Die INSPIRE-Richtlinie legte ab 2007 den gesetzlichen Rahmen für den Aufbau einer europäischen Geodateninfrastruktur (GDI) vor. Nun steht die Infrastruktur vor dem nächsten Technologiesprung. Partner wie die con terra stehen dafür bereit.
Im Jahr 2008 veröffentlichte BUSINESS GEOMATICS erstmals eine Sonderbeilage. Das Thema, dass diesen Schritt initiierte, war die Richtlinie „Infrastructure for Spatial Information in the European Community”, kurz INSPIRE, die am 15. Mai 2007 rechtlich verabschiedet wurde. INSPIRE sollte den Umgang mit Geodaten in ganz Europa verändern und auf den Kopf stellen: umweltrelevante Daten in einer zentralen Infrastruktur harmonisiert und abrufbar zu machen, das war damals die fast unvorstellbar scheinende Vision. Kein Wunder, dass man den Umsetzungsrahmen dementsprechend großzügig ansetzte und als Termin für die Fertigstellung des finalen Aufbaus von INSPIRE das Jahr 2019 ansetzte. Zwischenzeitlich hat sich dieser Termin auf Ende 2021 verschoben.
Der Status quo
Und tatsächlich, Geodateninfrastrukturen (GDI) im Allgemeinen und die INSPIRE-Richtlinie im Besonderen haben sich heute etabliert – wenngleich noch immer viele Umsetzungsprojekte nicht abgeschlossen sind. INSPIRE bildet den Grundstein für einen wissensbasierten Ansatz quer zu allen umwelt- und infrastrukturrelevanten Fragestellungen. Die Grundidee erscheint heute mehr denn je als richtig.
Ist das Thema INSPIRE mit Erreichen des letzten Meilensteins Ende 2021 abgeschlossen und als erledigt abzuhaken? Taugt es zu mehr als nur zur gesetzlichen Pflichterfüllung? Wie geht es weiter mit INSPIRE ab 2022? „INSIPRE ist immer noch ein Kernthema bei vielen unserer Projekte“, weiß Thomas Wojaczek, Teamleiter GDI bei der con terra GmbH. Der GeoIT-Integrator aus Münster gilt in diesem Zusammenhang als Pionier, der sich bereits seit Langem mit GDI beschäftigte und dann Mitte der Nuller-Jahre sofort Kompetenzen bündelte, um sich für die Bewältigung der Mammutaufgabe „INSPIRE“ aufzustellen.
Von den aktuellen Projekten sind viele im Standardbetrieb in modernen Rechenzentren, um den komplexen technischen und fachlichen Verpflichtungen nachzukommen, die von gesetzlicher Seite gefordert werden. Einige Anwender entwickeln ihre bestehenden INSPIRE-konformen GDI bereits weiter. „Es gibt Leuchttürme, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und die gesetzliche Verpflichtung als Grundlage begreifen, von der aus die Modernisierung des Daten-, Informations- und Wissensmanagements der Öffentlichen Hand erst startet“, so Wojaczek. Dabei sind diese Vordenker keine einsamen Rufer in der Wüste. Sie greifen eine Diskussion auf, die schon länger – meist noch hinter verschlossenen Türen in der INSPIRE-Community – geführt wurde und zuletzt in der Öffentlichkeit kräftige Konturen bekommen hat.
Neuer Ansatz bei der Evaluation
Als Meilenstein ist hier vor allem die aktuelle Evaluierung der INSPIRE-Direktive zu sehen, die von der Europäischen Kommission beauftragt wurde. Diente dieses Vorgehen in den letzten Jahren vermehrt dazu, die eigenen technischen Umsetzungsbestimmungen und damit die Regeln, wie INSPIRE technologisch auf die Straße gebracht werden sollte, zu legitimieren, finden sich plötzlich auch selbstkritische Stimmen. „Es ist gut, dass etliche der seit Jahren bekannten Problematiken in dem Bericht deutlich angesprochen werden“, berichtet Wojaczek. Unbestritten sei, dass seit 2007 erhebliche Fortschritte bei der Verfügbarkeit von Geodaten erzielt wurden und man eigentlich allen Grund zu einem positiven Fazit hätte. Doch der Bericht zeigt auch Lücken bei der Umsetzung auf und kritisiert erstmals auch eine technische Überspezifizierung. „Im Grunde genommen zeigt das nichts anderes, als dass INSPIRE nun in eine neue Phase eintritt, in der man durch Vereinfachung der Interoperabilitätsanforderungen, den Einsatz von Standardtechnologien und die Vergrößerung von Ermessensspielräumen stärker den Fokus auf die Potenziale lenken will“, so der Geodaten-Spezialist.
Denn so sehr die Notwendigkeit gegeben ist, klare Regeln für die INSPIRE-Umsetzung zu schaffen, die Technologieentwicklung ist im Bereich GIS und GeoIT rasant vorangeschritten und hat das Niveau aus Zeiten der INSPIRE-Grundlagenentwicklung weit hinter sich gelassen. War die Aufgabe der Harmonisierung öffentlicher Geo- und Fachdatenbestände nicht ohnehin groß genug, sorgt diese stetig wachsende Kluft zwischen Soll und Könnte auch für Unmut innerhalb der Projektverantwortlichen.
