Die Hexagon-Gruppe feiert die Gründung der Heinrich Wild, Werkstätte für Feinmechanik und Optik, im April 1921 im Rahmen eines umfassenden Begleitprogramms. Der Standort ist bis heute Geburtsort vieler technologischer Meilensteine der Geodäsie.

Leica-Gebäudekomplex in Heerbrugg inklusive der Fassade mit den bekannten Darstellungen. Am Standort ist eine vitale Industrie im Bereich Präzisionsmesstechnik entstanden. Foto: Leica Geosystems AG
Die Geschichte des Unternehmens Leica Geosystems AG und jene der Vermessung sind zwar untrennbar miteinander verwoben und reichen Jahrhunderte zurück, den 26. April galt es dieses Jahr jedoch in besonderer Form zu würdigen. An diesem Tag vor genau 100 Jahren wurde im schweizerischen Heerbrugg (Kanton St. Gallen) die „Heinrich Wild, Werkstätte für Feinmechanik und Optik“ gegründet und damit der Grundstein für die Unternehmensgeschichte von Leica Geosystems gelegt, das heute als wesentlicher Baustein des Technologiekonzerns Hexagon am Standort in der Nordost-Schweiz ist.
In dem Alpenrheintal südlich des Bodensees hat sich zudem ein bedeutendes Cluster der Präzisionsindustrie und Photonik entwickelt. Im Zuge des Jubiläums gibt es mit „100 Jahre Innovation Heerbrugg“ ein umfangreiches Programm an Veranstaltungen, digitalen Medien-Formaten und einer medial-historischen Aufarbeitung. Dazu gehört auch eine neue Jubiläumsausstellung am heutigen Firmenstandort, die im Zuge der Corona-konformen Feierlichkeiten am 26. April eröffnet wurde.
Digitalisierung anders gedachtDie Technologiegeschichte digitalisieren, in diesem Sinne hat Hexagon Geosystems ein Projekt unterstützt, bei dem für einen WILD T2 aus dem Jahr 1927 selbst ein digitaler Zwilling erstellt wurde. Dazu wurde ein Bildverband von bis zu 800 Fotos aufgenommen und nach modernsten Methoden der Photogrammmetrie eine kolorierte 3D-Punktwolke erstellt.
In einem weiteren Schritt wurde ein modernes CAD-Modell erstellt (CSG-Modell (Constructive Solid Geometry)). Dabei wird das Punktwolkenmodell in seine Bauteile zerlegt und diese werden dann entsprechend texturiert.
Dieses 3D-Modell bietet verschiedenste Möglichkeiten zur interaktiven, dynamischen Visualisierung und Auswertung. Zu den Funktionen gehören das Drehen um die Libellenachse, ein Durchschlagen des Fernrohrs, die Zerlegung in die optischen Bestandteile mittels Schnittzeichnungen oder eine Kamerafahrt entlang der Strahlengänge für Horizontal- und Vertikalkreis. Ein solches dynamisches Modell soll helfen, Designelemente besser zu verstehen und so auch Laien oder Auszubildende für die geodätische Instrumentenkunde zu begeistern.
In Abstimmung mit Hexagon Geosystems entstand auch eine „WILD T2 App“, mittels derer die Entstehungsgeschichte von WILD Heerbrugg, ein kurzer Lebenslauf von Heinrich Wild, die Designelemente vom WILD T2, die 3D-Rekonstruktionen und Animationen abgerufen werden können. Die App erscheint auf Deutsch, Englisch und Chinesisch (Mandarin). (sg)
Zudem erschien ein neuer Band in der Reihe „Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik“, geschrieben von dem Schweizer Wirtschaftshistoriker und Buchautor Dieter Holenstein. In diesem wird erstmalig die Geschichte des Unternehmensclusters Heerbrugg in der Rheintaler Präzisionsindustrie untersucht. Der Aufstieg der Region begann mit der Installation eines Drainage-Systems zur Trockenlegung des Rheintals und der damit einhergehenden Entwicklung neuer Industriezweige. Dazu gehörte eine neue Ziegelei, die den unternehmerischen Start der Familie Schmidheiny markierte, die zur wichtigsten Schweizer Industriellenfamilie des 20. Jahrhunderts wurde und bei der Gründung der Heinrich Wild, Werkstätte für Feinmechanik und Optik eine maßgebliche Rolle spielte.
