Der Verein Civitas Connect mit seinen deutschlandweiten Mitgliedern aus der Kommunal- und Stadtwerkewelt unterstützt beratend bei der Erstellung kommunaler Wärmepläne.
Nachdem einige Bundesländer die Kommunale Wärmeplanung schon zur Pflicht gemacht haben, wird der Erlass des bundesweiten Gesetzes in naher Zukunft erwartet. Rein informations- und datentechnisch stellt dies eine Mammutaufgabe dar, für die es erste gute Ansätze und Best Practice gibt. Es gilt, Daten verschiedenster Quellen, etwa über Erzeugungspotentiale, Gebäudestrukturen, Demographie, Netzinfrastruktur und technischer Gebäudeausstattung zu verbinden. Experten sprechen bereits von einem Digitalen Energiezwilling, der Strom, Wärme, Wasserverbrauch in Verbindung mit Gebäudebestandsdaten von Quartieren oder Kommunen abbildet. Der Verein Civitas Connect arbeitet unter anderem an einem Konzept der Datenmodellierung für die kommunale Wärmewende. Die besondere Form der interkommunalen Kooperation soll helfen, die anspruchsvolle Zukunftsaufgabe zu stemmen.

Energieverbrauch erneuerbarer Energien für Kälte und Wärme im Jahr 2021, angegeben in Prozent.
Quelle: UBA
Wie ist das lokale Geothermie-Potenzial, welche Gebiete eignen sich für Fernwärme, welchen Sanierungsstand haben Gebäude in bestimmten Quartieren, welche Gebäude könnten mit Wärmepumpen geheizt werden? Die größte Herausforderung liegt dabei in der Transformation der dominierenden fossilen Energieträgern Gas und auch Öl hin zu alternativen Wärmequellen und Konzepten. Diese werden vorrangig Wärmenetze und Wärmepumpen sein. Zur Modellierung der Versorgungsszenarien existieren diverse Datenquellen, jedoch gibt es bislang wenige Data Lakes, die diese Daten zusammenführen, für potenzielle Ausbauszenarien einheitlich bereitstellen und eine Simulation für Planungszwecke ermöglichen. In den Kommunen mangelt es aufgrund der angespannten Fachkräftesituation zudem an geeigneten ExpertInnen, die die Daten letztendlich veredeln. Diese Situation wird sich voraussichtlich verstärken, wenn alle rund 700 deutschen Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnern in Deutschland die Wärmeplanung softwaregestützt umsetzen müssen.
Der anspruchsvollen Aufgabe, die den Kommunen mit der Pflicht zur Kommunalen Wärmeplanung auferlegt werden soll, widmet sich Civitas Connect auf normativer Ebene. Als Verein mit deutschlandweiten Mitgliedern aus der Kommunal- und Stadtwerkewelt verfolgt Civitas Connect die Idee einer interkommunalen Kooperation zur Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen sowie zur Etablierung offener Standards und anwendungsfallübergreifender digitaler Infrastrukturen, auch auf Open-Source-Basis.
