Die Erzeugung von Wärmebilddaten aus dem Flugzeug nimmt zu. Treiber sind Wärme- und Klimawandel, aber auch technologische Entwicklungen. Das Thema erfordert jedoch viel Know-how.

Aufnahme eines Leitungsnetzes in der Infrarot-Wärmekarte. Inzwischen können die Infrarotdaten nicht nur Wärmeunterschiede sehr genau erfassen, sondern bieten auch für die Befliegung eine gute geometrische Auflösung. Foto: Scandat GmbH
Wärmebilder liefern wertvolle Informationen zu Mängeln über technische Anlagen, Wildtiere in Wiesen und Wäldern oder über Defekte an Solarmodulen. Sie werden erzeugt mit speziellen thermischen Kameras, die Infrarotstrahlung abbilden können und die es bereits seit den 1930er Jahren gibt. Entdeckt wurde die Strahlung, die für das menschliche Auge nicht sichtbar ist (Infrarot) und im Wellenlängenbereich von 780 Nanometern bis hin zu einem Millimeter von dem deutsch-britischen Astronomen William Herschel Jahr 1800. Infrarot bildet also rein physikalisch einen viel größeren Bereich ab als das sichtbare Licht (panchromatisch), was zugleich einen Hinweis auf die Komplexität gibt. Infrarot ist vielschichtig und ist von anderen Gesetzmäßigkeiten geprägt, als es die Seherfahrung des Menschen im sichtbaren Bereich vermuten lässt. Dementsprechend erfordern Infrarotmessungen auch spezielles Know-how.
In den letzten 25 Jahren hat sich die Thermografie im Allgemeinen und die luftgestützte Anwendung im Besonderen aus den technologischen „Kinderschuhen“ heraus zu einem anerkannten Messverfahren entwickelt. Zuvor war die Wärmebildtechnik vor allem dem Militär vorbehalten. Neue, kostengünstig herzustellende Varianten haben dafür gesorgt, dass Infrarot sogar im Hobbybereich angekommen ist.
Vor allem der Klimawandel und energetische Fragestellungen erfordern heute den Einsatz großflächiger, systematischer Erfassungen im zivilen Bereich. Auch im Bereich der Fernwärme entsteht neuer Bedarf. Im Zuge der Dekarbonisierung besteht ein verstärktes Interesse an Fern- und Nahwärmekonzepten, so dass auch die entsprechenden Netze und deren Zustand in den Fokus der Betrachtungen rücken. Die luftgestützte Thermografie gilt heute als effizientes Verfahren zur Zustandsbewertung und Leckortung von Fernwärmeleitungen. Gerade die luftgestützten Anwendungen erfordern aber, was im Zuge der Verbreitung der Thermografie oft übers hen wird, ein hohes Maß an Know-how und bedürfen auch vor dem Hintergrund der Projektbeauftragung und -vergabe einer besonderen Betrachtung.

Typisches Flugzeug für die Befliegung inklusive Kamera vorne. Infrarotbefliegungen werden oft Nachts durchgeführt, wodurch es erhöhte Anforderungen für Fluggenehmigung und Lärm gibt. Quelle: SCANDAT/Diamond Aircraft
Anspruchsvolle Technik
Die Infrarotmesstechnik (umgangssprachlich Thermografie genannt) gibt es heute in allen möglichen Varianten, von der einfachen Bolometerkamera bis zur High-End-3D-Thermokamera. Im Sprachgebrauch unterscheidet man zwischen Infrarotkameras, die auf den nahen Infrarotbereich fokussieren und Restlicht benötigen, und Wärmebildkameras, die ein breiteres Wellenspektrum erfassen können, damit feiner auflösen und auch bei völliger Dunkelheit arbeiten. In der Praxis, insbesondere bei anspruchsvollen Anwendungen, ist es jedoch notwendig, die Thermografie noch weiter zu verfeinern, um zu sinnvollen Projekten zu kommen.
