Nach weit über 90 Jahren hat die Stützwand in der Turnerstraße in Osnabrück ausgedient. Den Neuabau planen KREBS+KIEFER mit Allplan.
Stützwände sind zwar im Vergleich zu vielen anderen Bauwerken besonders langlebig, doch halten auch sie nicht ewig. Für ein Stützbauwerk in Osnabrück ist daher nun nach über 90 Jahren langsam das Ende seines Lebenszyklus angebrochen. Die etwa 273 Meter lange Schwergewichtswand wurde 1928 erbaut und sichert seither auf der südwestlichen Seite den Geländesprung zwischen der Turnerstraße und dem Bahndamm der zweigleisigen Strecke Löhne-Rheine (Streckennummer 2992, km 133,995 bis 134,268). Auf der Bahnstrecke ist eine Menge los: Neben Inter-City-Verbindungen und regionalem ÖPNV dient sie als Hauptstrecke im europäischen Schienengüterverkehrskorridor North Sea-Baltic.
Die Stützwand geht am südöstlichen Ende in den Flügel eines Brückenwiderlagers über, während sich am nordöstlichen Ende eine Böschung zur Sicherung des Geländesprunges anschließt. Wegen ihres mittlerweile schlechten baulichen Zustands bedarf es einer Erneuerung. Die Vorbereitungen hierzu laufen seit 2021. Mit der BIM-, Objekt- und Tragwerksplanung (Leistungsphasen 1-4) wurde das Ingenieurbüro KREBS+KIEFER von der DB InfraGO AG beauftragt. Leistungsphasen 1 und 2 sind bereits abgeschlossen.
BIM-Anwendungsfälle
Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen für Baumaßnahmen des Bundes im Infrastrukturbereich erfolgt die Durchführung des Projekts unter Anwendung von Building Information Modeling (BIM). Für KREBS+KIEFER gilt es dabei insgesamt sieben BIM-Anwendungsfälle umzusetzen. Diese umfassen neben der Modellierung des Bestandsbauwerks (ergänzende Nachmodel- lierung der Stützwand) und der Erstellung eines BIM-Modells des Ersatzneubaus einen Variantenvergleich, Visualisierung, Planungskoordination, das Generieren von 2D-Plänen aus dem BIM-Modell sowie die Termin- und Bauphasenplanung.
Bestandsmodellierung und BIM-Modell des Ersatzneubaus
Als Grundlage für die Bestandsmodellierung diente ein Bestandsmodell des verantwortlichen Vermessungsbüros. Darin war die Vorderseite der Stützwand bereits per Laserscan genau erfasst worden, die Rückseite jedoch lediglich angenommen. Um ein vollständiges exaktes Modell zu erhalten, nahmen KREBS+KIEFER daher auf Basis von Erkundungsbohrungen, statischen Untersuchungen sowie Erfahrungswerten eine ergänzende Nachmodellierung in Allplan vor. Ebenso wurde das BIM-Modell für den Ersatzneubau in Allplan erstellt. Die 3D-Modellierung erfolgte hier mithilfe von Architekturbauteilen, gefolgt von einer ergänzenden Modellierung als freie 3D-Objekte. Da spezielle IFC-Elementtypen für die Geotechnik derzeit noch nicht existieren, wurden kurzerhand – analog zum Hochbau – Elemente wie IfcWall, IfcFooting und dergleichen verwendet.
Parametrisches Modellieren mit den Add-ons
Beim Modellieren der Anker kamen den Modelliererinnen die Add-ons Bodenanker und 3D-Raster besonders zugute. Mithilfe des Bodenanker-Tools lassen sich diese sehr viel schneller und effizienter als üblich erstellen und anpassen. Dabei werden lediglich beim ersten Anker oder Nagel die Parameter eines Objekts wie Attribute (System, Stahlgüte, Litzen), Länge, Verankerungsbereich etc. festgelegt. Bei Änderungen am Objekt werden dann alle identischen Elemente automatisch mit angepasst. Über das Add-on 3D-Raster können wiederum Objekte an eine gewünschte Stelle in einem Raster verlegt werden, wodurch sich diese effizient vervielfältigen lassen. Dank der integrierten Spezial-Tools ließ sich also sowohl die Modellierung als auch die Editierbarkeit der Verankerungselemente (Anker, Nägel) im Fachmodell erheblich optimieren.
„Mit Allplan lassen sich Ingenieurbauwerke schnell und effizient modellieren. Gerade die parametrischen Add-ons Bodenanker und 3D-Raster führen bei der Modellierung von Ankern zu einer enormen Effizienzsteigerung“, sagt Michael Sklorz, leitender Ingenieur bei KREBS+KIEFER.
Entwicklung von Varianten und Ableitung von 2D-Plänen
Dieses flexible, parametrische Modellieren mit den integrierten Add-ons erwies sich insbesondere bei der Entwicklung verschiedener Varianten als großer Vorteil. Insgesamt wurden drei Varianten durchgespielt. Variante 1 ist eine aufgelöste Bohrpfahlwand als Vorsatzschale. Der Ersatzneubau liegt dementsprechend vor der Stützwand. Dies ist auch bei Variante 2 – einer Vorsatzschale mit Rückverhängung – der Fall. Die Rückverhängung der flach gegründeten Vorsatzschale erfolgt dabei mithilfe von Einstabankern. Bei der dritten Variante handelt es sich um eine überschnittene Bohrpfahlwand, die in der Lage der ursprünglichen Stützwand errichtet wird. Dank der Modellierung in Allplan konnte sich der Auftraggeber ein genaues Bild von den Varianten machen und gemeinsam mit KREBS+KIEFER deren jeweilige Vor- und Nachteile abwägen. Die Fachmodelle wurden hierzu per IFC-Schnittstelle in eine Koordinationssoftware geladen und in das BIM-Koordinationsmodell integriert. Auf Basis von Schnittableitungen wurden schließlich die erforderlichen 2D-Pläne aus dem Fachmodell abgeleitet.
Visualisierung mit Twinmotion
Für die Visualisierungen der neuen Stützwand nutzten KREBS+KIEFER die Spezialsoftware Twinmotion. Mit dem Programm lassen sich – unter anderem dank einer umfangreichen Objektbibliothek – hochwertige Renderings mit sehr geringem Aufwand erstellen. Ab Version 2023-1 verfügt Allplan über einen Direct Link für Twinmotion, der die Visualisierungssoftware direkt in das BIM-Programm integriert. Dadurch wird nicht nur der Datenaustausch zwischen den Programmen entscheidend vereinfacht, sondern auch eine Synchronisation zwischen Allplan-Modell und Twinmotion-Visualisierung ermöglicht.