Das Thema Internet of Things (IoT) gilt als eines der wichtigsten Zukunftsthemen für Kommunen und Stadtwerke. Die übergreifende Vernetzung von der Sensorebene bis in einzelne Fachanwendungen verspricht nicht nur, neue Optimierungspotentiale zu erschließen. Mit dem IoT, dessen Voraussetzung eine umfassende Digitalisierung ist, werden auch große Chancen für neue Geschäftsprozesse und Services verbunden. Fehlt nur noch die Antwort auf die Frage: Wie erschließt man diese konkret? Kompetenzen bündeln, Integration weiter vorantreiben und kleine Schritte in das Neuland ermöglichen, so lautet die Kurzformel, mit der das mittelständische IT-Unternehmen GISA GmbH mit Hauptsitz in Halle an der Saale diese Zukunftsfrage angeht.
Nicht auf iMSys warten
Dabei stehen die Vorzeichen für eine große Marktdynamik sehr gut. Seit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewirtschaft aus dem Jahr 2016 ist klar, dass das Messwesen auf neue Füße gestellt wird. Moderne intelligente Messsysteme (iMSys) schaffen bei Haushalten und anderen Verbrauchern sowie Einspeisern eine neuartige, hochsichere Kommunikationsinfrastruktur, was völlig neue Geschäftsmodelle schafft, von der Stadtwerke oder auch neue Marktteilnehmer profitieren können. iMSys-basierte Energiekonzepte ermöglichen die Verteilung von Informationen über Verbrauch, Netz, Smart Home und Elektromobilität sowie innovative Steuerungskonzepte. „Auf dem Smart Metering basieren sowohl Smart Energy- als auch Smart City-Konzepte“, weiß Ingo Schöbe, Leiter Smart Utility Solutions bei GISA. Allerdings ist der letztendliche Startschuss für den Rollout von iMSys aufgrund fehlender Zertifizierung für die Kommunikationssicherheit (BSI) noch nicht gefallen.
„Doch je länger sich dies verzögert, desto mehr suchen Stadtwerke nach Alternativen auf dem Weg in die IoT-Welt“, so Schöbe. Beispielsweise beim Submetering, also dem Auslesen von Messwerten der Verbräuche (Strom, Gas, Wasser, Wärme, etc.), das ebenso einen massiven Digitalisierungsschub erfährt. Die Sensoren werden digital – und bereits heute werden funkbasierte Kommunikationsstandards genutzt, um die Messwerte fernauszulesen. Das ist Nichts anderes als ein Anwendungsfall von IoT. Im Kontext von Metering und Submetering entsteht also eine digitale Infrastruktur, die universell nutzbar ist. „Hier können neue Geschäftsmodelle auf Basis von IoT erschlossen werden“, sagt Schöbe. Seine Botschaft an Stadtwerke und Kommunen geht sogar so weit, dass diese bereits mit LoRaWAN erschlossen werden können, ohne dass iMSys implementiert sind. Immer häufiger suchen Stadtwerke und Kommunen, so GISA, nach Möglichkeiten, die Potenziale der Digitalisierung zu heben, ohne auf die Realisierung von 5G oder iMSys warten zu wollen.
Hauseigene Testumgebung
Aus diesem Grund baut GISA derzeit LoRaWAN-Netze an den eigenen Firmenstandorten auf und unterstützt auch den Aufbau einer freien TTN Community in Mitteldeutschland. Bei der Erschließung neuer Geschäftsanwendungen kooperiert das Unternehmen mit der ZENNER GmbH, mit der kürzlich auch eine strategische Partnerschaft in diesem Themenumfeld vereinbart wurde. In dieser Testumgebung entwickelt GISA Anwendungen für Techniksteuerung und Überwachung, Parkraummanagement und Luftqualität und erprobt gleichermaßen neue Geschäftsmodelle in der Praxis. An dieser Stelle bündelt das Unternehmen mit seinen fast 800 Mitarbeitern Know-how aus verschiedensten Projekten.
