Beim Thema Starkregenvorsorge erstellen Städte und Gemeinden zumeist Gefahren- und Risikokarten, um potenzielle Überflutungsgebiete zu identifizieren und nötigenfalls Maßnahmen zu ergreifen. Die Karten sind allerdings nur eine mittelfristige Lösung, wie Dipl -Ing. Jörg Martin, Experte für Hydraulik, Sanierung und Ökologie bei der Barthauer Software GmbH, hervorhebt. „Langfristig sollte eine urbane ,Kopie‘ des natürlichen Wasserkreislaufs – die sogenannte Schwammstadt (siehe Kasten) – realisiert werden.“ Doch bis eine Schwammstadt realisiert ist, muss das Kanalnetz durch Integration einer Abflusssteuerung optimiert werden. Wie gut die vorhandenen Kanäle dieser Aufgabe gewachsen sind, hängt von deren Zustand ab. „Um auf Sturzflutszenarien vorbereitet zu sein, sollte der Kanalbetreiber den Zustand der abwassertechnischen Anlagen und der Vorfluter bestens kennen und geeignete Anpassungsmaßnahmen durchführen“, sagt Martin.
Kanalzustandsdaten liegen bei Städten und Gemeinden oft in verschiedenen Formaten vor – als Akten, Papierpläne oder in GIS-Systemen. „Die Folge sind Redundanzen und Unübersichtlichkeit“, so Martin. Barthauer bietet daher mit BaSYS eine Softwarelösung, die sowohl Daten zum Kanalzustand in einer Anwendung erfasst als auch eine darauf aufbauende Sanierungsplanung und -umsetzung ermöglicht. BaSYS koppelt bedarfsgerecht die erforderlichen Datenbankmanagement-, GIS- und Cloud-Systeme, um eine interdisziplinäre Abflusssteuerung zu realisieren.
Kanalzustand erfassen und bewerten
„Gemeinden sind dazu verpflichtet Daten zum Kanalzustand regelmäßig zu erheben. Mittels Wartungsplan sollten neuralgische Punkte des Kanalnetzes vor und nach Starkregenereignissen auf mögliche Durchflusshindernisse geprüft werden“, berichtet Martin. Diese Daten fließen dann in BaSYS und bilden die Grundlage für das weitere Vorgehen. Der Zustand der abwassertechnischen Anlagen wird in Europa gemäß der EN 13508-2 erfasst. Diese ist für Deutschland über die Standards ISYBAU und DWA-M 150 national festgelegt. Barthauer entwickelt die Versionen des ISYBAU-Kanaldatenaustauschformates im Auftrag der Bundesregierung seit 1991 weiter und integriert diesen Standard in BaSYS. Überdies unterstützt die Software auch das Format DWA-M 150, sodass die Daten standardkonform erhoben werden.
Haben die Betreiber die Kanalnetzdaten in BaSYS erfasst, überführt die Software BaSYS PIETS die ISYBAU- und DWA-M-150-Formate in das XML-Format und prüft gleichzeitig die Daten auf Erhebungs- und Formatfehler. Erst nach erfolgreicher Freigabe durch PIETS sind die Zustandsdaten in die Datenbank der Kanalbetreiber importierbar und können für die Zustandsbewertung verwendet werden. Letztere erfolgt automatisch nach den Vorgaben von ISYBAU/DWA. Haltungs- oder Schachtgrafiken und thematische Lagepläne inklusive hinterlegten Fotos und Videos aus der Datenerhebung visualisieren dem Anwender daraufhin die Ergebnisse in BaSYS. Nach erfolgter Zustandsbewertung steht erforderlichenfalls die Planung und Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen an. Hier bietet BaSYS eine Reihe von Funktionen, die den Anwender durch die relevanten Aufgaben führen.
Sanierung planen
Zu Beginn der Sanierungsplanung werden zuerst drei Sanierungsvarianten – „Reparatur“, „Renovierung“ und „Erneuerung“ – in der Softwareumgebung angelegt. Zudem werden die BaSYS-Bibliotheken zu den nutzbaren Sanierungsverfahren und Einheitspreisen geprüft sowie, wenn nötig, aktualisiert. Ein Vorplanungsassistent durchläuft daraufhin die hinterlegten Sanierungsvarianten und verknüpft die Kanalobjekte/Schäden und Sanierungsmaßnahmen mittels hinterlegter Sanierungsregeln, welche in einer XML-Bibliothek je Objektart, Schadenskürzel und/oder Norm vom Anwender definiert werden. Im Anschluss an den Vorplanungsassistenten erfolgt die ingenieursmäßige Ausführungsplanung, die sowohl die Verifizierung als auch gegebenenfalls Korrekturen der Sanierungsmaßnahmen und -kosten umfasst.
Automatischer wirtschaftlicher Vergleich
Je Kanalobjekt ermittelt ein automatischer Wirtschaftlichkeitsvergleich die optimale Vorzugssanierungsvariante. „Die Kanalisierung umfasst vereinfacht betrachtet ausschließlich Investitionen für die Reparaturen, die Renovierung und die Erneuerung. Der Wirtschaftlichkeitsvergleich untersucht dabei realistische Konzepte zur geplanten zeitlichen Abfolge dieser drei Sanierungsarten, deren Kosten je Investitionszeitpunkt in den Wirtschaftlichkeitsvergleich eingehen“, erklärt Martin.
Für den Wirtschaftlichkeitsvergleich werden die Sanierungskonzepte und objektspezifischen Nutzungsdauern der drei Sanierungsdaten in Bibliotheken verwaltet. Die Investitionskosten für Reparatur, Renovierung und Erneuerung werden wiederum den gleichnamigen Sanierungsvarianten entnommen, die am Anfang der Sanierungsplanung erstellt wurden. Für Folgereparaturen kann der Anwender zusätzlich eine exponentielle Anstiegsrate einstellen, die in der Substanzwertanalyse gemäß DWA nur als fester Aufschlag berücksichtigt ist. Ein Assistent führt dann den Wirtschaftlichkeitsvergleich in BaSYS auf Grundlage der hinterlegten Daten automatisch durch. „Danach besitzen die Kanalobjekte jeweils ein Konzept mit minimalem Kostenbarwert, dessen erste Maßnahme dann der Vorzugsvariante entspricht. Das wäre beim Konzept ,Reparaturen oder Erneuerung‘ beispielsweise die Vorzugsvariante ,Reparaturen‘“, beschreibt Martin. Anwender haben zusätzlich die Möglichkeit, bei entsprechenden Wünschen des Auftraggebers oder Ergebnissen einer Sensitivitätsanalyse abweichende Vorzugsvarianten mit einer Begründung gemäß Auswahlliste vorzugeben.
Bauausführung und Endabnahme
Nachdem der Sachbearbeiter die endgültige Vorzugsvariante festgelegt hat, kopiert ein Assistent in BaSYS die damit verbundenen Sanierungsmaßnahmen in die automatisch erzeugte, auszuführende Sanierungsvariante. „Die Umsetzung der Sanierung wird dann über einen vorbereiteten Themenplan im Lageplan visualisiert“, erklärt Martin. Mittels BaSYS wird der Sanierungsumfang daraufhin in ein Ausschreibungsprogramm übernommen, die Ausschreibung vorbereitet, veröffentlicht und ausgewertet. Bei der Bauausführung und Qualitätskontrolle, aber auch bei der Endabnahme der Sanierung können die Mitarbeiter der Gemeinde dann wiederum wie bei der Zustandsbewertung die relevanten Kanaldaten erfassen und in BaSYS einpflegen. (vb)