Neuer Ansatz: „Spatial Data on the Web“
„GDIs basieren auf Standards, die aus technologischer Sicht uralt sind, der WFS 2.0 z.B. stammt aus dem Jahr 2010“, konkretisiert Antje Kügeler, Market Delivery Manager Spatial Data Infrastructures bei con terra, die dringend notwendige Erneuerung. Man müsse dies vor allem vor dem Hintergrund sehen, dass Geoinformationen heute eine immer größere Rolle in fast allen umweltrelevanten, politischen und auch wirtschaftlichen Fragenstellungen haben und Geoinformation demnach aus der Experten-Nische kommen. „Sie wollen heute ohne Expertenwissen nutzbar sein und benötigen mehr denn je entwicklerfreundliche Spezifikationen“, so Kügeler.
Das schlägt sich auch bei den Normierungsgremien massiv wieder. So hat das Open Geospatial Consortium (OGC) gemeinsam mit dem World Wide Web Consortium (W3C) mit „Spatial Data on the Web” einen neuen Ansatz entwickelt, mit dem sich Geoinformationen einfacher in Web-Anwendungen einfügen lassen können. Das OGC hat zudem die neue OGC API-Familie eingeführt, die dem gleichen Ziel dient.
Ebenso überholen neue Direktiven und Richtlinien der EU selbst den „alten“ INSPIRE-Ansatz. Die Open Data Direktive beispielsweise geht in den Forderungen für die Öffnung amtlicher und behördlicher Daten noch weiter. In dem im Mai erschienenen Entwurf für die Durchführungsverordnungen werden Geodaten auch explizit als hochwertige Datensätze klassifiziert, die kostenlos und über eine API zur Verfügung gestellt werden sollen. „Erfreulicherweise werden hier aber keine Festlegungen zur technologischen Umsetzung gemacht“, so Kügeler. Bei INSPIRE hingegen fehle oft noch der Wille dazu, moderne Technologien in der Praxis einzusetzen, ohne gleich Sorge zu haben, die bestehenden technischen Regularien über Bord zu werfen.
Projekte werden durch Status Quo bestimmt
Als GeoIT-Integrator unterstützt con terra seit 2007 geodatenhaltende Stellen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene bei der Umsetzung von INSPIRE. Neben dem Dienstleistungsteil kommen bei con terra vor allem drei Produktwelten zum Einsatz. Als Esri Platinum-Partner setzt das Unternehmen auf die ArcGIS Technologie. Hinzu kommt die FME Technologie von Safe Software, auf dessen Basis con terra das INSPIRE Solution Pack anbietet, welches die Transformation in alle INSPIRE-Datenmodelle extrem vereinfacht. Die Münsteraner sind Platinum Value Added Reseller von Safe Software und fungieren als European Service Center for FME. Die komplementären Produkte der con terra Technologies ergänzen schließlich das Portfolio, aus dem ganz nach Kundenbedarf maßgeschneiderte GeoIT-Lösungen entstehen. Individuelle Lösungen, die aber dank der eingesetzten standardisierten Komponenten effizient und nachhaltig sind.
Wichtig ist nach Erfahrung der con terra, dass die jeweiligen Institutionen bei INSPIRE-Projekten jeweils ganz unterschiedliche Ausgangspunkte haben. „Aus dem jeweiligen Startpunkt der Organisation definieren sich die geeigneten Technologien und Methoden, um effektiv zum INSPIRE-Ziel zu kommen“, so Kügeler.
Alternativen in der Standardsoftware
Ein wichtiges Thema für die einfachere Nutzung von INSPIRE Daten ist auch die Erstellung sogenannter alternativer Encodings. Als alternativ werden diese im INSPIRE-Kontext deshalb bezeichnet, weil bei der Implementierung von INSPIRE die Standardkodierung auf GML basiert. GML gilt aufgrund seiner komplexen Datenstrukturen als umständlich, besonders, wenn es bei Desktop GIS genutzt werden soll. Die alternativen Encodings, insbesondere auf GeoJSON-Basis, werden in der Fachwelt als entscheidender Schritt in die IT-Moderne für INSPIRE gehandelt.
Schon 2017 hatte sich daher eine Arbeitsgruppe koordiniert vom JRC mit „Alternativen Enkodierungen“ beschäftigt, um INSPIRE-Geodaten einfacher nutzen zu können. Zusammen mit Esri hatte auch con terra bereits auf der INSPIRE Jahreskonferenz 2017 öffentlich darauf hingewiesen, dass sich die Community vermehrt den zeitgemäßen Softwaretechnologien öffnen sollte.
Auf Ebene der Standardsoftwareprodukte sind häufig bereits innovative Möglichkeiten für das Datasharing verfügbar. Mit der GIS-Lösung ArcGIS INSPIRE Open Data von Esri ist es beispielsweise möglich, INSPIRE-Daten per ArcGIS Online bereitzustellen und mit allen Möglichkeiten von ArcGIS Online oder mit einem Desktop GIS weiter zu nutzen. Geodaten können so zum Beispiel auf Basis von WMTS oder OGC API Features publiziert werden, mit der Folge, dass die Daten nun ohne technologische Barrieren frei genutzt und integriert werden können. „Das ist ein Beispiel dafür, wie INSPIRE-Daten in einfacher und moderner Form für sämtliche Nutzergruppen bereitgestellt werden können”, so Kügeler. (sg)