Bei einem Frankfurter Großprojekt setzt man zum Monitoring einer denkmalgeschützten Fassade auf ein redundantes Monitoring-Konzept. Zum Einsatz kommt die Wireless-Monitoring-Technologie von Senceive. Verantwortlich für die Umsetzung ist das Vermessungsbüro 3D WELT.
Es ist nicht nur eine der bekanntesten Baulücken der Frankfurter City, sondern auch eines der aufregendsten BIM-Projekte in Deutschland: Am ehemaligen Handelsstandort der Deutschen Bank, wird aktuell an der Erweiterung der markanten Skyline gearbeitet. Mit dem FOUR Frankfurt wird das als „Deutsche-Bank-Dreieck“ bekannte Areal neu gestaltet. Unter Bauherrenschaft der Helaba entsteht zudem der Central Business Tower (cbt) in unmittelbarer Nachbarschaft, der ebenfalls 205 Meter messen soll. Generalunternehmer ist die Ed. Züblin AG, eines der führenden Bauunternehmen in Deutschland und zudem Vorreiter bei der Realisierung der BIM-Methode.
Das Projekt ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Die Bohrpfähle des cbt ragen nicht nur tief in die Erde (die wasserdichte Baugrube ist 26 Meter tief). Besonders sensibel ist auch die unmittelbare Umgebung der Baugrube. Dort steht mit der Fassade des ehemaligen Sparkassenhauses (ein Gründerzeitbau aus dem Jahr 1891) ein denkmalgeschützter Gebäudeteil, der in die moderne Architektur als Sockelgebäude integriert wird.
Große Implementierung des Wireless-Monitoring
Ein sensibles und risikoreiches Unterfangen, das höchste Aufmerksamkeit mit erfordert. Züblin suchte deshalb nach einem geeigneten Überwachungskonzept für die Fassade, um bei entsprechenden Bewegungen sofort alarmiert zu werden. Das Bauunternehmen wandte sich an die 3D WELT Vermessung GmbH aus dem Allgäu. Das Unternehmen verfügt über ausgewiesene Expertise in den Bereichen Denkmalschutz, Ingenieurgeodäsie und 3D-Vermessung und hatte bereits einige andere Züblin-Projekte begleitet. Beteiligt war auch das Vermessungsbüro IngenieurTeam Geo GmbH aus Karlsruhe, welches das tachymeterbasierte und nivellitische Monitoring im Projekt übernommen hat. Gewünscht war ein redundantes Monitoringkonzept, das die Bewegungen des Gebäudes möglichst genau und kontinuierlich (Permanent Monitoring) überwacht.
Das in der Vermessung etablierte Verfahren mit Tachymetern, bei dem an der Infrastruktur fest montierte Prismen automatisiert abgetastet werden, birgt jedoch einige Herausforderungen. Neben der Gefahr von Vandalismus und Diebstahl ist bei diesem Messkonzept Sichtkontakt erforderlich, was auf der engen, verwinkelten und durch Stützen und Gewichte verbauten Fassadenbaustelle eine große Herausforderung darstellt. Da ein redundantes Überwachungssystem gefordert war, konnte nicht wieder auf Tachymeter zurückgegriffen werden.
Benjamin Sattes, Geschäftsführer der 3D WELT, erarbeitete daher ein alternatives Messkonzept auf Basis der Wireless Monitoring Technologie. Das IngenieurTeam Geo, mit dem 3D WELT bereits mehrfach zusammengearbeitet hatte, empfahl die Systeme des Herstellers Senceive, der in diesem Bereich seit Jahren eine weltweit führende Rolle einnimmt. Im Rahmen einer umfassenden Beratung konnte Sattes den Generalunternehmer von einem Konzept überzeugen, das die FlatMesh-Plattform von Senceive nutzt. „Das Ergebnis ist die größte Implementierung unserer Technologie in der DACH-Region außerhalb der Bahninfrastruktur“, so Markus Rennen, Repräsentant des Unternehmens in Deutschland.
