Viscan weist in einem Testprojekt nach, dass Drohnen beim Verkehrswegebau 3D-Modelle in Subzentimetergenauigkeit auch bei den Höhendaten erzeugen können.
„Unbemannte Flugsysteme können Baufelder deutlich präziser, schneller und günstiger vermessen, als herkömmliche Methoden.” So steht es im Masterplan Bauen 4.0, den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt im Januar vorgelegt hat. Mancher Bau-Fachmann wird sich angesichts dieser gewagten Formulierung verwundert die Augen gerieben haben, schließlich werden Drohnen bisher im Straßenbau nur in ersten Pilotprojekten eingesetzt. Doch das Ministerium scheint die Bedeutung der neuen Technologie richtig eingeschätzt zu haben. Zuletzt hat eine systematische Untersuchung die Drohenvermessung mit klassischen Methoden verglichen und dort insbesondere untersucht, ob die erzielbare Genauigkeit vergleichbar ist mit den bisherigen Standards. Das Ergebnis: Mit Drohnen kann eine Höhengenauigkeit von rund einem halben Zentimeter erzielt werden, vorausgesetzt, Befliegung und Auswertemethoden berücksichtigen einige wichtige Regeln.
Initiiert wurde der Vergleich von dem Unternehmen Viscan Solutions aus dem baden-württembergischen Krauchenwies. Der Vermessungsdienstleister bietet ein breites Portfolio an Bauvermessung an, vor allem ist die Drohnenvermessung ein fester Bestandteil. Mittlerweile stehen bis zu sieben verschiedene Drohnen zur Verfügung, die je nach Anforderungen zum Einsatz kommen. Projekte führt das Unternehmen, das inzwischen drei Standorte in Deutschland hat, bundesweit durch.
Viscan Solutions will die Drohnenvermessung als Standard im Erd- und Straßenbau etablieren. Zwar konnte Viscan schon viele Pilotprojekte realisieren, die Drohnenbefliegung ist bei Tiefbauarbeiten jedoch noch kein Standard. „Die verschiedenen Behörden, Institutionen und Bauunternehmen müssen von der Technik noch immer überzeugt werden“, so Geschäftsführer Nicolai Nolle. Dabei zeige sich, dass allein das Argument einer höheren Informationsdichte, die eine per Drohnenvermessung erzeugten Punktwolke hat, nicht ausreicht. Vielmehr ist eine klassische Geodäsie-Tugend gefragt: „Man muss den Nachweis der Einzelpunktgenauigkeit erbringen, erst dann entsteht die Bereitschaft, die neue Technologie erstmal auszuprobieren“, weiß Nolle aus Erfahrung.
Test vergleicht die erzielbare Genauigkeit
Vor diesem Hintergrund hat Viscan im Frühjahr am Flughafen Magdeburg-Cochstedt einen Vergleich von terrestrischer und Drohnenvermessung durchgeführt. Testumgebung war die Start- und Landebahn mit einer Länge von 3.000 Metern und einer Breite von 56 Metern. Für die Kontrollmessung wurde ein Ausschnitt von 1.000 Metern Länge und 70 Metern Breite ausgewählt. Bei allen Vermessungsaufnahmen, die gleichzeitig durchgeführt wurden, herrschte kein Flugbetrieb. Das Wetter war leicht bewölkt, am ersten Tag gab es wenig Wind. Am zweiten Tag herrschten starke Winde mit bis zu 15 Metern pro Sekunde, also durchaus praxisübliche Bedingungen für Drohnenflüge. „Die Ergebnisse dieser Vermessung zeigen, dass es möglich ist, eine absolute Punktgenauigkeit von bis zu unter einem Zentimeter und im Mittel von fünf bis sechs Millimetern in Bezug auf den im Straßenbau wichtigen Höhenwert zu erreichen“, sagt Nolle. Bei terrestrischer Vermessung via Nivellements sind zwei Millimeter Genauigkeit üblich.
