Durch ein spezielles Analyseverfahren ermöglicht Point Cloud Technology die automatische Identifikation einzelner Bäume aus 3D-Punktwolken.
Auf den ersten Blick begeistern 3D-Punktwolken durch einen hohen Detaillierungsgrad und die daraus resultierende Informationstiefe. Innerhalb solcher Datensätze wird die Realität fast komplett vermessungstechnisch abgebildet. Aus der 3D-Punktwolke lassen sich folglich viele Folgeprodukte ableiten, für die man üblicherweise einen hohen Aufwand an Außendienstarbeit kalkulieren musste. Doch die Kehrseite dieser Vorteile waren bisher die gigantischen Datenmengen und damit einhergehend die aufwendigen, kosten- und zeitintensiven Analyseverfahren. Dass man eines Tages einzelne Objekte wie etwa Bäume aus den 3D-Punktwolken einer Landes- oder Stadtbefliegung identifizieren könnte, mag vielen Experten vor einigen Jahren noch wie reine Utopie vorgekommen sein. Genau dies ermöglicht das Unternehmen Point Cloud Technology GmbH (PCT) aus Potsdam.
Von Baumkatastern bis zum Biomassenpotential
In unserer letzten Ausgabe hatte die Business Geomatics über die grundsätzliche Leistungsfähigkeit der Technology Plattform berichtet und dort insbesondere die Möglichkeiten beschrieben, die sich aus der Visualisierung großer Punktwolken im Internet ergeben. Die Identifikation einzelner Bäume ist ein weiteres Einsatzgebiet der Plattform. Sie stützt sich auf einen Algorithmus, der am Hasso Plattner Institut in Potsdam erstmals entwickelt wurde. Seine Besonderheit ist, dass er aus den reinen Punktdaten auch natürliche Objekte wie Bäume erkennt und diese Analyse auch mit beliebig großen Datensätzen ausführen kann. „Nutzer können beispielsweise automatisch aus einem stadtweiten Datensatz alle Bäume lokalisieren und diese ohne manuelle Arbeit in ein Baumkataster überführen“, beschreibt Geschäftsführer Rico Richter. Dazu erfasst der Algorithmus wichtige Kenngrößen wie zum Beispiel Baumhöhen, Kronendurchmesser und Baumdichteverteilung.
„Unsere Vegetationsanalyse dient sowohl ästhetischen als auch funktionalen und analytischen Zwecken“, sagt Richter. Ein Beispiel ist die Analyse des Mikroklimas in Städten bei der der Einfluss von Grünflächen und Bäumen immer stärker berücksichtigt wird. Bäumen kommt, etwa vor dem Hintergrund des Hitzestaus, dabei eine besondere Bedeutung zu, denn einerseits können sie tagsüber durch Verschattung abkühlend wirken, andererseits findet nachts weniger Wärme-Abstrahlung statt. Grundsätzlich haben auch kleinere baumbestandene Flächen einen wichtigen Effekt auf das Stadtklima. Ebenso wichtig ist die Art des Bewuchses und des Baumbestandes, also eine Klassifizierung, die die PCT-Anwendung automatisch durchführen kann.
Weitere Möglichkeiten zur Analyse ergeben sich im Bereich der Forstwirtschaft. So kann zum Beispiel eine baumscharfe Modellierung dazu beitragen, das Waldwachstum besser zu prognostizieren, indem 3D-Punktwolken aus unterschiedlichen Erfassungsjahren analysiert werden. Zwar gibt es seit Mitte der 1990er Jahre ein Waldwachstumsmodell, dies basiert aber auf empirischen Stichproben. Ebenso kann die Abschätzung von Biomassepotenzial durch die Identifikation von Einzelbäumen geschärft werden. „Da die Analyse beliebig skalierbar ist, können problemlos die Flächen ganzer Bundesländer bearbeitet werden“, sagt Richter. Die Erfahrungen zeigen, dass mit der automatischen Auswertung über 85 Prozent aller Bäume in urbanen Gebieten erfasst werden können. Im Bereich von Vorstädten kommt PCT bei dichten Punktwolken auf einen Wert von mehr als 90 Prozent. Das PCT-Verfahren stellt sicher, dass auch Baumkronen, die in den Rohdatensätzen im Schatten liegen, erkannt werden. Ebenso einfach ist es möglich, die Baummodelle in 3D-Stadtmodelle oder flächendeckende Vegetationsmodelle in Geoinformationssysteme zu übernehmen. PCT liefert auch die notwendige Technologie, um die gewonnenen Analyse-Daten nahtlos in Workflows und Anwendungen zu integrieren. Die Daten können dazu beispielsweise in beliebigen Austauschformaten exportiert werden. Auch von Kommunen häufig verwendete webbasierte Auskunftssysteme, wie das IRIS Baum der Firma Widemann Systeme, können von PCT mit Daten bespielt werden.
