Im Forschungsvorhaben Netzwerk Systemlösungen Medienschutz wird ein Verfahren zur Kollisionsvermeidung beim Tiefbau erarbeitet. Die GIS-Dienst GmbH kann dieses bereits im Rahmen seiner Dienstleistungen für die Leitungsauskunft bereitstellen.
Der Kurztitel des Forschungsprojekts lautet SMLS – InfraPlan+V. Dabei geht es um einen digitalen Infrastrukturplan, der direkt auf der Baustelle bereitgestellt wird. Er beinhaltet präzise georeferenzierte Daten von unterirdischen Medien- und Leitungsanlagen, die Bauarbeitern direkt vor Ort Hinweise auf die unterirdischen Leitungen geben.
Hintergrund dazu ist das immer noch sehr hohe Schadensaufkommen in diesem Bereich. Laut Statistik der „Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Leitungsbetreiber zur Schadenminderung im Bau“ werden den Sachversicherungen jährlich rund 100.000 Schadensfälle gemeldet, für die (ohne Folgekosten) sachbezogene Entschädigungen in Höhe von rund 500 Mio. Euro geleistet werden müssen.
2018 wurde das Netzwerk „Systemlösung Medienschutz im Tiefbau“ im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gegründet. Aus ihm ging das Projekt SMLS – InfraPlan+V hervor. Ziel war es, die Entwicklung von Produkten, Verfahren und praxisrelevanten Dienstleistungen zur Reduzierung von Medienschäden im Tiefbau voranzubringen. Koordiniert wird das Projekt von dem ZeSys e.V. in Berlin, einem Institut für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen im Bereich eingebetteter Systeme. Als Ergebnis entstand ein Prototyp für Kollisionswarnungen, die ein Maschinenführer bekommt, wenn sich eine Baggerschaufel einer Infrastruktur im Boden zu stark nähert.
Zu den Projektpartnern gehört das Unternehmen GIS-Dienst GmbH aus dem sächsischen Riesa. Dessen Projektaufgabe bestand darin, den virtuellen Infrastrukturplan zu erstellen, der direkt für Geräte auf der Baustelle nutzbar ist. Dieser Plan beinhaltet alle Daten zu allen unterirdischen Medien- und Leitungslagen, die in dem betroffenen Gebiet verlegt sind. Wesentliche Aufgabe war es also, die jeweils zu unterschiedlichen Leitungsmedien vorliegenden Einzeldaten zu einem konsolidierten Gesamtplan zu verschneiden. Die Daten müssen dabei präzise georeferenziert aufgearbeitet werden. Die Bereitstellung erfolgt in einem automatisierten Prozess.
Dieses Verfahren ist von GIS-Dienst bereits in den Betriebsmodus überführt worden und steht interessierten Infrastrukturbetreibern und Tiefbauunternehmen bereits zum Realtest zur Verfügung. „Erste Anwender der Bauwirtschaft haben sich bereits mit aktuellen Projekten für das System registriert und sind damit in der Lage georeferenzierte Leitungsinformationen mit Hilfe ihrer Mobilgeräte abzurufen“, so Michael Gessel, Geschäftsführer von GIS-Dienst.
Systemaufbau
Zentrale Herausforderungen bei diesem Ansatz liegen in der Heterogenität der Daten und den damit einhergehenden Anforderungen zur Datenintegration. „Dazu wurden bereits zu Beginn der Forschungs- und Entwicklungsphase Lösungen entwickelt“, so Gessel. Zentrale Komponente des Systems ist der INFRASTRUKTUR + V-SERVER, auf dem die heterogene Datenstruktur der Infrastrukturbetreiber koordiniert werden und der die Daten projektbezogen vor Ort zur Verfügung stellt.