Neuartige Ansätze für eine effiziente interkommunale Kooperationen
Civitas Connect wurde 2020 gegründet. Grundidee des Kooperationsnetzwerks ist es, kommunalen Unternehmen und Kommunen eine neutrale und leistungsstarke Kooperationsplattform zu bieten. Thematisch unter der Klammer Smart City beziehungsweise Smart Region angesiedelt, bündeln sich bei der Kommunalen Wärmeplanung viele Herausforderungen im Umgang mit Daten und Analysen, die sich für den Verein und dessen Mitglieder mit dem Fokus datengetriebener Innovationsthemen im Sinne einer Digitalen Daseinsvorsorge auf die gesamte Kommune übertragen lassen. Ein partnerschaftliches Agieren von Kommunen und Kommunalen Unternehmen ist dabei unerlässlich. Anhand von Erfahrungen und Best Practice-Beispielen werden Konzepte und Bausteine für ein sektorübergreifendes Gesamtkonzept erarbeitet. „Die Kommunale Wärmeplanung ist für viele Kommunen noch eine Blackbox, zu der es weder Standardlösungen noch etablierte Methoden oder Datenmodelle als Grundlage gibt“, so Daniel Wolter, Geschäftsführer der Stadtwerke Garbsen und Mitglied des Lenkungskreises in Civitas Connect. Anna-Lena Meiners ist Projektleiterin bei Civitas Connect und koordiniert die Arbeiten zur kommunalen Wärmeplanung im Verein und zusammen mit dem Lenkungskreis. Sie stellt fest, dass die Situation in den Städten höchst individuell sei. Eine Antwort auf die Frage, welche Technologien bei der analytischen Herangehensweise die Wärmewende am besten unterstützen, kann sie pauschal nicht geben, da die heutige Situation typisch für die Frühphase eines innovativen Themengebietes sei: „In der Regel machen die Kommunen eine statische Momentaufnahme der Situation, tragen verschiedene Datenbestände zusammen und erstellen eine Art Exposé in Form eines Status-Quo“, so die studierte Raumplanerin. Das sei angesichts der vielfältigen Herausforderungen einer Kommune oder des Personalmangels verständlich und generell als erster Schritt ein gutes Zeichen, „es wird aber dem Anspruch und der Tragweite des Themas nicht gerecht“, so Meiners.
Um die Wärmewende umfassend voranzutreiben, bedarf es einer integrierten Herangehensweise, die „die unterschiedlichen Akteure vor Ort in den Transformationsprozess miteinbezieht und verzahnt, Konflikte auflöst, Fehlplanungen vermeidet, abgestimmte Investitionsentscheidungen ermöglicht und Synergien erschließt“, so Meiners. Denn die Wärme ist einer der größten Bestandteile einer umfassenderen Energiewende, bei der sektorübergreifendes Denken und Handeln gefordert ist: nachhaltige Wärmeerzeugung, der Aus- und Umbau von Verteilnetzen und Speicher aller Sparten, sowie Verbrauchsreduktion sind Teile des Ganzen. Viele Akteure müssen zusammenwirken: „Hier braucht es ein sektorübergreifendes, koordiniertes und abgestimmtes Miteinander statt eines Flickenteppichs an Maßnahmen“, so Meiners.
Neue Datenmodellierung
Grundsätzlich sind in den Kommunen eine Vielzahl von Transformationspfaden denkbar. Dabei ist jedoch stets „eine fundierte, datenbasierte Analyse der grundlegenden Voraussetzungen für die effiziente Umsetzung notwendig“, so die Expertin. „Nur dann können entsprechende Zielszenarien, eine gesteuerte Umsetzung sowie ein nachhaltiges Monitoring der Umsetzung realisiert werden.“ Zu den dafür benötigten Datenquellen zählen nicht nur räumlich aufgelöste Gebäudeinformationen (etwa Gebäudetypen, Baualtersklasse, Sanierungszustand, Geschosszahl, Wärmeerzeugungsanlagen), Bedarfe, Verbräuche und Emissionen sowie Informationen zur Versorgungsinfrastruktur, sondern auch Daten zur Nutzung der Gebäude, zur Erfassung möglicher Wärmequellen oder auch soziodemografische Daten – also vorwiegend Daten, die in Kommunen und Stadtwerken ohnehin erhoben und gepflegt werden.