Vor diesem Hintergrund hat die Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (AGFW) e.V. die Praxishilfe „Thermografische Zustandsanalyse von Fernwärmenetzen mit Luftfahrzeugen“ herausgegeben. Maßgeblich unterstützt wurde diese Hilfe von Hans-Jörg Krickau, der auch Inhaber der SCANDAT Gesellschaft für innovative Fernerkundungstechnologien mbH ist, die sich seit Jahren auf dieses Themengebiet spezialisiert hat. Inzwischen ist Krickau nur noch beratend am Markt tätig und versucht, das über Jahrzehnte erworbene Know-how weiterzugeben. „Es besteht vor allem die Gefahr, dass die Technik durch falsche Anwendung, Auslegung oder Auswertung nicht die erwarteten Ergebnisse liefert und dadurch allgemein in Verruf gerät“, sagt Krickau. Dann ist die Thermografie anspruchsvoll, hat praktische Grenzen und bietet im Vergleich zur Bildtechnik wesentlich mehr technische Unterschiede, die es zu beachten gilt.
Unterschiede bei der Wellenlänge
Dazu ist es notwendig, das Wellenspektrum der Infrarotstrahlung zu verstehen. Man unterscheidet das nahe Infrarot von 780 nm bis 3000 nm (das entspricht 3 Mikrometern, der üblichen Messgröße im Infrarotbereich), das mittlere Infrarot (entspricht 3 μm bis 9 μm) und den langwelligen Bereich von 8 μm bis 15 μm. Grundsätzlich gilt: Je wärmer ein Körper ist, desto kürzer ist die Wellenlänge, d.h. desto näher liegt der Nanometerbereich. Für die Leckortung ist jedoch ein niedriger Temperaturbereich interessant. So wird z.B. meist die Erwärmung der Ummantelung einer Fernwärmeleitung gemessen, z.B. eines Straßenkörpers, der mehrere Meter betragen kann und an dessen Oberfläche die Temperatur nur um wenige Grad ansteigt. Das allein kann schon ein zuverlässiger Hinweis auf einen Schaden sein, aber dazu muss die Kamera in der Lage sein, diese kleinen Temperaturunterschiede fein aufgelöst abzubilden. Solche Kameras sind auf den langwelligen Bereich (8 μm bis 15 μm) spezialisiert und liefern Unterschiede bis weit unter 0,1 Kelvin. Das Angebot an Wärmebildkameras ist jedoch groß und sehr differenziert. Kameras zur Waldbranddetektion haben sehr unterschiedliche Spezifikationen und arbeiten im nahen und mittleren Infrarotbereich.
Weitere Unterschiede ergeben sich aus dem Konstruktionsprinzip der Kameras. Die Kameraspezifikationen sind auf das Konstruktionsprinzip der Kameras zurückzuführen. Es gibt flüssigkeitsgekühlte Systeme, bei denen die Detektoren stark gekühlt werden (üblich sind etwa -190 Grad Celsius), um die Messqualität zu erhöhen. Diese Systeme sind zwar kostenintensiv, aber in Bezug auf Auflösung und Messgeschwindigkeit (analog zur Verschlusszeit einer optischen Kamera) für den fliegenden Einsatz im Flugzeug unerlässlich. Der erforderliche Wellenlängenbereich liegt ebenfalls bei 8 μm – 14 μm mit einer minimalen Pixelauflösung von 640 x 512 Pixel. Der Richtwert für die Bodenauflösung beträgt 25 cm. Die geforderte Temperaturauflösung von 0,1 Kelvin ist bei modernen Thermografiegeräten in der Regel bereits ab Werk gewährleistet. Laut AGFW-Praxishilfe sollten die Thermografiegeräte innerhalb der letzten zwei Jahre kalibriert worden sein. „Insgesamt sind aufgrund der Befliegungen kaum Angebote von der Stange möglich, vielmehr gilt es, die Anforderungen im Projekt genau zu definieren und diese dann präzise in die Vergabeprozesse einfließen zu lassen“, so Krickau. So ist es auch heute noch üblich, dass Messgeräte von anderen Firmen oder Institutionen (z.B. DLR) ausgeliehen werden.