Das intelligente, drahtlos vernetzte Sensorsystem wurde im Sommer 2022 installiert. „Seitdem läuft es reibungslos und mit einer Verfügbarkeit von nahezu 100 Prozent“, berichtet Sattes. Die Messgenauigkeit wurde auch durch das redundante Messkonzept der Tachymeter bestätigt. „Schließlich kommt es bei den Bauarbeiten immer wieder zu Erschütterungen und kleinen Bewegungen, die von beiden Systemen eindeutig erkannt werden“, so Sattes. Echte Warnmeldungen beim Überschreiten von Schwellenwerten gab es nicht. Aus Sicht der Monitoring-Technik also ein erfolgreiches Projekt, denn die Fassade wird durchgehend überwacht und bisher gab es keine baulichen Komplikationen. Der Weg dorthin ist aber gesäumt mit einem Höchstmaß an fachlicher Kompetenz. Denn so groß das Potenzial der Senceive-Technologie auch ist: „Die Implementierung muss sauber sitzen, das ist der entscheidende Punkt“, sagt Sattes.
Die Implementierung muss sitzen
Das zu überwachende Objekt bestimmt also die Anwendung. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den anderen Gewerken extrem wichtig. „Allein die Definition der Anforderung, was gemessen werden soll, warum und welche Werte wie interpretiert werden, ist eine Aufgabe, die eine enge Zusammenarbeit aller Disziplinen erfordert“, so Sattes.
Im Fall des cbt galt es, mehrere Herausforderungen zu meistern. Die größte bestand darin, die richtigen Sensoren an den richtigen Stellen der Fassade zu platzieren. Grundlage dafür sind die individuellen Messwerte der Sensoren. Im Projekt kommen zwei Arten von Sensoren zum Einsatz, zum einen Winkelsensoren und zum anderen so genannte Risssensoren, die den Abstand zwischen zwei Punkten messen.
Zentrale Aufgabe ist es, aus den einzelnen Messwerten der Sensoren die absolute Bewegung der Fassade zu berechnen. Dabei muss modelliert werden, wie sich die Fassade im Schadensfall verhält, also z.B. geradeaus fällt, sich an bestimmten Stellen ausbeult oder an definierten Stellen knickt. Die Baustatik spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie muss das Bauwerk als Ganzes modellieren und neuralgische Punkte definieren, die gemessen werden müssen. Verantwortlich dafür war das Büro Frank Lauterbach GmbH aus Nürnberg. In Zusammenarbeit mit dem Team wurden Anzahl und Art der Sensoren sowie deren Positionierung an der Fassade festgelegt.
60 Sensoren verbaut
Die Leistungsfähigkeit der Sensoren, die kleinste Winkelabweichungen erfassen können, ist im Vergleich zum Tachymeter Fluch und Segen zugleich. „Da steckt viel Mathematik drin, man muss vor allem anhand der Tangensfunktion hochrechnen, welche Auslenkung in einem bestimmten Abstand der Fassade zum Messpunkt zu erwarten ist“, sagt Sattes. Insgesamt sind rund 60 Sensoren installiert, der weitaus größte Teil davon sind Winkelsensoren.
Ebenso wichtig ist die Festlegung der Messzyklen. Beim drahtlosen Überwachungssystem von Senceive kann der Messtakt im laufenden Betrieb geändert werden. Standardmäßig wird alle 30 Minuten ein Wert gemessen. Die Messwerte werden dann in Echtzeit berechnet und direkt im Webinterface des Visualisierungssystems ausgegeben. In Frankfurt wird alle 15 Minuten ein Messwert übertragen, wobei die Messzyklen im Laufe der Zeit immer wieder geändert und angepasst wurden.
Eine weitere Hauptaufgabe war die Festlegung der individuellen Schwellwerte, die für jeden einzelnen Sensor erfolgen musste. Auch hier waren die Einschätzungen der Statiker entscheidend. „Überhaupt ist so ein Permanent-Monitoring-Projekt eine hochgradig interdisziplinäre Teamarbeit“, sagt Sattes. So wurde ein umfassendes Alarmsystem ausgearbeitet, in dem festgelegt ist, welche Personen bei welchen Sensorwerten mit welchen Informationen versorgt werden müssen.
Bezugssystem
Auch das geodätische Bezugssystem musste festgelegt werden. Definiert sind drei Koordinatensysteme, ausgerichtet an den unterschiedlichen Fassadenachsen. Das Tachymetersystem arbeitet im selben Bezugssystem, so dass die Werte zuverlässig miteinander verglichen werden können. Nach der BIM-Theorie wäre eigentlich ein einheitliches Bezugssystem auf der gesamten Baustelle angebracht, dies ist aber heute noch nicht üblich. In Frankfurt ebenso wenig. Auf der gesamten Baustelle gibt es verschiedene Bezugssysteme, jedes der vier Vermessungsbüros, die mit geodätischen Teilaufgaben betraut sind, nutzen ihr eigenes Bezugssystem. Damit wird die Chance, die Messwerte in einer konsistenten Modellierungsumgebung zu interpretieren, vergeben. Dabei hätte dies auch für das Monitoring Vorteile. „Wenn man alle Werte miteinander in Bezug setzen kann, können mehr Erkenntnisse über großflächige und baulich komplexe Zusammenhänge gewonnen werden“, so Sattes.
