Die NAVA-App digitalisiert den gesamten Prozess rund um die Hausanschlussdokumentation und das Einmessverfahren mithilfe von handelsüblichen Smartphones.
Denkt man an Baustellen, assoziiert man damit schnell Begriffe wie Schmutz, Lärm, schwere Geräte und harte physische Arbeiten. Doch eine App, über die Montagetrupps mit einer Augmented Reality (AR)-basierten Anwendung den Hausanschluss direkt auf der Baustelle digital erfassen und raumbezogene Informationen in Echtzeit in das Geoinformationssystem (GIS) des Leitungsnetzbetreibers übertragen können? Das klingt nach Zukunftsmusik, ist auf vielen deutschen Baustellen heutzutage jedoch Alltag. Möglich macht das die NAVA-App. Mit der Lösung können Sachdaten und Geometrien über das Smartphone und die hier integrierte Kamerafunktion erfasst werden – schnell, unkompliziert und ohne Vorkenntnisse mit geodätischer Messtechnik und Sensorik haben zu müssen. Grundlage dafür ist die im Smartphone integrierte Nahbereichsphotogrammetrie, auf welche NAVA zurückgreift, ohne dass Anwender:innen davon etwas mitbekommen. Im Ergebnis entsteht so eine Hausanschlussdokumentation in hoher Qualität und komplett im digitalen Workflow.
Die NAVA-App besteht dafür aus einer Cloud-Anwendung sowie einer speziell für Monteure designten App und wurde bereits 2016 von der Mettenmeier GmbH mit dem Ziel konzeptioniert, die Hausanschlusseinmessung in der AR mit einer automatisch generierten Aufnahmeskizze via Standard-Smartphones ohne externe Sensorik zu ermöglichen. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit wurde die App im Jahr 2018 schließlich am Markt vorgestellt. Seitdem wird NAVA von einer stetig wachsenden Zahl von Kund:innen eingesetzt, um einen papierlosen und durchgängig digitalen Workflow umzusetzen.
Integriertes Bildmessverfahren im Fokus
GNSS-Empfänger für NAVA
Die NAVA-App wird aktuell um einen mobilen GNSS-Empfänger erweitert, der die aufgenommenen Messergebnisse mit absoluten Koordinaten anreichert. Dazu wird das Smartphone über eine universelle Handheld-Halterung mit dem Empfänger gekoppelt und die zugehörige App auf dem Smartphone installiert. Über den Multifrequenzempfang und das eingesetzte Korrektursignal erzielt NAVA damit laut Hersteller horizontale Genauigkeiten von weniger als zwei Zentimetern. Zusätzlich erfolgt durch die Augmented Reality der NAVA-App eine intuitive Überprüfung der Lagequalität direkt vor Ort.
Während die herkömmlichen NAVA-Messungen bereits für ausreichende Genauigkeitswerte im Hausanschlussbereich sorgen und auch bei GPS-Abschattung funktionieren, sorgt dieser zusätzliche Genauigkeitsfaktor für weitere Sicherheit. Der Vorteil liegt darin, dass die absoluten GNSS-Koordinaten nun zusätzlich mit in die Messergebnisse aufgenommen werden. So können auch Messungen bei schlechter Sicht oder in größeren räumlichen Dimensionen stattfinden, zum Beispiel bei der Gleisvermessung, bei Kabel- und Rohrleitungstrassen oder bei sehr langen Hausanschlussleitungen. Gleichzeitig erkennt das System auch ungenaue GNSS-Punkte, die zum Beispiel aufgrund der Begebenheiten vor Ort entstanden sind, und markiert diese in der Skizze automatisch. (jr)
Besonderheit der Lösung ist das integrierte Bildmessverfahren mit speziell entwickelten Funktionalitäten zur Qualitätssicherung. So kommt NAVA nach Herstellerangaben im Grunde ohne die primäre Positionsbestimmung via GNSS (die je nach individuellem Anspruch jedoch ebenfalls möglich ist; siehe Kasten) aus, erfüllt aber dennoch die im Regelwerk (DVGW GW 120 und VDE-AR-N 4201) geforderte Genauigkeit. Möglich wurde das durch zahlreiche (Weiter-)Entwicklungen von Smartphones und mobilen Betriebssystemen: rund ums Jahr 2016 sickerte durch, dass die führenden Smartphone-Hersteller die Bildmesstechnik in ihre Geräte implementieren wollten, um ihr Potenzial etwa für Gaming-Anwendungen, AR und neue Nutzererfahrungen abschöpfen zu können. Durch diese Weiterentwicklung von Soft- und Hardware können moderne Smartphones und die aktuellen Versionen von iOS und Android aus den aufgenommenen Kamera-Bilddaten auf Knopfdruck 3D-Modelle berechnen. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung fand sich im Jahr 2020, als Tech-Gigant Apple ankündigte, seine Geräte ab dem iPad Pro der 4. Generation sowie dem iPhone 12 Pro mit einem LiDAR-Lasermessverfahren auszustatten, das die Nahbereichsphotogrammetrie mit den gängigen Bildmessverfahren kombiniert. Ein gleichwertiges Verfahren bietet Google mit den AR-Funktionen seiner Pixel-Smartphones.
