Quadrocopter beim Bau kommunaler Straßen oder Landstraßen einsetzen? Heutzutage keine Ausnahme mehr! Wie das Unternehmen Straßen- und Tiefbau GmbH zeigt. Das rund 215 Mitarbeiter starke Bauunternehmen aus Kirchhundem im Sauerland hat nicht nur seinen Fuhrpark um verschiedenste vermessungstechnische Anwendungen erweitert und ergänzt. Seit gut einem Jahr setzt das Unternehmen auch auf ein Modell der Firma Microdrones (mdMapper1000PPK) und begleitet Projekte durch die Vermessung aus der Luft. Verblüffend dabei: Nicht nur die Flächenproduktivität der Drohne ist enorm hoch, auch die Genauigkeit wurde im Vergleich zum Vorgängermodelle stark erhöht. Dabei fordern die Auftraggeber noch nicht einmal deren Einsatz.
Die Digitalisierung in der Bauwirtschaft ist das bestimmende Thema der Branche. Im internationalen Bereich wird immer wieder kolportiert, dass Deutschland rückständig sei. Ähnlich wie bei den Themen Mobilfunknetz oder 5G heißt es oft, dass gerade im ländlichen Raum die Transformation durch Konservatismus oder mangelnde Investitionsbereitschaft verzögert werde. Doch wie so häufig lehrt der genaue Blick, bestehende Vorurteile kritisch zu überprüfen oder gar gänzlich über Bord zu werfen. Wie auch in diesem Fall in Kichhundem, einer rund 12.000-Einwohner-Gemeinde im südöstlichen Sauerland. Dort ist das Bauunternehmen Straßen- und Tiefbau GmbH tätig, ein mittelständisches Unternehmen, das 1956 gegründet wurde und mittlerweile rund 215
Mitarbeiter beschäftigt. Erd-, Kanal- und Straßenarbeiten sind die Spezialgebiete – und dabei stehen die Digitalisierungsmöglichkeiten besonders im Fokus. Unser Maschinenpark ist sehr modern. Insgesamt haben wir 25 Bagger, vier Raupen und einen Grader im Einsatz. Davon sind drei Raupen, der Grader und 15 Kettenbagger mit GPS ausgestattet“, sagt Andreas Behle, Geschäftsführer des Familienbetriebs in dritter Generation. „Damit wollen wir die Möglichkeiten, die sich durch die Digitalisierung der Bauwirtschaft ermöglichen, sinnvoll für uns nutzen und unsere Prozesse optimieren.“
Der Antrieb: Digitalisierung
Grundlegend für den Ansatz waren nicht nur die vergangenen Jahre, als das Unternehmen immer wieder schwierige Phasen in der Bauwirtschaft durch Investitionen in einen modernen Maschinenpark überbrücken konnte. Vor diesem Hintergrund handelte die Unternehmenspitze auch in den letzten Boomjahren der Branche weitsichtig und offen gegenüber den neuen Digitalisierungstechnologien – vor allem was die Ausstattung mit Vermessungstechnologie betrifft. „Hatten wir im Jahr 2015 noch lediglich zwei Tachymeter, zwei GPS-Rover und eine Maschinensteuerung im Einsatz, sind es nun 18 Rover und sogar 19 Maschinensteuerungen“, berichtet Stefan Pieper aus der technischen Abteilung. Gerade auf die Maschinensteuerungen ist die Straßen- und Tiefbau GmbH stolz. „Durch die Maschinensteuerungen können wir die Produktivität unseres Fuhrparks erhöhen und zudem Materialkosten bei der Erdbewegung und Feinplanierung einsparen“, führt der Vermesser aus. Dafür nutzen die Maschinensteuerungssysteme hochgenaue Positionierungsdaten, um beispielsweise den Schild von Gradern bei der Herstellung der vorgegebenen Geländekontur automatisiert zu steuern. „Dadurch entfallen nicht nur beinahe alle begleitenden Vermessungsaufgaben auf der Baustelle“, so Pieper. „Auch das zeitaufwändige Annähern an das Soll-Maß wird deutlich vereinfacht.“ Dafür setzen die Systeme auf einen GNSS-Empfänger, der die Satellitendaten des US-amerikanischen GPS- und des russischen GLONASS-Systems verarbeiten kann, einen UTS-Empfänger und eine Bedieneinheit.