Bereits heute hat GISA unterschiedliche Optimierungspotenziale identifiziert, die mit Smart City-Lösungen adressiert werden können. Diese weichen aber zum Teil von den viel zitierten Beispielen ab. Bei der Müllentsorgung etwa gehe es nicht unbedingt darum, beständig neue Routen für die Entleerungstouren zu berechnen, sondern zum Beispiel um das Management von Sondersituationen: Wenn die Verantwortlichen mitbekommen, wann und wo ein Behälter übervoll ist, kann schneller und effektiver reagiert werden. IoT schafft einen schnellen Überblick über die Lage und skizziert Lösungsvorschläge. „Es geht immer darum, gemeinsam Anwendungsfälle zu entwickeln, die technische Machbarkeit zu beachten und die Optimierungspotenziale im Blick zu behalten“, so Schöbe. Insbesondere IT-Abteilungen seien treibende Kräfte, denn dort habe man verstanden, dass die Konzepte einfach umzusetzen seien und die Daten günstig sowie zuverlässig zur Verfügung stünden. „Unserer Erfahrung nach wollen Stadtwerke eine integrierte Lösung. Als Spezialist für die IT-Integration fühlen wir uns gut aufgestellt für das Zeitalter der Smart City“, so der Bereichsleiter.
IoT-Anwendungsfälle identifiziert
Einen weiteren Anwendungsfall hat GISA bereits im Spreewald konzipiert, bei dem Wasserpumpen im Mittelpunkt stehen, die in der Region eine herausragende Bedeutung für den Umweltschutz haben. In fast jedem Wohnhaus wird vom Abwasserzweckverband eine solche betrieben. Diese drohen vor allem im Zuge der Entsorgung von synthetischen Textilien (Windeln, Einweg-Waschlappen etc.) über die Abwasserkanäle zu verstopfen. Die Lokalisierung solcher Störungen ist aber eine Herausforderung. „Hier bieten sich die IoT-Vernetzung der Pumpen und die Darstellung der Störungen in einem GIS an. LoRaWAN ist dort als Kommunikationstechnologie ohnehin sehr geeignet, da die Netzabdeckung des Mobilfunks nicht ausreicht“, beschreibt Hannah Zerjeski, Entwicklungsberaterin bei GISA.
„Gerade in der Verschneidung von IoT- und GIS-Daten liegt enorm viel Potenzial“, stimmt Schöbe zu. Die Darstellung von Echtzeitdaten biete eine neue Quelle für die Visualisierung, Speicherung und Analyse spezieller Sachverhalte. Das GIS wird also dynamisch, wie beispielsweise auch bei Ortsnetzstationen, einem weiteren Projekt der GISA. Dazu hat das Unternehmen ein Portal aufgebaut, in dem Daten von Ortsnetzstationen dargestellt werden, die via IoT angeschlossen sind. Gezeigt wird beispielsweise der Status der Netzverfügbarkeit der Station in Echtzeit. „Aktuell führen wir eine Machbarkeitsstudie zu dem Thema durch“, sagt Schöbe.
Synergien mit GIS, BIM oder AR
Im Rahmen des Aufbaus eines firmeneigenen LoRaWAN-Netzes will das Unternehmen auch Zustandsdaten von Gebäuden und angrenzenden Flächen sammeln, etwa von Parkplätzen. „Der Belegungszustand wird dabei erfasst und den Mitarbeitern gezeigt, wo freie Parkplätze vorhanden sind“, erklärt Zerjeski. Parallel dazu zapft das Unternehmen Know-how aus anderen Fachbereichen an, beispielsweise aus der 3D-Modellierung von Gebäuden und Liegenschaften. Die GIS-Daten der Gebäude dienen gewissermaßen als kartographische Grundlage für die Datenvisualisierung und -auswertung. „Hier denken wir über die IoT-Anwendungen hinaus und verknüpfen die Sensordaten in Richtung Building Information Modeling (BIM) und Augmented Reality (AR)“, beschreibt Zerjeski. (sg)