Im Rahmen eines DLR-Projekts machen die Satelliten Sentinel-2 und Landsat-8 erstmals das Ausmaß der Schäden für den deutschen Wald sichtbar. Dabei können die Forscher die insgesamten Baumverluste im Monatsrhythmus erfassen.
Gesunde Bäume tragen eine stattliche Krone. In den letzten Jahren zeigte sich beim Spaziergang durch den Wald aber vielerorts, dass die grünen Dächer insgesamt recht licht sind und vermehrt kahlgeschlagene Flächen auffallen. Gleichzeitig ist klar, welche Bedeutung gesunde Bäume und Forstgebiete für das Klima, eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt und den Schutz vor Klimakatastrophen haben. Wie groß der Verlust durch abgestorbene und entnommene Bäume in diesem Zusammenhang ist, ist jedoch ungewiss. Forschende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sind dieser Frage mithilfe von satellitengestützten Erdbeobachtungsdaten nachgegangen. Dabei machten sie erstmals deutschlandweit sichtbar, wie viel Baumbestand insgesamt verloren gegangen ist. Die Ergebnisse sind alarmierend: von Januar 2018 bis einschließlich April 2021 wurden in Deutschland auf rund 501.000 Hektar Fläche Baumverluste verzeichnet. Das entspricht fast fünf Prozent der gesamten deutschen Waldfläche und ist damit erheblich höher als bisher angenommen. Als Auslöser gelten vor allem die ungewöhnlich starken Hitze- und Dürreperioden in diesen Jahren, die wiederum den Befall durch Schadinsekten begünstigt haben.
Baumverlust präzise beziffern
Erdbeobachtungssatelliten bieten die dafür notwendige räumliche und zeitliche Auflösung. Das Potenzial von Satellitenaufnahmen wird von den Behörden aber noch nicht voll ausgeschöpft. Die DLR-Forschungsgruppe des Earth Observation Center (EOC) brachte hier ihre Expertise ein. Um den Baumverlust genau zu beziffern, nutzten sie den Satelliten Sentinel-2 des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus sowie den US-amerikanischen Satelliten Landsat-8 als Datenquelle.
Die gegenwärtig verfügbaren Satellitendaten sind in der Lage, großflächige Verluste im Oberstand von Wäldern genau zu erfassen. Die Aufnahmen machen auch drastische Schäden wie zum Beispiel komplett abgestorbene Bestände sehr gut sichtbar. Ein weiterer Vorteil liegt in der Häufigkeit der Aktualisierungen. Die Satelliten können Daten in hoher zeitlicher Dichte liefern.
Die Fernerkundungsexperten aus Oberpfaffenhofen werteten insgesamt mehr als 20.000 Datensätze aus. Auf diese Weise konnten sie die abgestorbenen und neu eingeschlagenen Waldflächen im Monatsrhythmus erfassen. Entstanden ist ein differenziertes Waldbild für ganz Deutschland mit einer Auflösung von zehn Metern. Die Verarbeitung der Datenarchive von Sentinel-2 und Landsat-8 erfolgte vollautomatisch. Das hochkomplexe Verfahren wurde am EOC entwickelt und wird für weitere Anwendungen optimiert.
Blick aus dem All
Der Blick aus dem All zeigt, dass überwiegend die Mitte Deutschlands mit ihren Nadelwäldern betroffen ist – von der Eifel, über Sauerland, Harz und Thüringer Wald, bis in die Sächsische Schweiz. Allein Nordrhein-Westfalen verlor innerhalb von drei Jahren mehr als ein Viertel seiner Fichtenwälder, in einigen Landkreisen waren es sogar mehr als zwei Drittel. Die Bäume starben ab oder fielen großflächigen Notfällungen zum Opfer. Kahlschläge sind oft die letzte Maßnahme bei massivem Schädlingsbefall, um – im Fall von Fichten – dem Borkenkäfer die Nahrung zu entziehen und dadurch seine weitere Ausbreitung zu verhindern.
Die Auswertungsmethode für den Waldbestand lässt sich auch für andere Länder und Regionen anwenden. Denn großflächige Waldschäden sind nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Thema. Nachbarländer wie Tschechien oder Österreich stehen ähnlichen Herausforderungen gegenüber. Mittelfristig setzt sich voraussichtlich die Tendenz fort, dass noch weitere Bestände verloren gehen. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die wirtschaftlichen Schäden eingeholt sind. Bis sich das Ökosystem Wald erholt, kann es noch länger dauern. Für Deutschland und Europa ist es daher dringend notwendig, schnell effiziente Maßnahmen zum Schutz der Wälder zu ergreifen. Satellitengestützte Erdbeobachtung kann Forschenden und Entscheidungstragenden hierzu eine Datengrundlage bereitstellen. (jr)