Digitale Souveränität ist das Leitthema des GeoIT- Lösungshauses con terra auf der INTERGEO. Das schließt die Perspektive der Öffentlichen Verwaltung, der Privatwirtschaft und auch das eigene Portfolio mit ein.

Der Branchenverband BITKOM beschreibt die Digitale Souveränität als die Fähigkeit, „selbstbestimmt und selbstbewusst zwischen Alternativen leistungsfähiger und vertrauenswürdiger Partner zu entscheiden. Foto: Shutterstock
Das von der Bundesregierung ausgerufene Leitmotiv „Digitale Souveränität“ ist ein komplexer Begriff mit vielen Facetten. Die einen sehen darin die Überwindung einer Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von US-amerikanischen oder chinesischen Firmen. Die anderen nutzen den Slogan, um die Hinwendung zu Open Source-Lösungen zu propagieren, bei denen das Fehlen von Lizenzgebühren als Verlust einer kommerziellen Fesselung betrachtet wird. Schon im Jahr 2015 hatte der Branchenverband BITKOM schon eine Definition geliefert: Souveränität beschrieb er als Fähigkeit „selbstbestimmt und selbstbewusst zwischen Alternativen leistungsfähiger und vertrauenswürdiger Partner zu entscheiden“.
Aktuell tritt die Münsteraner con terra GmbH mit dem Schlagwort „Digitale Souveränität“ auf der INTERGEO auf. Was also versteht der GeoIT-Lösungsanbieter, der als Esri Partner für kommerzielle Software steht, aber gleichermaßen eigene Lösungen und Open Source Komponenten in sein Produktportfolio integriert hat, unter dem Ansatz?
Zeitgeist fördert die Idee
„Wir stellen fest, dass beschleunigt durch Pandemie und aktuelle politische Entwicklungen das Motiv der Souveränität bei Behörden und Kommunen massiv an Bedeutung gewinnt“, sagt Christian Elfers, Chief Technology Officer bei dem Lösungsanbieter. Es werde den Kunden immer wichtiger, bei der Realisierung der Lösung offen zu kommunizieren, transparent beraten zu werden und proaktiv sowie gleichberechtigt bei der Entwicklung teilzunehmen. „Hinzu kommt, dass immer mehr Lösungsbausteine projektübergreifend genutzt werden und sich länderübergreifende Communities bilden, die gegenseitig voneinander profitieren”, beschreibt Elfers. Es gehe für die Kunden darum, die richtige Balance zwischen Vertrauen, Verbindlichkeit und Verlässlichkeit zu finden.
Die Aufgabe von con terra sei es dabei in gleichem Maße, offen und flexibel gegenüber den jeweils besten Lösungsstrategien zu sein. Die alleinige Fokussierung auf Open Source oder auch kommerzielle Software ist also zu kurz gedacht. Mitunter werden diese, so Elfers, sogar ideologisierend und manchmal stark emotionalisierend vertreten, was, eine schlechte Voraussetzung für das Finden und Realisieren des optimalen Weges sei.
Souveränität in GeoIT-Lösungen hat verschiedene Ebenen
Den optimalen IT-Einsatz wollte das Konzept der Digitalen Souveränität aus einer rein sachlichen Intention heraus vermeiden, als es erstmals im Jahr 2015 vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel formuliert wurde. Die Abhängigkeit von einem Anbieter oder einem allgemeingültigen Lösungskonzept sollte gemindert und so die Software maximal in den Dienst der Kundenanforderungen gestellt werden.
Um diesen Ansatz zu konkretisieren und mit Leben zu füllen, betrachtet con terra die Digitale Souveränität auf drei Ebenen: Daten, Architektur, Software-Artefakte (also die eigentlichen Module). Die Datenebene steht nicht umsonst an erster Stelle. „Es ist das ‚Hab und Gut‘ des Anbieters und seiner Dienste“, so Elfers. Die Digitale Souveränität sollte erfahrungsgemäß also rund um die Daten herum konzipiert werden. „Der vollständige Zugriff auf die digitalen Assets und deren rechtssichere Verwaltung müssen zu jeder Zeit gegeben sein“, beschreibt Elfers. Wobei die personenbezogenen Daten aus Gründen des Datenschutzes das höchste Level innerhalb einer hierarchischen Differenzierung der Daten darstellen sollten.
Die Architektur der IT als zweite Ebene bildet für con terra das Rückgrat der digitalen Lösung. „Souverän heißt hier, Lösungen durchgängig einfach und modular aufzubauen“, so Elfers. Die Module sind maximal autonom und kommunizieren über Schnittstellen miteinander, die möglichst bekannt, einfach und standardisiert sind. Die Standards stammen aus Richtung Geo/OGC/Inspire, umfassen aber auch allgemeine, marktübliche IT-Standards. Durch Austauschbarkeit auf Ebene der Module unterstützt eine solche Architektur die permanente Adaptions- und Ausbaufähigkeit des gesamten digitalen Service.
