Hilmar von Lojewski ist Beigeordneter des Deutschen Städtetages, dessen Hauptausschuss im Sommer 2015 das Positionspapier „Einsatz von Geoinformationen in den Städten” verabschiedet hat. Business Geomatics hat ihm dazu einige Fragen gestellt.
Politische Weitsicht und smarte Technologien sind die Basis für eine zukunftsfähige Stadt, findet der Hauptausschuss des Deutschen Städtetages. Das Positionspapier, das im Juni 2015 in Dresden in der 213. Sitzung verabschiedet wurde, will kommunalen Entscheidungsträgern anschaulich aufzeigen, dass und wie ein umfassendes kommunales Geodatenmanagement eine wegweisende und zukunftsorientierte Infrastrukturmaßnahme für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist. Dazu empfiehlt der Deutsche Städtetag, das Verwaltungshandeln mit Geoinformationen zu unterstützen, um größtmögliche Synergieeffekte zu erreichen, konsequent den Ausbau des E-Governments mit Geoinformationen zu betreiben und kommunale Geodaten auch im Sinne von Open Data für Bürgerschaft, Wirtschaft und Wissenschaft bereitzustellen. Zudem sollen Städte Methoden des Geoinformationswesens für Bürgerbeteiligung und Transparenz verwenden und den Austausch der Verwaltungen untereinander intensivieren.
Business Geomatics: Herr v. Lojewski, auf einer Skala von eins bis zehn: Wo stehen deutsche Städte nach Einschätzung des Deutschen Städtetags bei der Nutzung von Geoinformationen heute?
Der Einsatz von Geoinformationen in den Städten hat in den letzten Jahren einen erstaunlichen Umfang erreicht. Auf der Skala von eins bis zehn stehen die deutschen Städte gegenwärtig etwa bei Ziffer fünf mit einigen stadt- und länderspezifischen Amplituden nach oben aber auch nach unten. Es gibt viele gute Beispiele. Insgesamt aber auch noch Luft nach oben.
In dem Positionspapier des Deutschen Städtetages „Zum Einsatz von Geoinformationen in den Städten“ von 2015 werden viele Anwendungsfelder von Geodaten anhand von Beispielen erläutert. Wo liegen heute noch Barrieren für eine intensivere Nutzung der Daten?
Die zu überwindenden Barrieren für eine intensivere Datennutzung in den Stadtverwaltungen liegen nach unserer Beobachtung in folgenden Punkten begründet: Vielfach bestehen noch ausbaubedürftige IT-Infrastrukturen und auch Geodateninfrastrukturen, die noch ein gewisses Maß an Ertüchtigungsbedarf aufweisen. Auch ist eGovernment, also die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse, keineswegs überall auf einem Niveau, das eine Geodateninfrastruktur erfordert. Lizenzmodelle von amtlichen also öffentlichen Geodaten sind häufig nicht einheitlich und schrecken die Nutzer ab. Es gibt noch einigen Raum für die technische und inhaltliche Standardisierung, was eine optimale Nutzung erschwert. Und schließlich ist mitunter noch eine erhebliche Bandbreite und recht unterschiedliche Schürftiefe hinsichtlich des Wissens in den befassten Verwaltungen festzustellen, wie Geodaten für die Optimierung von Fachaufgaben eingesetzt werden können. Aber gerade die aktuell anstehenden Aufgaben beispielsweise zur Identifizierung von Flächen für den Wohnungsbau oder die Unterbringung geflüchteter Menschen helfen, die Wertschätzung für Geoinformationen im Kreis der Fachverwaltungen zu stärken und die Vorteile der Anwendungsmöglichkeiten auch stärker in den Fokus der Politik zu rücken. Diese Entwicklung versucht der Deutsche Städtetag durch das Positionspapier noch zu verstärken.
Wie können diese Einstiegshürden verringert werden?
Der Deutsche Städtetag plädiert für mehr Willen zur Kooperationsbereitschaft. So empfehlen wir den Austausch der Verwaltungen untereinander zu intensivieren. Mit dem Ziel, Entwicklungen gemeinsam voran zu treiben – hier sind interkommunale Geonetzwerke das Stichwort. Auch versuchen wir den Willen zur Standardisierung zu fördern und die unterschiedlichen Open Data Strategien im Sinne eines umgreifenden Ansatzes, also einer Deutschlandlizenz voranzubringen. Natürlich dreht sich vieles auch um die Bereitschaft zu Investitionen. Hier ist gar nicht einmal so sehr die Hardware das Problem sondern vielmehr eine intensivere Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – der Schlüsselsatz lautet auch für die Geoinformation: Wer sparen will, muss Geld ausgeben!
Ist eine GDI das Schlüsselkonzept dazu, um Geodaten in eine breitere Nutzung zu bringen?
Positionspapier des Deutschen Städtetages
Das Positionspapier „Einsatz von Geoinformationen in den Städten“ beschreibt, wie mit Hilfe der Geoinformationen und des Geodatenmanagements als Bestandteil des eGovernments raumbezogene Fachaufgaben und deren Prozesse in den städtischen Ämtern optimiert werden können. Ausgangspunkt war eine bundesweite kommunale Umfrage zum Einsatz von Geoinformationen in den Kommunen, um den Entwicklungsstand des kommunalen Geoinformationswesens überblicken zu können.