Derzeit droht aber, so Meiners, auch ein Wildwuchs beim methodischen Umgang mit diesen Daten für das Anwendungsgebiet der Wärmeplanung: „Das Fehlen bundeseinheitlicher Standards im Bereich der Datenmodelle birgt die Gefahr, dass uneinheitliche und unabgestimmte Lösungen entstehen“, so Meiners. In Baden-Württemberg, wo die Kommunale Wärmeplanung für die größeren Kommunen bereits verpflichtend ist, müssen diese Herausforderungen schon jetzt gemeistert werden. Daher legt die badenovaNETZE, Betreiber von Strom- und Gasnetzen in rund 160 Kommunen und Gründungsmitglied von Civitas Connect, großen Wert auf die standardisierte und automatisierte Analyse der Daten in der Fläche. „Die planerische Wirkung von kommunalen Wärmeplänen wird immer verbindlicher – wir sprechen mittlerweile von einer digitalen Energieleitplanung“, so die Einschätzung von Geschäftsführer, und Mitglied im Lenkungskreises des Civitas Connect, Robin Grey. „Wir halten es für sehr wichtig, dass die Daten aus der Kommunalen Wärmeplanung in die Planung und das Assetmanagement der Infrastrukturbetreiber einfließen. Sie müssen am Ende entscheiden, wo in Wärme- und Stromnetze investiert wird.“ Auch auf diesen Erfahrungen will der Verein aufbauen um an der Standardisierung sowie darauf basierenden Vergleichbarkeit aktiv mitzuwirken und so Synergiepotenziale zu erschließen
Auf Basis der resultierenden Erkenntnisse der derzeitigen Startphase der Kommunalen Wärmeplanung erscheint die genauere Berücksichtigung dynamischer Datenmodelle essenziell: „Wärmesysteme sind komplex, sind in hohem Maß interdependent zu anderen Energiesystemen und dementsprechend dynamisch. Veränderungen und Neuerung im System müssen schnell antizipiert und integriert werden können, um die strategische Planung und Ergebnismonitoring auf dem geforderten Niveau halten zu können. Hier gibt es derzeit noch erhebliche methodisches Optimierungspotenzial“, ist Meiners überzeugt.
Einheitliche Methoden und Modelle
Civitas Connect treibt daher die Entwicklung interoperabler Datenmodelle für die Wärmewende voran, die der erforderten Dynamik und Komplexität Rechnung tragen. Wichtig sei dabei neben der Standardisierung der Datenmodelle auch die Technologieneutralität. Für die Wärmewende stehen verschiedenste Wärme- und Energiequellen in der zentralen Erzeugung zur Verfügung, deren Einsatz im Hinblick auf lokale und (geo-)politische Rahmenbedingungen differenziert abgewogen werden müssen. Für Hauseigentümer und den Wärmeanschluss sind das aktuell vornehmlich Wärmenetze bei zentraler Erzeugung oder Wärmepumpen bei dezentraler Erzeugung. Zudem ist mit der Etablierung neuer Technogien zu rechnen. „All dies wollen wir neutral in der Datenmodellierung, der daran anknüpfenden Berechnung und der strategischen Planung abbilden“, beschreibt Meiners den Civitas-Ansatz.

Fernwärmeleitung: Umgestellt auf regenerative Brennstoffe wird diese kommunale Wärmeversorgung zukünftig eine größere Rolle spielen.
Quelle: HansPeter. http://www.panoramio.com/photo/111378095
Aus Sicht des Vereins ist die Kommunale Wärmeplanung Teil eines iterativen und umfassenden Transformationsprozesses und damit keine einmalige, sondern eine langfristige Aufgabe, bei der Datenquellen dynamisch und bestenfalls automatisiert angebunden werden müssen. Insbesondere mit Blick auf die echtzeitfähige Integration aller Akteure und sektorübergreifenden Einheiten und der Synchronisation dieser wird der Zugriff und die Bereitstellung der nutzerrelevanten Daten von entscheidender Bedeutung sein. Hier können interoperable Urbane Datenplattformen ein strategischer Erfolgsfaktor sein. „Als ein Partner der Civitas Connect mit über 100 zum Teil sehr unterschiedlichen strukturierten Kommunen begrüßt die Westfalen Weser die Standardisierung, sowie Skalier- und Übertragbarkeit der Datenmodelle zur Kommunale Wärmeplanung im Rahmen einer Urban Data Plattform“, so Mike Süggeler, Leiter Innovation bei der Westfalen Weser und Mitglied im Lenkungskreis des Civitas Connect.
In Form eines als OpenSource-Projekts arbeitet Civitas Connect gemeinsam mit den Mitgliedern an einer Plattform-Kerninfrastruktur, die den anwendungsfallübergreifenden Einsatz im kommunalen Bereich ermöglichen soll. „Dies ist dringend nötig, um die vorhandenen Ressourcen effizient auszuschöpfen, sagt Meiners. Neben dem Schulterschluss zwischen Kommune und Infrastrukturbetreibern vor Ort müssen wir funktionierende Modelle interkommunal übertragbar sein, nur so kann die Wärmewende gestemmt werden.