Datenauswertung

Moderne Infrarotkameras sind in der Lage, auch bei vergleichsweise kalten Körpern wie etwa Straßen Temperaturunterschiede von wenigen Grad zu erkennen, die auf eine defekte Fernwärmeleitung im Untergrund hinweisen können. Die Rohdaten sind in Grauwerten abgestuft, zur intuitiveren Visualisierung werden sie in bunte Karten (oben) „umgerechnet“. Foto: Scandat GmbH
Die thermischen Rohbilddaten werden radiometrisch korrigiert und anschließend georeferenziert. Das Ergebnis ist eine thematische Thermalkarte im regionalen Koordinatensystem. Die Auswertung erfolgt in zwei Varianten, einmal als Karte und einmal als numerische Version in Tabellenform, in der die thermischen Anomalien den im GIS vorhandenen Infrastrukturelementen räumlich zugeordnet werden. Die erfassten thermischen Anomalien werden in der Regel farblich klassifiziert, wobei das Ampelprinzip rot/gelb/grün üblich ist. Für die Auswertung spielt die Modellierung der physischen Gegebenheiten eine große Rolle, da die Wärmestrahlung eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt. Wichtig ist die sogenannte Transmission, also die Durchlässigkeit von Körpern für Strahlungen anderer Körper, was der typische Fall ist, wenn eine Fernwärmeleitung baulich überdeckt ist. Bis zu einer Überdeckung von ca. 2 -2,5 m sind die Erkenntnisse bezüglich Leckagen und schweren Schäden in der Regel sehr belastbar, wobei die Wärmeleitfähigkeit der Überdeckung eine entscheidende Rolle spielt. Es macht beispielsweise einen Unterschied, ob das Leitungsnetz in Sand, Lehm- oder Lössböden liegt. „Hier muss eine Menge thermografisches Know-how in die Auswertung fließen, sonst ist kein Verlass auf die Ergebnisse“, beschreibt Krickau. Schließlich könnten aus Fehlinterpretation teure Maßnahmen wie etwas überflüssige Aufgrabungen oder teure Folgeuntersuchungen resultieren, und dann das Vertrauen in die Thermografie allgemein belasten würde.
Äußere Randbedingungen
Die Befliegung ist theoretisch ganzjährig möglich, in der Praxis gibt es aber Limitationen. Befliegungen erfordern trockene Witterungen, geringe Luftfeuchte, wolkenlosen Himmel und vor allem eine möglichst niedrige Temperatur (unter 5 Grad Celsius) während der Heizperiode. In der Regel wird daher nachts beflogen, ab zwei Stunden nach Sonnenuntergang da hier Reflexions- und Störquellen am Boden weitestgehend entfallen sind und die Temperaturdifferenzen (zwischen schadhaften und den angrenzenden, normalen Zonen) größer geworden ist. Dies spielt insbesondere bei unterirdischen Störungen eine Rolle, bei denen Fernwärmeleitungen etwa direkten Straßenbereich überdeckt sind. Die praktisch nutzbare Flugzeit ist daher insgesamt gering und die Projektplanung folglich anspruchsvoll. Zeitpunkt dafür sind die Heizperioden, daher sollten, so Krickau, die Vorbereitungen bis spätestens zum Ende des Kalenderjahres abgeschlossen sein. Wichtig sind auch die Fluggenehmigungen, die beim nächtlichen Flugbetrieb besondere Beachtung finden müssen. Für großflächige Inspektionen ist ein Tragflächenflugzeug mit Nachtfluggenehmigung, einem entsprechendes Lärmschutzzeugnis sowie die Einhaltung der aktuell geltenden Co2-Rechtsvorschriften vorgeschrieben. Bei kleineren Netzen ist auch die Verwendung von UAV möglich, die allerdings nur tagsüber in bewohntem Gebiet erlaubt ist (mit gesondertem Genehmigungsverfahren).