Eben diese Bildmesstechnik ist für NAVA von zentraler Bedeutung. Bekommen Monteur:innen den Auftrag zur Hausanschlusseinmessung, durchschreiten sie zunächst mit ihren Smartphones den Messraum. Durch das Zusammenspiel von Smartphone, integrierter Kamera und NAVA-App wird im Hintergrund ein 3D-Modell von Hausfassade, Grundstück, Straßenraum und offenem Graben generiert. Angereichert wird dieses Modell durch einzelne Koordinaten, welche die Benutzer:innen per Knopfdruck an den relevanten Messpunkten – etwa an Hauskanten, Leitungen oder Hauseinführungen – festlegen. Auf diese Weise erstellen User:innen in nur wenigen Minuten automatisch eine Anschlussskizze, auf der alle relevanten Informationen enthalten sind und die anschließend per Knopfdruck in Echtzeit an den GIS-Operator im Büro übertragen werden kann – inklusive Fotodokumentation und entsprechender Sachdaten.
Flexibles Preismodell
Um die Genauigkeitsanforderungen erfüllen zu können, misst das Smartphone jedoch nicht direkt im Bild, sondern im echtzeitprozessierten 3D-Modell. Dieses wird umso belastbarer und genauer, je mehr Daten für die Modellierung zur Verfügung stehen. Geschulte Anwender:innen nehmen dafür auf der Baustelle die gesamte Szenerie auf. Am Ende werden alle erhobenen Messdaten nochmals überprüft und jene Punkte, bei denen Konfliktpotenzial vorherrscht, bei Bedarf korrigiert. Über eine intuitive Ampeldarstellung sehen Nutzer:innen direkt in der App, ob alle Messpunkte dem geforderten Qualitätsniveau entsprechen. Zwar sind gewisse Vorarbeiten klassisch vermessungstechnischer Art nach wie vor notwendig (beispielsweise ein Messpunkt als lokales Vor-Ort-Bezugssystem), grundsätzlich kann jeder Monteur aber die genauen Positionen der unterirdischen Anlagen direkt nach der Leitungsverlegung erfassen, Fotos erstellen und den Graben zeitnah wieder schließen.
Die NAVA-Vertriebspartner bieten ein flexibles Preismodell für die Lösung an, die als Cloudsoftware immer in der aktuellsten Version zur Verfügung steht. Gegenüber herkömmlichen Einmessverfahren ergeben sich wesentliche Preisvorteile. Auch die Kosten für die Anschaffung der Smartphones halten sich in Grenzen, denn einige handelsübliche Modelle bieten bereits die geforderte Kameratechnik. Als Basismodell kommen die jeweiligen Geräte der Top-Klasse in Frage. Die App läuft entweder mit Google-Handys der Pixel-Serie oder den aktuellen Pro-Varianten der iPhones und iPads.
Genauigkeits-Testfeld für normgerechte Messergebnisse
Für Unternehmen, die auch ein Auftragsmanagement im Büro einrichten möchten, steht der „NAVA-Manager“ zur Verfügung. Diese leistungsstarke Browseranwendung plant und verschickt Aufträge an die Handys und erhält die fertigen Skizzen in Echtzeit zurück, um diese weiter zu optimieren und an das GIS zu übertragen. Aber sind die gelieferten Daten auch genau genug? Diese Kernfrage für jeden Netzbetreiber beantwortet NAVA innerhalb eines Testfeldes, das auf dem Mettenmeier-Firmengelände gebaut wurde. Das Ergebnis: Die Anforderungen werden durchgängig erfüllt; meistens sogar übererfüllt, sprich die Lagegenauigkeit beträgt aktuell nach dem Georeferenzieren im GIS bis zu 7 Zentimeter. Und auch die Höhe der 3D-Koordinate – bisher bei GNSS-Messungen meist schlechter als die Lage – ist besser als erwartet. (jr)