Farben je nach Jahreszeit
Neben der Echtzeit-3D-Rendering- Technik für die Visualisierung (siehe Beitrag Nr. 2/2017, S. 2), können die identifizierten Bäume auch in 3D modelliert werden. Zu den einzelnen Baumkronen wird so automatisch eine dreidimensionale Baumrepresentation erstellt, deren Farbe beispielsweise aus den Luftbildern übernommen wird. Hier bietet die Plattform große Flexibilität. Für Analysen können die Bäume beispielsweise farblich kodiert dargestellt werden, für ästhetisch geprägte Simulationen lassen sich aber auch jahreszeitliche Besonderheiten gestalten, etwa die typische Laubfärbung während des Altweibersommers.
Vegetationsanalyse
Das Klassifizierungsverfahren ermöglicht so auch eine zuverlässige und automatisierte Differenzierung von Gelände, Vegetation und Bebauung. „Areale mit verschiedenster Vegetation wie Wälder, Parkanlagen oder Grünflächen können so im GIS abgebildet werden“, sagt Rico Richter. Ebenso können Plausibilitätsprüfungen für artverwandte Kataster durchgeführt werden.
Eine besondere Eignung zeigt die Analyse auch für die Dokumentation von Veränderungen. Unter dem Begriff des Change Managements ist in der Fernerkundung ein Verfahren bekannt, mit dem Bestandsunterschiede aus Datensätzen erkannt werden können, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgenommen wurden. Die PCT-Plattform kann Bäume, die gefällt wurden oder Stürmen zum Opfer fielen, automatisch ermitteln. So haben Kommunen die Möglichkeit, den kommunalweiten Baumbestand automatisiert zu kontrollieren. Insbesondere bei Stürmen lässt sich die Anzahl der verlorenen Bäume ermitteln und zielgerichtet aufforsten oder die Baumbeschauungsplanung optimieren. Für Kommunen eröffnet sich so eine völlig neue Möglichkeit zur effizienten Fortführung und Aktualisierung von Baumkatastern, die bisher nur mit hohem manuellem Prüfungs-Aufwand realisierbar war. „Bei der Auswertung des Berliner Stadtgebietes wurden zum Beispiel mehr als zehn Millionen Bäume gefunden. In Großstädten mit so vielen Bäumen ist es quasi unmöglich, diese ohne geeignete automatisierte Verfahren zu erfassen und zu kartieren“, so Rico Richter.
Datengrundlage
Der Algorithmus für die Einzelbaumabgrenzung kann sowohl LiDAR-Daten als auch photogrammetrisch erstellte Punktwolken nutzen. Vorrausetzung ist lediglich eine bestimmte Auflösung der Daten. Bei LiDAR-Befliegungen sollte mindestens eine Punktdichte von vier Punkten pro Quadratmeter vorliegen, PCT empfiehlt zehn Punkte pro Quadratmeter. Optional kann ein DGM genutzt werden, dass eine Auflösung von 10 Meter oder höher besitzt. Dieses DGM kann, falls es nicht vorliegt, auch einfach aus der Punktwolke abgeleitet werden. Optional können auch Orthophotos (oder True Orthophotos) genutzt werden, die vier Farbkanäle und eine Mindestauflösung von 20 Zentimetern besitzen.
Beim Image Matching ist eine durchschnittliche Punktdichte von 25 Punkten pro Quadratmeter notwendig. Dabei muss jedoch sowohl ein DGM herangezogen werden, um die Höhendaten zu erhalten (mindestens 10 Meter Auflösung), als auch ein Orthophoto, das idealerweise eine ähnliche Auflösung wie die Punktwolke und einen Infrarotkanal hat.
Die aus Luftbildern gewonnen Punktwolken sind heutzutage besser verfügbar (alleine aus den Landesbefliegungen) und aktueller. Die Laserdaten sind in der Regel geringer aufgelöst (rund 10-20 Punkte pro Quadratmeter), dafür sind sie aber genauer, besonders was die Höhendaten betrifft.