Eine Geodateninfrastruktur ist fraglos der Schlüssel, aber die Erkenntnis über die Mehrwerte von GDI muss in den Führungspositionen damit einhergehen. GDI als Instrument, politische Entscheidungen vorzubereiten, wird deutlich an Bedeutung gewinnen. Der Deutsche Städtetag empfiehlt den Leitungsebenen, den begonnenen Prozess der Unterstützung von Verwaltungshandeln durch Methoden und Inhalte der Geoinformation weiter zu führen – mit dem Ziel einer horizontalen und vertikalen Durchdringung aller Verwaltungsbereiche. Damit können größtmögliche Synergieeffekte erreicht werden. Hier ist gewiss noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber die Leistungen einer funktionierenden GDI gerade in Hinblick auf Standortbewertungen und –entscheidungen für unterschiedlichste Nutzungen hilft enorm, die Akzeptanz zu erhöhen.
Mit INSPIRE gibt es eine europäische Richtlinie, eine GDI für interne und wirtschaftsorientierte Zwecke gilt dagegen als Kür. Wie können Städte die beiden Herausforderungen unter einen Hut bringen?
Das sehe ich genau umgekehrt: Um eine effiziente und zukunftsfähige Verwaltung zu etablieren ist der Aufund Ausbau einer GDI das Pflichtprogramm. INSPIRE ist durch die Entwicklung von Standards eher der Verstärker für dieses Vorgehen, auch wenn das gerade kleineren Städten naturgemäß schwerfällt, INSPIREkonform eine GDI auf den Weg zu bringen. Gerade deshalb propagieren wir die interkommunalen Ansätze –gemeinsam geht es einfach leichter, eine GDI auf- und auszubauen.
Sind Städte in Bezug auf Personal und Knowhow gut genug ausgestattet, um die Geo- Potenziale zu heben?
Die Bereitschaft, zu investieren und Geschäftsprozesse zu optimieren ist nicht überall gleich ausgeprägt. Aber gerade in den finanzschwächeren Kommunen ist die Optimierung von Geschäftsprozessen geboten, um Ressourcen zu sparen. Geoinformationen sind dabei kein Selbstzweck. Sie sind ein meist unverzichtbares Hilfsmittel, um Prozesse sichtbar und begreifbar zu machen. Auch hierbei gilt nochmals: Wer sparen will, muss Geld ausgeben! Und zwar für Know-how in Sachen Aufbau, Entwicklung und Anwendung in Geoinformationen. Denn der Nutzen – unter anderem schnellere und objektive Entscheidungsvorbereitung, transparente Anwendung von Kriterien, höhere Akzeptanz von raumwirksamen Entscheidungen, mehr Informationsgehalt für politische Entscheidungen – wiegt aus unserer Sicht die Kosten mehr als auf.
Lassen sich über das Schlagwort „Smart City“ Projekte treiben oder gar finanzieren, bei denen Geodaten eine wichtige Voraussetzung für die intelligente Stadt sind?
Eine Smart City oder besser: integrierte Stadtentwicklung auf digitalen Grundlagen benötigt smarte Geodaten. Wer das eine will, kommt um das andere nicht herum. Für uns gilt allerdings das Primat: Smart City ist ein Bestandteil eines umfassenderen und Interessen und Entwicklungstendenzen nach Möglichkeit ausgleichenden Ansatzes integrierter, nachhaltiger Stadtentwicklung und nicht etwa ein neues Leitbild der Stadtentwicklung.
Welches Finanzierungskonzept für GDIs erachtet der Deutsche Städtetag als zukunftsträchtig?
Die Finanzierung von Geodaten-Infrastrukturen sollte vergleichbar und auch gleichrangig mit den Finanzierungen für andere technische Infrastrukturen geregelt werden. Es muss begriffen werden, dass es sich bei der GDI um eine unverzichtbare Infrastrukturkomponente einer zukunftsfähigen Kommunalverwaltung handelt.
Stichwort Open Data: Sollten kommunale Geodaten kostenfrei zur Verfügung stehen?
Der Deutsche Städtetag empfiehlt die Öffnung und Bereitstellung der kommunalen Geodaten im Sinne von Open Data für Bürgerschaft, Wirtschaft und Wissenschaft voran zu treiben, um Mehrfachnutzen zu erzielen und bisher nicht erkannte Nutzungspotentiale zu erschließen. Und das gerade auch innerhalb der eigenen Verwaltungen. Echtes Open Data ist kostenfreies Open Data. Als Schrittmacher und gute Beispiele nenne ich hier Berlin und Hamburg. In NRW verhandeln die kommunalen Spitzenverbände aktuell mit dem Land in die gleiche Richtung und wir können berichten, dass wir uns im Sinne von kostenfreier Open Data auf einem auch für die Kommunen in NRW annehmbaren Weg befinden.