Zur Entgegennahme wurde ein Tool entwickelt, welches die am häufigsten identifizierten Formate berücksichtigt (WFS, GeoJson, dwg, dxf, SHP). Die praktischen Erfahrungen haben dabei gezeigt, dass die Einbindung über den standardisierten OGC-konformen Dienst Web Feature Service (WFS) der praktikabelste ist. „Die enorme Vielfalt der verfügbaren Dienste erschwert die vollautomatische Verarbeitung, deshalb ist der direkte Kontakt zur Abstimmung der Datenübernahme mit dem Infrastrukturbetreibern unerlässlich“, so GIS-Experte Gessel. Hierbei wurden die Zugangsbedingungen (System- und Datensicherheit), die Bereitstellungsadresse (URL) und die Datenstruktur (Layerstruktur, Metadaten) geklärt.
Das Verfahren ist bidirektional ausgelegt, es dient also nicht als „Einbahnstraße“, bei der Daten an die Baustelle geliefert werden, sondern ermöglicht auch den umgekehrten Weg. Werden vor Ort etwa andere Leitungsverläufe als im Plan festgestellt, kann der Bauausführende die berichtigten Daten mit seinem Mobilgerät an den betroffenen Infrastrukturbetreiber zurück übermitteln. „Dies funktioniert sehr einfach“, so Gessel.
Das Konzept der Rückführung berichtigter Lageinformationen beinhaltet einen dreistufigen Prozess. Zentral ist dabei die automatisch aus den Eckdaten generierte Projekt-ID. Der Server ermittelt automatisch den betroffenen Infrastrukturbetreiber. Die Daten werden in das mit dem Infrastrukturbetreiber vereinbarte Format und gegebenenfalls Layerstruktur umgewandelt und auf einem vorher vereinbarten Weg (etwa Mail, Download, Upload) versendet.
Bereitstellung per App
Eingebunden wird der neue Prozess auf www.leitungsauskünfte.de, dem Portal zur deutschlandweiten Einholung von Leitungsauskünften der GIS-Dienst GmbH. „Die zentrale Beantragung der Einholung aller erforderlichen Auskünfte bleibt dabei einfach, wie bisher“, so Gessel. Baufirmen werden bei der Recherche und der Aufarbeitung der einzelnen Auskunftsdaten entlastet. Das Leistungsspektrum der GIS-Dienst GmbH umfasst dabei den gesamten Auskunfts- und Rechercheprozess und geht damit bis hin zur digitalen Bereitstellung einer Art Bauakte vor Ort. „Der Mehrwert in Form der digitalen Baustellenauskunft als App ist offensichtlich“, ist Gessel überzeugt. Auf der App werden die Auskünfte aller Leitungsbetreiber kartenbasiert dargestellt, wobei die aktuelle Position des Nutzers vor Ort dargestellt ist.
Fixierung noch zu sehr auf PDF- oder gar Papierpläne
Ein solches Verfahren stellt einen deutlichen Schritt für die Digitalisierung der Bauwirtschaft dar und könnte die Leitungssicherheit bei den Arbeiten auf der Baustelle nochmals verbessern. Doch Gessel zeigt sich auch skeptisch gegenüber den aktuellen Entwicklungen. Vor allem sieht er eine Zurückhaltung der Infrastrukturbetreiber bei der Bereitstellung von digitalen Daten. „Das ist ein Wermutstropfen für den Einsatz der Technologie“, so Gessel. Zwar verfüge eine Vielzahl der Infrastrukturbetreiber über die entsprechen Daten und technischen Voraussetzungen, die Bereitstellung der Auskünfte sei zumeist noch in Form von Karten im PDF-Format oder in Papier üblich. An dieser Stelle sei ein Umdenken notwendig. „Ein PDF ist nur die Abbildung eines traditionellen, papierbasierten Prozesses mit einer Technologie, die bereits seit den frühen 1990er Jahren bekannt ist. Die Potenziale der Digitalisierung werden damit bei weitem nicht ausgeschöpft“, so der GIS-Dienst-Geschäftsführer. (sg)