Die Satellitenfernerkundung wird auf breiter Basis in die Fördermittelbeantragung im Agrarbereich integriert. Für effiziente Prozesse zwischen Zahlstellen und Landwirten sorgt Software der GDV mbH aus Ingelheim.
Die satellitenbasierte Fernerkundung ist nur wenigen deutschen Landwirten ein Begriff. Wenn überhaupt wissen große Betriebe oder technologieaffine Vorreiter, dass man vor allem in der Agrarforschung mit den Daten aus dem All das Wachstum auf den Feldern überwachen und prognostizieren kann. Sie beginnen auch, Fernerkundungsverfahren in die betriebliche Praxis zu integrieren. Ab dem Jahr 2023 werden deutsche Landwirt:innen vermehrt mit Satellitendaten in Kontakt kommen. Denn ab nächstem Jahr werden im Zuge politischer Entscheidungen der Europäischen Union Flächen der Landwirte mit Satellitendaten geprüft. Kurz gesagt wird mit dem Verfahren verifiziert, ob die Beantragung von Beihilfen der Landwirte auf Basis der korrekten Angaben der landwirtschaftlichen Flächen geschieht. Im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoS) wird überprüft, ob die angegebenen Flächen und Bewirtschaftungen richtig sind.
Dieses neue, satellitengestützte Flächenmonitoring-System (AMS = Area Monitoring System) ersetzt bisherige Vor-Ort-Kontrollen. Die EU hat im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) dafür den Rechtsrahmen geschaffen. Verantwortlich sind in Deutschland insgesamt 13 Zahlstellen (alle Flächenbundesländer), die für die softwaretechnische Implementierung des gesamten Datenmanagements und der Kommunikations- und Verwaltungsprozesse verantwortlich sind.
InVeKoS und Satellitendaten
Zwar kamen innerhalb des Verwaltungssystems InVeKoS in den vergangenen Jahren Satellitendaten bereits an vielen Stellen zum Einsatz. Mit der Umstellung des Kontrollsystems auf AMS wird dies aber stark zunehmen. Spezialist für InVeKoS-Fachanwendungen ist das Unternehmen GDV mbH aus Ingelheim. Dessen Produkte ETS-Reporter und GSAAcore sind speziell für InVeKoS-Aufgaben konzipiert. Elf Zahlstellen in Deutschland setzen diese bereits ein, daneben hat das Unternehmen einige internationale Kunden in diesem Umfeld. Die GDV hatte bereits ab 2003 Lösungen entwickelt, mit denen das im Jahr 1992 aus der Taufe gehobene InVeKoS auf eine GIS-Basis gehoben werden konnte, so dass eine auf realen Flächenangaben basierte Fördermittelverwaltung realisiert werden konnte (siehe Zeitleiste unten rechts).
Dies ist ein weiterer Meilenstein in der InVeKoS-Geschichte der GDV. 2018 wurde dabei ein wichtiger Meilenstein bei den Beantragungen von Zahlungen durch die Landwirte (elektronischer InVeKoS-Sammelantrag) erreicht. Seit 2018 muss dieser vollständig GIS-basiert durchgeführt werden. Die Grundlage dafür bietet die GeoSpatial Aid Application, von der Europäischen Union kurz als GSAA bezeichnet. Alle bewirtschafteten Flächen müssen demnach mit Hilfe von GIS-Funktionalität geografisch exakt erfasst werden.
Diese webbasierte Kommunikationsschnittstelle zwischen den Zahlstellen und den Antragstellern wird durch das AMS stark erweitert werden. Dafür bietet die GDV seit 2018 das Produkt GSAAcore an, das nach Angaben der GDV leicht bedienbar, flexibler anpassbar und gleichzeitig performant, sicher und skalierbar ist. GSAAcore basiert auf dem GeoSoftware Development-Kit der GDV (GSDK), dessen zentraler Bestandteil das Java API GDV-MapBuilder ist. Das System kann über Schnittstellen in nahezu jede bestehende Umgebung integriert und angebunden werden.
Aktuelles Projekt LEA in Rheinland-Pfalz
GDV-Meilensteine bei InVeKoS
2003: Die GDV erhält ersten Auftrag zur Entwicklung von Software zur Beantragung von Agrarförderungen in Hessen. Bisher war dieser Prozess rein papiergebunden. Die Grundlagen von LPIS entstehen. Die Software war bereits online-tauglich, aufgrund schlechten Mobilfunkempfangs wird dies jedoch von Landwirt:innen kaum genutzt.
2005: Produktivstart des ersten InVeKoS-Kontrollsystem LPIS Land Parcel Identification System auf GDV-MapBuilder-Basis. Erstmals wird GIS-gestützt nachgewiesen, welche landwirtschaftlichen Flächen gefördert werden.
