Die Schneegrenze in den italienischen Alpen lag im vergangenen Frühjahr durchschnittlich 400 Meter, in manchen Regionen sogar fast einen Kilometer höher als im langjährigen Mittelwert. Das haben Forschende im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ermittelt. Sie werteten dazu rund 15.000 Satelliten-Aufnahmen der Alpen aus 37 Jahren aus. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben auch untersucht, welchen Einfluss die Schneebedeckung der Alpen auf den Wassermangel in Norditalien hatte. Norditalien erlebte in diesem Jahr eine der schwersten Dürren der letzten 70 Jahre.
Die Forschenden aus dem Earth Observation Center (EOC) im DLR analysierten die Lage der Schneegrenze in neun Regionen in den italienischen Alpen, darunter das Aosta-Tal und Südtirol. Hier entspringen wichtige Zuflüsse zu Italiens größtem Strom, dem Po. Insbesondere im Frühjahr speisen sich Flüsse wie die Dora Baltea oder die Etsch zu einem großen Teil aus Schmelzwasser. Bleibt der Schnee aus, droht der bevölkerungsreichsten Region Italiens Wassermangel.
„Die Schneegrenze beschreibt, ab welcher Höhe es in den Bergen eine geschlossene Schneedecke gibt. Je höher diese Grenze liegt, desto weniger Schnee – und damit potenzielles Schmelzwasser – ist verfügbar. So lag etwa im Tessin, der Grenzregion zwischen Italien und der Schweiz, die Schneegrenze im März dieses Jahres 625 Meter über dem Wert vor 37 Jahren. Dadurch war in der Region 56 Prozent weniger Schneebedeckung als üblich zu verzeichnen“, sagt Jonas Köhler, der die Studie im EOC durchgeführt hat.
Erdbeobachtung hilft, drohende Dürren frühzeitig zu erkennen
Das Forschungsteam hat die Ergebnisse aus Aufnahmen des Erdbeobachtungssatelliten Landsat abgeleitet. Der Datensatz enthält monatliche Beobachtungen der Schneegrenze für den gesamten Alpenraum seit 1985. Landsat zeichnet sich durch eine räumliche Auflösung von 30 Metern aus. So kann Schnee auch im komplexen Gelände von Hochgebirgsregionen kartiert werden. Weil das Landsat-Archiv weit in die Vergangenheit reicht, lassen sich Zeitreihen erstellen.
„Hintergrund der Dürre in Norditalien war ein Zusammenspiel aus hohen Temperaturen und wenig Niederschlag im Winter und Frühling 2022, auf das mehrere Hitzewellen folgten. Satellitenaufnahmen zeigen die Auswirkungen dieser Wetterlage auf die Schneebedeckung deutlich“, erklärt Jonas Köhler. Italienische Behörden schränkten die Wassernutzung in Regionen wie der Lombardei und dem Piemont ein – mit Auswirkungen auf die bewässerte Landwirtschaft in der Po-Ebene. Auch in Deutschland waren die Folgen eines niederschlagsarmen Winters zu spüren: So war der Rhein aufgrund von niedrigen Pegelständen zum Teil nicht mehr schiffbar. „Die Satellitendaten zeigen, dass sich die Schneegrenze in großen Teilen der Alpen um mehrere Meter pro Jahr nach oben verschiebt. Die kontinuierliche Beobachtung der Schneegrenze kann in der Zukunft dabei helfen, mögliche Dürren frühzeitig zu erkennen“, ergänzt Jonas Köhler.
Das Earth Observation Center (EOC) im DLR steht dazu im Austausch mit dem Forschungszentrum Eurac in Italien und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Österreich. Diese stellen im Rahmen des Projektes Alpine Drought Observatory weitere Daten zum Dürre-Monitoring in den Alpen zur Verfügung.