Im April des Jahres wurde der Verkehr entsprechend gesperrt und das Feuerwehr-Fahrzeug unter Beobachtung eines ausgeklügelten Messkonzepts an mehreren Stellen auf der Brücke platziert.
Um die Qualität der Messungen zu validieren, wurde eine zweite Messmethode implementiert, die die Messungen verifiziert. „Ein Pionierprojekt, bei dem auch verschiedene Fachrichtungen wie Vermessungs, Kataster- und Tiefbauamt eng miteinander zusammengearbeitet haben“, sagt Christian Heck vom Tiefbauamt der Stadt Dortmund, der zusammen mit Christoph Fuchs vom Vermessungs- und Katasteramt das Projekt leitete.
Die parallelen Zweitmessungen erfolgten per terrestrischem 3D-Laserscanning. Da die errechnete Durchbiegung bereits ergeben hatte, dass die maximale Auslenkung nur wenige Millimeter betragen würde, musste ein hochgenauer Laserscanner eingesetzt werden. Zunächst wurde die Brücke im unbelasteten Zustand (Nullreferenz) gemessen. In Abstimmung mit den Live-Werten der Senceive-Sensoren (Aktualisierung alle 30 Sekunden) wurden parallele Laser-Vermessungen der Durchbiegung getätigt. So konnten die Ergebnisse der beiden Systeme miteinander verglichen und geprüft werden. „Damit das gesamte Projekt erfolgreich sein konnte, musste es durchdacht geplant und sorgfältig durchgeführt werden“, beschreibt Fuchs.
Die Laserscanner-Messung wies nach, dass das Wireless-Monitoring reale und zuverlässige Ergebnisse liefert. Dabei ergänzen sich beide Messverfahren. Das Senceive-Monitoringsystem ist zwar um den Faktor zehn genauer als das Laserscanning und arbeitet in Echtzeit, dafür ermöglicht der Laserscanner die Erstellung einer Nullreferenz als 3D-Modell, das bei späteren Berechnungen und Auswertungen eine große Rolle spielen kann. „Der Vorteil des Laserscannings ist die flächenhafte Erfassung“, sagt Fuchs. Aufgrund dieser Erfahrungen will man in Dortmund weiter am sich optimal ergänzenden Einsatz beider Messsysteme für das Brückenmonitoring arbeiten und so die Verkehrssicherheit in der Stadt weiter auf dem bisherigen hohen Niveau halten.