2007: Erste GDV-Anwendungen zur Vor-Ort-Kontrolle auf Basis von GIS-Technologie.
2010: Realisierung der jährlichen Qualitätskontrolle für LPIS auf Basis des ETS-Reporters. Er bildet die von der EU-Kommission geforderten Verfahren ab. Markteintritt des ETS-Reporters.
2016-2018: Die GDV entwickelt eine web- und geobasierte Antragsstellung für Landwirte. Diese wird durch die jeweiligen Zahlstellen bereitgestellt. Frühere Antragsstellung in LPIS war überwiegend alphanumerisch ohne Geometrien. Ab 2018 ist die GDV-Lösung GSAAcore verfügbar.
Ab 2022: Erste Länder setzen AMS ein und integrieren entsprechende Workflows und Funktionalitäten in ihre LPIS-basierten Produkte.
Ab 2023: Veröffentlichung von Lösung für die jährliche Qualitätskontrollen für LPIS, GSAA und AMS (GSA-Reporter und AMS-Reporter).
Aktuell befindet sich GSAAcore bereits in einem Projekt im Einsatz, das auch AMS-spezifische Prozesse berücksichtigt. Die GDV hatte Ende 2019 in Rheinland-Pfalz die Ausschreibung für die Erstellung der E-Antragsplattform für den Agrarbereich gewonnen. Integriert ist die Web-Lösung LEA (Landwirtschaftlicher elektronischer Antrag) zur geobasierten Antragstellung durch die Landwirte. In LEA werden die Erfordernisse der neuen GAP-Periode vom Bundesland RLP bereits berücksichtigt. „Hier werden bereits viele AMS-spezifische Funktionen entwickelt und erprobt“, sagt Joachim Müller, Agrar-Experte bei der GDV.
Im Frühjahr 2022 ging die Plattform mit eingeschränktem Nutzerkreis in die Pilotphase. Landwirt:innen konnten dort webbasiert ihre Förderungen flächenspezifisch beantragen. Aktuell werden in die Plattform Prozesse aus dem Flächenmonitoring integriert. Vor allem werden dort die Möglichkeiten zur Kommunikation/Interaktion zwischen den Zahlstellen und den begünstigten Landwirt:innen ausgebaut. Dazu zählen webbasierte Benachrichtigungssysteme zur Übermittlung, Anzeige und Abarbeitung von erforderlichen Nachweisen. RLP wird damit bereits „Ready for AMS”.
Ein Spezialthema sind geogetaggte Fotos. Diese werden von den begünstigten Landwirt:innen in Fällen selber erstellt, falls etwa Flächendaten nicht ausreichend durch Satelliten (oder ergänzende Luftbilder) erfasst werden können oder Unregelmäßigkeiten auftauchen.
Die GDV hat bereits eine App für die Aufnahme solcher Fotos entwickelt, die Zahlstellen für Landwirt:innen bereitstellen können. So werden Fotos im Rahmen der Flächen-Überprüfung und -Validierung direkt in die gesamten Prozessketten rund um InVeKoS integriert.
Zentrales Produkt für das LEA-Projekt ist jedoch GSAAcore. „Damit unterstützen wir die Vereinfachung der Verwaltungsaufgaben, gleichzeitig werden die Beihilfeempfangenden aber viel enger in die Webplattform integriert“, so Müller. Denn die Zahlstellen müssen über InVeKoS auch wesentlich mehr kommunikative Prozesse mit den Antragsteller:innen abbilden, wodurch die eingesetzten Lösungen auch wesentlich dynamischer und interaktiver werden müssen. Zum Beispiel werden Landwirt:innen direkt benachrichtigt, wenn bestimmte Flächen nicht nach den EU-Vorschriften bewirtschaftet werden. „Es ist davon auszugehen, dass durch die Satellitenüberwachung Regelverstöße wesentlich besser identifiziert werden können, aber es wird auch Fehlinterpretationen im Rahmen der Auswertung der Satellitendaten geben, die richtiggestellt werden können“, beschreibt Müller.
Für die GDV geht die InVeKoS-Geschichte damit dynamisch weiter. Aktuell entwickelt das Unternehmen Lösungen wie den AMS-Reporter, die ähnlich wie der ETS-Reporter für die von der EU-Kommission vorgeschriebene jährliche Qualitätskontrolle der eingesetzten InveKoS-Systeme erforderlich sind. Da die Spezifikationen der jährlichen Qualitätskontrollen von der EU noch nicht veröffentlicht sind, ist die Lösung noch nicht auf dem Markt. (sg)