Bereits 48 Stunden nach dem massiven Bergsturz am Fluchthorn in der Silvrettagruppe am 11. Juni 2023 war ein Forscher:innen-Team des Instituts für Geographie in Kooperation mit dem Spinoff-Unternehmen Laserdata und Heli Tirol für das Land Tirol an der Absturzstelle mit dem Hubschrauber im Einsatz. Mit hochpräziser 3D-Laserscanning-Technologie erfassten die Expert:innen 3D-Geodaten, mit denen das Volumen des abgegangenen Felsmaterials und hochgenaue, neue Oberflächenmodelle für das Fluchthorn berechnet wurden.
Die an der Universität Innsbruck im Einsatz stehenden 3D-Laserscanningverfahren zur Ermittlung von Veränderungen im Hochgebirge ermöglichten rasch nach dem spektakulären Bergsturz ein präzises Lagebild. Das Volumen des Abbruchmaterials wurde durch das Team in kürzester Zeit mit 1.000.000 Kubikmeter Material beziffert, darüber hinaus entstand ein 3D-Modell des Berges, der 19 Meter an seiner Gesamthöhe verlor. „Somit konnten wir rasch wesentliche und belastbare Informationen an die entsprechenden Behörden des Landes Tirol weitergeben“, sagt Martin Rutzinger, Leiter der Arbeitsgruppe Fernerkundung und Topographisches LiDAR am Institut für Geographie. Die Planung und Durchführung der Laserscanningkampagne wurde durch Magnus Bremer geleitet, den Systemaufbau und -umbau führten Stefanie Mössler und Andreas Cziferszky vom Institut für Geographie durch.
Hundertausende Laserpulse pro Sekunde
„Hochalpine Gebiete sind zunehmend Prozessen ausgesetzt, die durch die Auswirkungen des Klimawandels verstärkt werden. Beispiele sind abschmelzender Permafrost, aber auch Starkregenereignisse, die zur Destabilisierung von Hängen und Bergflanken führen können. Daraus resultierende Veränderungen der Topographie, sowie Auswirkungen von Umweltprozessen generell, können mit 3D-Laserscanningverfahren detailliert erfasst und quantifiziert werden“, erklärt Martin Rutzinger. Dazu kommen sogenannte Laserscanner zum Einsatz, die auf bodengestützten Plattformen, auf Drohnen und Helikoptern montiert werden. Bei dem aktuellen Fall am Fluchthorn angewendeten Laserscanning vom Helikopter aus werden zwischen 200.000 und 800.000 Laserpulse pro Sekunde ausgesendet. Über die Laufzeit jedes einzelnen Laserpulses, hin zur Erdoberfläche und wieder zurück, wird die Entfernung zwischen Sensor und Oberfläche ermittelt. Die für den Menschen unsichtbaren und ungefährlichen Laserschüsse werden dabei von einem rotierenden Spiegel abgelenkt, womit ein Profil um den Scanner herum abgetastet wird. „Mit der Vorwärtsbewegung des Helikopters werden tausende dieser 3D-Profile aneinandergehängt und ein vollständiges 3-dimensionales Bild der Erdoberfläche erzeugt“, so Rutzinger.
Expertise in Innsbruck
Flächendeckendes Laserscanning gehört in vielen Bundesländern in Österreich zu einem Standardverfahren, um in regelmäßigen Abständen die gesamte Landesfläche hochgenau und dreidimensional zu vermessen. Treten größere Naturgefahrenereignisse auf, können diese mit Laserscanning zielgerichtet, schnell und effizient erfasst werden. Im Vergleich mit den bestehenden Daten können Veränderungen sehr genau quantifiziert und das Prozessgeschehen analysiert werden. Bereits seit fünf Jahren betreibt das Institut für Geographie eine Laserscanner-tragende Drohne. Durch die Verwendung eines Montagearms kann seit kurzem der Laserscanner als Multisensorplattform auch auf einem Hubschrauber montiert werden, um so noch größere und unzugänglichere Gebiete aufnehmen zu können. Die Planung, Durchführung und Vorprozessierung der 3D-Geodaten benötigt speziell ausgebildetes Personal. Die Arbeitsgruppe Fernerkundung und Topographisches LiDAR am Institut für Geographie befasst sich mit der automatisierten Auswertung von 3D Datensätzen und entwickelt automatisierte Verfahren zur Fusionierung mit weiteren Fernerkundungsdaten und Auswertungen von Zeitserien mit Fokus auf alpine Naturraumprozesse.