Möglichkeit zur tiefen Analyse
Wichtig ist, dass die Kommunikation der Monitoring-Lösung von Senceive (Sensoren, Nodes, Gateways) keine Sichtbeziehungen benötigt, wie etwa bei den Tachymetermessungen. Das System läuft elektrisch zudem komplett autark. Die Batterielaufzeiten der Sensoren, die ohnehin keinen Stromanschluss benötigen, liegen bei bis zu zehn Jahre, die Gateways haben Batterien und laufen bei Stromausfall mindestens zwei Wochen. Ebenso ist der Betrieb per Solar möglich, was optional und einfach nachgerüstet werden kann. Das gesamte Sensornetzwerk kommt also ohne Kabel aus, es müssen nur kleine Bohrungen zur Befestigung am Sandstein der historischen Fassade getätigt werden. Das System ist beliebig skalierbar und jederzeit erweiterbar.
3D WELT erstellt monatliche Auswertungen der Messungen. Geliefert werden nicht nur technische Zahlenkolonnen, sondern visuell aufgearbeitete und farblich kodierte Übersichtsverläufe der Messwerte. „Der Fokus unserer Auftraggeber liegt sicherlich auf den Diagrammen und den grafischen Ausarbeitungen des Monitorings. In diesen Übersichten ist eine rasche Analyse aller Sensoren in einer Fassade möglich, auf rein optischer Grundlage“, erzählt Sattes. Dies habe für alle beteiligten Kollegen einen großen Wert, da auch fachfremde Anwender schnell zu Erkenntnissen kommen. Wer mehr will, kann beliebig tief in die Analyse einsteigen, was allerdings nur bei Problemfällen oder wissenschaftlichen Untersuchungen gefragt sei.
HALLE 1.2 | STAND B1.044
www.senceive.com
www.3dwelt-vermessung.de
www.4frankfurt.de
Urgeist der Ingenieurtechnik
Die moderne Vermessung ist eine Geschichte der ständigen Innovation neuer Technologien und Methoden zur Gewinnung präziser Messdaten. Für Ingenieurbüros ist es immer wieder eine Herausforderung, diese zu adaptieren, Wagnisse einzugehen und Pioniergeist zu zeigen, um gerade in den jungen Jahren einer Technologieentwicklung die Erfahrungen zu sammeln, um später vorne mit dabei zu sein.
Eines dieser Büros ist die 3D WELT Vermessung GmbH mit Sitz in Amtzell am Bodensee. Ihr heutiger Geschäftsführer und Inhaber Benjamin Sattes gab 2009 den Anstoß zur Gründung, damals noch unter dem Namen Zimmermann & Meixner 3D WELT GmbH.
Pionierleistung
Damals trafen zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite die Expertise von Bernd Zimmermann und Gerd Meixner, beides erfahrene Spezialisten im Tiefbau bzw. Verkehrswegebau, die schon immer in vielfältiger Weise mit Vermessung zu tun hatten, aber bisher nicht mit dem klassischen Methodenkanon. Auf der anderen Seite Benjamin Sattes, der gerade dabei war, die Grenzen der Vermessungswelt neu zu definieren. Nach Lehr- und Studienjahren in Ravensburg (seinem Geburtsort), Karlsruhe und Braunschweig war der heute 39jährige vor allem in die noch junge Welt des 3D-Laserscannings (mit Schwerpunkt im Bauwesen) eingetaucht – mit großer Leidenschaft und Visionen. „Schon damals war klar, dass sich hier eine Revolution anbahnt, die tief in die Vermes- sung eingreifen wird“, berichtet Sattes. Zwar gab es in der Nähe von Ravensburg mit der Zoller & Fröhlich GmbH bereits einen Pionier auf dem Gebiet der eigentlichen Scanner, „aber der Umgang mit Daten, Punktwolken und dem Verfahren an sich war in der Praxis und erst recht bei potenziellen Auftraggebern noch völlig unbekannt“, blickt Sattes zurück.