Drohnenlösung überzeugt
Als schließlich im Februar 2018 in Hamm der jährliche Construction Live Day der Sitech Deutschland GmbH – einem deutschen Trimble-Distributor – stattfand, führte auch die Straßen- und Tiefbau GmbH einen Testflug mit einem Quadrocopter durch. „In nur einer halben Stunde konnten wir so rund fünf Hektar befliegen und Bestandsdaten erfassen“, erklärt Pieper. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sowie die mögliche Steigerung unserer Produktivität hatten trotz der hohen Investitionskosten sofort überzeugt.
Ende April 2018 wurde der Quadrocopter einer Schweizer Firma schließlich geliefert. Bis September 2018 führten die Straßenbauer dann zahlreiche Flüge aus – zunächst mit zufriedenstellenden Ergebnissen. „Leider haben dann die Akkus in ihrer Leistungsfähigkeit nach wenigen Monaten nachgelassen“, so Pieper. Dies war nicht nur ärgerlich, weil nochmalige Folgekosten im vierstelligen Bereich dadurch notwendig wurden, die technische Schwachstelle hatte auch eine sicherheitstechnische Komponente – und die ist nicht zu unterschätzen. „Versagt der Akku, stellte die Drohne im Flug sofort auf einen Notmechanismus um und landete automatisch an der Stelle, an der sie sich gerade (zufällig) befand“, erklärt der technische Mitarbeiter. Was er damit meint: Ohne Einfluss nehmen zu können, drohte Schaden an Bauwerken, am Gerät selbst oder sogar an Menschen. „Dies ist ein intolerabler Zustand für unser Unternehmen, zumal dabei unser ausgezeichneter Ruf in unserer Region auf dem Spiel steht“, sagt Behle. Dennoch: Eine Drohne war unverzichtbar für den „Maschinenpark“, so viel war in der Zwischenzeit dem Unternehmen unmissverständlich klar geworden.
Hohe Qualitätsanforderungen
Daher gingen Behle, Pieper und Co. eigenständig auf die Suche nach einer probaten Lösung. Dabei stießen sie auf das Siegener Unternehmen Microdrones. Diesmal zog nicht nur die geografische Nähe des Unternehmens – Siegen liegt gerade einmal 30 Kilometer Luftlinie entfernt – das Interesse auf sich, sondern auch der Anforderungskatalog, der sich inzwischen gebildet hatte. Denn Sicherheit, Zuverlässigkeit und beste Flugeigenschaften standen auf der Liste weit oben – und genau dafür ist Microdrones am Markt bekannt. So ließ man sich ein Microdrones-Modell direkt am Herstellungsort in Siegen (dort befindet sich auch eine große Flugzone mit Sondergenehmigungsrechten) vorführen. Nach dem Besuch der Intergeo 2018 in Frankfurt fiel dann die endgültige Entscheidung für die Bestellung. „Wir sind damals das erste Mal seit 6 oder 7 Jahren auf der Branchenmesse gewesen und waren beeindruckt von den vielen Drohnen, die dort an den Ständen zu sehen waren und uns nochmal die finale Bestätigung dafür lieferten, dass wir mit unserer Entscheidung richtig lagen“, so Pieper.
Dennoch gab es eine weitere Überraschung, und zwar bei der genaueren Betrachtung der Datenqualität, die durch die neue Drohnenlösung möglich wurde. „Als einer unser Mitarbeiter einen Testflug mit dem Microdrones mdMapper1000PPK durchführte und wir die Ergebnisse im Nachgang auswerteten, kamen wir recht schnell zu der Erkenntnis, dass die Lösung einige Vorteile für uns mit sich bringen würde“, erklärt Pieper. So sei das Bild, das der mdMapper1000PPK mit der integrierten Sony RX1R II-Kamera aufnimmt, beispielsweise trotz einer größeren Flughöhe detaillierter und genauer als die Aufnahmen, die das Unternehmen bis dato nutzte. „Was früher bei 30 Metern Flughöhe möglich war, geht nun bei 60 Metern“, fasst Pieper zusammen. Man könne dabei jeden Pflasterstein erkennen, erklärt der technische Mitarbeiter. Bessere Qualität bei gleichzeitig höherer Produktivität, denn eine doppelte Flughöhe schafft rund viermal so viel Fläche pro Zeit. Dies war nicht in der Kalkulation der Straßen- und Tiefbau GmbH hinterlegt und sorgte dafür, dass die „doppelte“ Investition innerhalb eines Jahres leichter zu verschmerzen war. „Neben der hohen Bildauflösung und Qualität, welche der Microdrones mdMapper1000PPK mit sich bringt, überzeugte uns die Lösung auch durch ihre hohe Fluggeschwindigkeit und ihre geringe Windanfälligkeit“, so Behle.