Die Fragen nach dem Einsatz von Modulen, con terra bezeichnet diese dritte Ebene auch als Artefakte, werden in den Projekten in deren jeweiligen Kontext (und nicht im Sinne einer gesamten Lösungsstrategie) beantwortet. Die Entscheidungen sind dabei jederzeit reversibel, da Artefakte austauschbar sind. „Die Auswahl ist in der Regel individuell und wird durch denjenigen getroffen, der den digitalen Service Kunden oder Lieferanten anbietet“, so Elfers.
Projektkultur ist entscheidend
Fragestellungen in Projekten sind, welcher Level der Zugänglichkeit zum Source-Code erforderlich ist, wie die Wirtschaftlichkeit bewertet wird oder welche Verfügbarkeit an Personal und Knowhow vorhanden ist. Gleichzeitig müssen das Betreiberkonzept passen und das entsprechende Level an Sicherheit und Datenschutz gewährleistet sein. „Die Frage, ob dafür entweder eine Open Source- oder eine kommerzielle Lösung zum Einsatz kommen soll, ist nicht zielführend, bedient nur gängige und überholte Klischees und macht sachlich wenig Sinn“, so Elfers.
Viel wichtiger sei, dass alle Mitglieder bei Projekten ausreichend informiert sind, um ihre Position im Feld dieser Faktoren entwickeln zu können. „Eine solche Projektkultur zu erzeugen ist daher eine unserer wesentlichen Aufgaben als Lösungspartner“, beschreibt Elfers die Rolle seines Unternehmens. Dazu benötige es neben fachlichem Wissen vor allem ein offenes Kommunikationsumfeld. Dies funktioniert, so der IT-Experte, dann am besten, wenn alle Partner gemeinsam einen einzigen, möglichst souverän handelnden Akteur bilden. „Ist der Kunde Teil des Teams, sind die Chancen am größten, dass am Ende die bestmöglich balancierten Lösungen herauskommen.“
Das Motto der Digitalen Souveränität schlägt sich schließlich auch in dem Projektansatz der con terra nieder, dessen Phasen in Design, Build, Run und Evolve aufgeteilt sind. Zu Projektbeginn werden Anforderungen und Problemstellungen analysiert, um einen Plan für die Zielarchitektur zu entwickeln. „In der Design-Phase ist die Digitale Souveränität bereits der entscheidende Aspekt“, so Elfers. Build bezeichnet dann die eigentliche Realisierung der Lösung, Run die Findung des geeigneten Betreiberkonzepts und Evolve die ständige Evaluation und Weiterentwicklung, die die Souveränität über den gesamten Lebenszyklus von Softwareprojekten streckt.
Beispiele aus den con terra-Projekten
Für die con terra ist es sehr wichtig, dass die Digitale Souveränität nicht als „Alter Wein in neuen Schläuchen“ relativiert wird. Besonders weit fortgeschritten ist der Ansatz beispielsweise in der Forstwirtschaft, wo con terra seit vielen Jahren aktiv ist. Hier gab es bereits 2010 von verschiedenen Kunden den Wunsch, über Web Apps umgesetzte Fachworkflows auch offline auf der Fläche verfügbar zu haben. Hintergrund dabei war, die bisherigen Umsetzungen mittels Webtechnologien möglichst umfangreich weiternutzen zu können. „Bereits damals war eine enge Abstimmung und eine intensive Kommunikation mit dem Kunden entscheidend bei der Frage, welche die geeignete Infrastruktur für diese Anforderung ist“, sagt Martin Stöcker, Teamleiter Forestry bei der con terra. So sind im Laufe der Zeit bei con terra unter anderem spezifische Komponenten für die Entwicklung von Offline-Apps entstanden. Mit dem offenen Codes der Offline-Module haben die nutzenden Organisationen die Möglichkeit, selber Anpassungen und Ergänzungen durchzuführen. Weiterhin werden die umgesetzten Apps und Funktionen untereinander bereitgestellt und ausgetauscht.
Ein weiteres Beispiel aus dem urbanen Umfeld ist eine „Street Smart Bundle“ genannte Komponente, welche die nahtlose Integration von 360° Panoramabilder in Kundenanwendungen ermöglicht. Initiiert wurde die Entwicklung durch ein Ingenieurbüro, die resultierende Komponente wurde dann im con terra DeveloperNetwork kostenfrei bereitgestellt. Andere Kunden erweiterten die Funktionalität und gaben auch dies der gesamten Anwender-Community zurück.
„Diese Form der Zusammenarbeit wird von con terra gezielt gefördert, insbesondere mit dem con terra Developer Network. Kunden verstehen viel besser den gesamten Entwicklungsprozess und umgekehrt die con terra Mitarbeiter auch die Anforderungen der Kunden. Man ist viel mehr miteinander unterwegs“, fasst Christian Elfers zusammen.