Meilensteine
2013 dann der erste offizielle Ritterschlag. Das Unternehmen erhielt den VR-Innovationspreis Mittelstand des Landes Baden-Württemberg, was nicht nur aufgrund des jungen Alters des Unternehmens, sondern auch für die Vermessungsbranche im Allgemeinen eine Besonderheit darstellte. Damals war das Thema Digitalisierung noch nicht so weit fortgeschritten. 3D WELT erhielt den Preis für die Eigenentwicklung trueGEOvision, eine Visualisierung für geplante Infrastrukturmaßnahmen, insbesondere für Windkraftanlagen, die damals in Planungsunterlagen räumlich exakt dargestellt werden konnten. trueGEOvision wurde zur Blaupause für weitere Entwicklungen. Hochgenaue 3D-Daten und ansprechende Visualisierungen wurden zunehmend gleichberechtigt behandelt. Was heute Projektstandard ist, war damals Pionierarbeit. Inzwischen ist das Unternehmen auf 32 Mitarbeiter aus allen denkbaren Fachbereichen angewachsen und zu einem bundesweit agierenden Büro geworden. Neben Vermessungs- sind dies schon immer auch verschiedenste Hochbau-Spezialisten. Eine Mischung, die zu einer Kernkompetenz des Unternehmens führt, nämlich „sachgerechte Unterlagen aus den hochwertigen Messdaten abzuleiten und diese bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen“, so Sattes.
Neue Aufstellung ab 2024
Zum Ende des Jahres wird Gerd Meixner aus dem Unternehmen ausgeschieden und Benjamin Sattes die alleinige Geschäftsführung übernehmen. In den vergangenen Jahren hat er nicht nur Kunden mit Hintergrundwissen, Richtlinien und technischen Hilfen versorgt, er ist auch Ausbilder im eigenen Unternehmen, Dozent an der Hochschule, arbeitet auf Verbandsebene mit und ist sogar auf Bundesebene als Berater für die Novellierung der HOAI mitverantwortlich. Ehrenamtlich, versteht sich, denn „auch die Architekten haben noch viel zu tun, um sich die BIM-Methodik anzueignen, insbesondere im Hinblick auf die Grundlagenermittlung, die sich im Zuge der Digitalisierung deutlich verschiebt“, so Sattes. Damit ist er im bundesweiten Vergleich noch ein junger „Unternehmer“ im Bereich der Ingenieurdienstleistungen. Umso wichtiger ist es für ihn, dass die Unternehmenskultur auf der Höhe der Zeit ist, schließlich ist das Württembergische Allgäu nördlich des Bodensees nicht gerade ein Standortvorteil für ein expandierendes Unternehmen. Flache Hierarchien, unkomplizierte Abläufe und eine hohe Emotionalität sind Sattes wichtig. Für ihn ist es gerade in der heutigen Zeit auch entscheidend, dass die Mitarbeiter:innen „richtig Freude auf ihre Arbeit haben und den Willen mitbringen, sich einzubringen“.
Neue Geschäftsfelder
Das bringt Erfolg und positive Zukunftsperspektiven. So hat die 3D WELT beispielsweise einem jungen Mitarbeiter, der sich für die Bahn-Vermessung begeisterte, die Chance eröffnet, sich in das Fachgebiet Schienenverkehr einzuarbeiten. Das Ergebnis: Heute bedient die 3D WELT in einem eigenen kleinen Team wesentliche Aufgabenfelder, die klassisch für die Deutsche Bahn erforderlich werden. Heute ist die 3D WELT Vermessung GmbH in vielen Bereichen tätig: Dazu zählen Gebäudevermessung, Denkmalschutz, Industrievermessung, Ingenieurbauwerke, klassische Ingenieurvermessung, Photogrammetrie, Monitoring und Deformationsvermessung, Bahnvermessung sowie 3D Visualisierung und VR/AR Content. Grundlage ist dabei immer der „Urgeist des Ingenieurwesens“, wie Sattes es nennt: die Neugierde am Tüfteln, die Lust am Finden kniffliger Lösungen und die Bereitschaft, sich immer wieder auf neue Technologien einzulassen. Es ist genau dieser Grundzug der 3D WELT, den Sattes zum Projekt Permanent-Monitoring in Frankfurt geführt hat. Die Senceive-Technologie ergänzt und erweitert die Vermessung auf geniale Weise, ist er überzeugt.