„Als Zeitzeugen haben wir einen Teil der Unternehmensgeschichte selbst miterleben und mitgestalten dürfen“, betont Thomas Harring, CEO Leica Geosystems und President Geosystems Division, Hexagon. „Gerade in Hochtechnologieunternehmen bauen die gegenwärtigen Erfolge immer auch auf den Leistungen der Vorgänger auf. Nicht zuletzt deshalb können wir dieses Jahr viele unvergessliche Menschen und Momente würdigen“, so Harring.
Die entscheidenden Personen
Die Unternehmensgeschichte verdeutlicht auch die besonderen Leistungen der Personen Heinrich Wild (Erfinder), Jacob Schmidheiny (Finanzierer) und Robert Helbling (Praktiker). Der gebürtige Schweizer Heinrich Wild war vor der Unternehmensgründung Leiter der Abteilung Geodätische Instrumente bei Carl Zeiss in Jena. Dr. Robert Helbling war Bergsteiger und Gebirgskartograph und im Besitz eines Vermessungsbüros in Flums, in der Nähe des Rheintals im Kanton St. Gallen gelegen. Er brachte neben seinem praktischen Know-how auch internationale Kontakte mit ein, die er im Zuge seiner Bergsteiger-Karriere aufgebaut hatte. Wild selbst hatte einige innovative Entwürfe von geodätischen Messinstrumenten im gedanklichen Gepäck und fand in dem damals bereits einflussreichen Industriellen Jacob Schmidheiny einen geeigneten Investor.
Zum Start zählte das Unternehmen bereits 30 Mitarbeiter, allerdings fand die Gründung in einer damals nach Industrie-Maßstäben wenig entwickelten Region statt. Insbesondere waren Fachkräfte für Feinmechanik und Optik noch selten, weshalb Heinrich Wild viele qualifizierte Kräfte von Carl Zeiss Jena vor allem als Ausbilder in die Schweiz holte und damit einen wichtigen Impuls für die erfolgreiche Wirtschaftsgeschichte der Region setzte.

Impressionen der Ausstellung anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des Standortes Heerbrugg von Leica Geosystems. Foto: Leica Geosystems AG
Alles begann mit dem WILD T2
Das erste Produkt der Firma Heinrich Wild, Werkstätte für Feinmechanik und Optik bekam den Namen WILD T2. Der Universaltheodolit hat heute den Status einer Technik-Legende, da er einerseits eine Winkelmessgenauigkeit von 1“ erreichte, gleichzeitig aber klein, kompakt, einfach zu bedienen und auch günstig in der Herstellung war. In den 73 Jahren seiner Produktion wurde er nach Angaben des Unternehmens mehr als 90.000 mal verkauft und galt damit als meist verkaufter Theodolit weltweit.
Heinrich Wild war damit auch der Begründer einer fortdauernden Innovationsgeschichte. Seitdem war Heerbrugg immer wieder Ursprung wichtiger Innovation im Bereich der Geodäsie, wie etwa 1968 der erste optoelektronische Distanzmesser, 1977 der erste elektronische Theodolit mit digitaler Datenerfassung, 1984 ein auf GPS-Signalen basierendes Vermessungssystem, 1990 ein Digitalnivellier, 1993 ein handgehaltener Laserdistanzmesser, 2000 ein digitaler Luftbildsensor und aktuell mit dem BLK360 ein mobiler Laserscanner, der in Sache Baugröße, Handlichkeit und Leistungsfähigkeit als weltweit einzigartig gilt – ganz im Sinne der 100-jährgen Tradition des Unternehmens. (sg)