Die Firmen Elektra Solar und 3D Reality Maps haben auf Basis eines solargetriebenen Ultraleichtflugzeugs eine neuartige Methode für photo grammetrische 3DModellierung entwickelt.
Als im August das Wetter noch sommerlich war, passierte über der historischen Altstadt von Landsberg am Lech etwas, was man aus den Gassen der Stadt kaum wahrnehmen konnte – zumindest was das Hören betrifft. In nur rund 300 Metern Höhe überflog ein Flugzeug das Stadtgebiet in einem regelmäßigen Muster – allerdings so leise, wie man es von einem Flugzeug in dieser Flughöhe nicht gewohnt ist. Dass das Flugzeug gleich mehrere technologische Neuerungen besitzt, wussten derweil nur Eingeweihte: Zum einen nutzte das Flugzeug Solarstrom als Energiequelle und machte demnach mit seinem elektrisch getriebenen Propeller keinen üblichen Motorenlärm. Zum anderen beinhaltete es eine neu entwickelte Sensortechnik für die Photogrammetrie, mit der die Stadt Landsberg am Lech gleich mehrere Datenprodukte gewinnen möchte: Hochaufgelöste Luftbilder, ein ebenso detailliertes 3D-Stadtmodell sowie im gleichen Zug auch eine 3D-Analyse der Wärmestrahlung einzelner Gebäude. Ein Smart-City-Projekt also gleich in mehrfacher Hinsicht.
Hinter der neuartigen Lösung stecken die Firmen Elektra Solar GmbH, einer Ausgründung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), und die 3D RealityMaps GmbH. Elektra Solar hat das Ultraleichtflugzeug entwickelt, das mit Solarzellen ausgestattet ist und demnach besondere Vorteile für den Einsatz in besiedelten Gebieten mit sich bringt. „Zudem benötigt es keine spezielle Aufstiegsgenehmigung wie etwa bei Drohnen und kann deshalb auch über besiedeltes Gebiet und kritische Infrastruktur fliegen“, sagt Dr. Sven Schmid, Leiter luftgestützter Geodatenerfassung bei der Firma, die ebenfalls in Landsberg am Lech anässig ist.
Das Flugzeug hat eine Spannweite von 13 Metern und eine hohe Gleitzahl von mehr als 30, sprich einem sehr gutes Verhältnis aus Luftwiderstand und Auftrieb, was gleichzeitig auch die Geräuschemissionen verringert. Ebenso hat Elektra Solar ein spezielles Autopilotsystem für die hochpräzise Verfolgung entwickelt, so dass ein vorab definierter Flugpfad eingehalten und auch später beliebig oft wiederholt werden kann.
Das Flugsteuerungssystem kommt auch beim Flugzeug Elektra Two Solar zum Einsatz, ein etwa doppelt so großes Solarflugzeug, das für Flüge in die Stratosphäre (bis 20km Flughöhe) optimiert wurde und Nutzlasten bis zu 100kg tragen kann.
Flughöhe und Sensorsystem
Das Ultraleichtflugzeug fliegt zur Datenerfassung in einer Höhe von lediglich 1000 Fuß über Grund (ca. 300m) und schafft so bessere Voraussetzungen für die optische Datenaufnahme und die Sensortechnik. Die Elektra Solar erzeugt lediglich Fluggeräusche von 50 Dezibel und ist damit um den Faktor 4 leiser als vergleichbare Motorflugzeuge, ist also kaum zu hören, was die Genehmigung der Flüge erleichtert.
Daher haben 3D Realitymaps und und Elektra Solar ein ein Sensorsystem entwickelt, das auf handelsüblichen Kamerasystemen basiert. „Wir erreichen so eine einzigartige Qualität und Auflösung von bis zu zwei Zentimetern“, sagt Professor Florian Siegert, Geschäftsführer von 3D Reality Maps. Weitere Vorteile seien die geringen Vibrationen und die langsamere Fluggeschwindigkeit. Das System besteht aus einem variablen 5-fach Schrägluftbild-Kamerasystem und ist optimiert für eine Flughöhe von nur 300 Metern über dem Grund. „Dadurch reduziert sich der atmosphärische Einfluss und gleichzeitig erhöht sich die Datenqualität ganz wesentlich, bei gleichzeitig niedrigeren Kosten“, beschreibt Siegert. Gleichzeitig wird eine Multispektralkamera und eine Thermalkamera während der Befliegung mitgeführt. „Dadurch lassen sich verschiedene Fragestellungen mit einer einzigen Befliegung bearbeiten“, so Siegert.
Weiterhin hat 3D RealityMaps auch spezielle Algorithmen auf Basis der Objekterkennung und des maschinellen Lernens entwickelt, um wertvolle Informationen aus dem 3D-Datenbestand zu gewinnen. Das Unternehmen greift dabei auch auf Kompetenzen des Schwesterunternehmens RSS GmbH zurück, dessen Expertise in der Auswertung von Erdbeobachtungsdaten liegt. „Wir können die Luftbilder und den 3D-Datensatz nach speziellen Kriterien klassifizieren“, beschreibt Siegert. Nicht nur Bäume oder Grünflächen, sondern auch begrünte Dächer oder das Volumen der Vegetation seien bestimmbar. Weitere Anwendungen sind die automatisierte Erfassung des Gebäudebestands, der Dachformen und Dachaufbauten sowie die Erkennung des Straßeninventars.
Die Auswertungen sorgen auch dafür, dass die Sensordaten kombiniert verarbeitet werden können, um so die Daten der Thermografie direkt in das 3D-Stadtmodell zu übertragen. „So können zum Beispiel Wärmelecks an Gebäuden lokalisiert, die Wärmeverteilung in der Stadt analysiert oder der Gesundheitszustand der Vegetation untersucht werden“, berichtet Siegert.
Aktuell setzen Elektra Solar und 3D Reality Maps gemeinsam mit der Stadt Landsberg am Lech das Forschungsprojekt Thermcity3D“ um, das im Rahmen der Förderrichtlinie Modernitätsfonds („mFUND“) durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert wird. Dabei soll der digitale 3D-Zwilling der Stadt komplett mit den Wärmebildaufnahmen überlagert werden. Städte und Kommunen sollen so, neben den Vermessungspflichten, gezielt Maßnahmen für eine nachhaltigen Stadtentwicklung und Verbesserung der Klimabilanz planen können. (sg)