Doch der Weg zu dieser Genauigkeit ist nicht einfach. Dafür sind, so Viscan, neben Wind und Wetter, einige andere Bedingungen zu erfüllen. Dazu gehört vor allem die Flugplanung und die Anordnung der Passpunkte auf der Baustelle. Bei der Flugplanung bei Bundes- und Landesstraßen ist zu berücksichtigen, dass die Drohnen nicht direkt über dem Verkehr fliegen dürfen. Sie müssen die Aufnahmen also oberhalb des Straßenrandes machen – eigentlich eine für ein Nivellement suboptimale Ausgangslage. Demnach ist die Anordnung der Passpunkte der Schlüssel zum Projekterfolg. „Sie ist entscheidend für die Erreichung der Genauigkeit und auch für die Wirtschaftlichkeit, denn die Einmessung des Passpunktfeldes ist der kostenintensivste Teil der Projekte“, berichtet Nolle. Ebenso wichtig ist die Flugsteuerung, bei der die Flugstrecke der Drohne und die zeitliche Folge der Fotos festgelegt wird. Viscan hatte mehrere Arten der Flugsteuerung getestet: teilautonom, voll programmiert und manuell. Während letztere aufgrund des hohen Aufwandes und der geringen Effektivität nicht in Frage kommt, können beim voll programmierten Flug (Kreuzverband) zwar die höchsten Genauigkeiten und die beste Vermaschung der Orthophotos erreicht werden, das Risiko für Bildausfälle ist jedoch hoch und die Aufnahmezeiten sind lang.
Daher verfolgt Viscan den Weg der teilautonomen Steuerung, obwohl die Standardprogramme der Drohnenhersteller dafür nicht geeignet sind. Das Unternehmen setzt dabei entschieden auf eine gute Ausbildung der Piloten (Vermessungstechniker und Ingenieure), mit der ein hoher Qualitätsstandard gehalten werden kann. Pro Tag erreicht Viscan so eine hochpräzise Vermessung von rund fünf Kilometern einer dreispurigen Autobahn. Die Bodenauflösung der einzelnen Messpunkte beträgt dabei drei bis fünf Millimeter. Für dieselbe Strecke sind bei klassischer Vermessung einzelner Punkte durch einen Trupp mit mindestens zwei Personen dafür bis zu drei Tage notwendig.
Kompletter Prozess
Als Sensor setzt Viscan hochauflösende Kameras mit 35 beziehungsweise 50 Megapixeln ein. Dadurch fallen enorme Datenmengen an (pro Bild bis zu 30MB-RAW), die Viscan direkt nach den einzelnen Flüge vorverarbeitet und an das hauseigene Rechenzentrum (Construction-Monitoring- System) sendet. „Durch eine abschnittsweise Berechnung der Datensätze liegen die ersten Ergebnisse bereits nach wenigen Stunden vor“, beschreibt Nolle.
Die Dienstleistung von Viscan endet aber nicht mit der darauf folgenden Bereitstellung einer Punktwolke, sondern schließt die Erzeugung weiterer Datenprodukte ein. Dazu gehören Bestandsunterlagen, Digitale Geländemodelle, Querprofile, Schichtenprofile oder Volumenkörper. Diese werden dann weiter im Rahmen von 5D- oder BIM-Prozessen verwendet, beispielsweise für die Planung von Achsen und Gradienten oder das Erstellen von Deckenbüchern oder Querprofilen. Bei Projekten ist es heute schön üblich, dass nach jedem Einbau einer Schicht im Straßenbau ein 3D-Modell erstellt wird, um so den genauen IST-Zustand des gesamten Straßenkörpers zu dokumentieren. Viscan arbeitet dabei eng mit der Firma RIB Software SE zusammen. Im Rahmen der Punktwolkenlösung arbeiten die Unternehmen gemeinsam daran, innerhalb des Programms iTWO civil einen durchgängigen Gesamtprozess für die Verwertung der Drohnendaten zu realisieren.
So wird Dobrindts Ziel, die Drohnenvermessung 2020 in den BIM-Standard für 2020 aufzunehmen, konkret in die Praxis übertragen.