Weitere Besonderheit der Microdrones-Lösung: Zur Genauigkeitsbestimmung nutzt der mdMapper1000PPK das sogenannte Post Processing Kinematic- Verfahren (PPK). Das Verfahren ist eine Alternative zur Echtzeitkinematik (RTK). Hierbei erfolgt die genaue Positionierung nicht in Echtzeit, alle Algorithmen werden im Nachgang an die Befliegung angewendet. Dabei zeichnen sowohl die Bodeneinheit als auch der Rover – der bei der Drohnenvermessung meist auf selbiger montiert ist – rohe GNSS-Protokolle auf, die nach der Befliegung verarbeitet werden, um eine genau Positionierungsspur zu erhalten. Gegenüber dem RTK-Verfahren bietet das PPK den Vorteil, dass die Drohne zur Positionsbestimmung nicht mit dem mobilen Funknetz verbunden sein muss, also auch in den entlegensten Orten des Sauerlandes funktioniert. Etwa dort, wo Deponien, Landstraßen oder auch Sportplätze gebaut werden, die hohe Anforderungen an die Planung haben.
Erdbewegung dokumentieren
Doch wozu benötigt die Straßen- und Tiefbau GmbH die Drohnenlösung genau? Pieper erklärt: „Zwar fordern die meisten Auftraggeber noch keinen Einsatz einer Drohne, für uns bedeutet das System jedoch eine enorme Arbeitserleichterung. Wir können beispielsweise dokumentieren, wie viel Erde wir bewegen mussten und unsere Abrechnungen für den Auftraggeber daraus ableiten. Zudem haben wir einen Nachweis für den Auftraggeber, welche Arbeiten wir durchgeführt haben.“
Das Flugsystem wird bei der Straßen- und Tiefbau GmbH standardmäßig für die Bestands- und Baufortschrittsdokumentation eingesetzt. „Durch die Arbeitserleichterung und die verbesserten Prozesse, die wir auf diese Weise erreichen, amortisiert sich die Lösung von selbst“, sagt Behle und führt aus: „Unsere Mitarbeiter können die Zeit, die sie sonst für die aufwendige Bestands- und Baufortschrittsdokumentation sowie für Vermessungsaufgaben aufgewendet haben, in andere Tätigkeiten investieren.“ Im letzten Jahr wurden insgesamt rund 40 Befliegungen durchgeführt. „Auch die Bauleiter wissen sehr genau, wie und bei welcher Gelegenheit sie die Drohne einsetzen können und fordern sie demnach immer häufiger an“, so Pieper.
Punktwolke ableiten und auswerten
Insgesamt beschäftigt die Straßen- und Tiefbau GmbH drei Piloten, welche die Microdrones-Drohne fliegen dürfen. Dafür haben die Piloten einen Lehrgang bei Microdrones in Siegen gemacht und den allgemeinen Flugschein in Hannover erworben. „Die Lehrgänge waren sehr positiv“, resümiert Pieper. „Unsere Piloten können so noch präziser und effizienter arbeiten.“
Neben der Baufortschrittsdokumentation wird der mdMapper1000PPK für Vermessungsaufgaben eingesetzt. Auch kann die Straßen- und Tiefbau GmbH aus den Aufnahmen mithilfe einer Pix4D-Software eine Punktwolke ableiten. „Noch können unsere Auftraggeber nichts mit den Punktwolken anfangen. Wir können daraus jedoch ein DGM erstellen und dort etwa den geplanten Straßenkörper darstellen“, erklärt Pieper. (jr, sg)