Warum hat der Karlsgraben einen s-förmigen Verlauf? Lange wurde darüber spekuliert. Geographen und Archäologen der Universitäten Leipzig und Jena ist es nun gelungen, diese alte Frage in ihrer im Fachmagazin PLOS ONE publizierten Studie zu beantworten.
Der Karlsgraben in Mittelfranken/ Bayern ist eines der bedeutendsten Infrastrukturprojekte des Mittelalters: Karl der Große versuchte 792/793 n. Chr. mit dem Graben eine schiffbare Verbindung zwischen Rhein und Donau zu schaffen. In der Gegenwart stellt der auffällig s-förmige Verlauf Forscher vor ein Rätsel. Bisher wurde auf den Wechsel des geologischen Untergrunds spekuliert, der diesen Verlauf bedingt. Johannes Schmidt vom Institut für Geographie der Universität Leipzig, sein Kollege Prof. Dr. Christoph Zielhofer sowie Dr. Lukas Werther, Archäologe der Friedrich-Schiller-Universität Jena, gruben tiefer nach den Gründen für den Verlauf des Karlsgrabens. „Wir wollten nun die topographischen Bedingungen zur Bauzeit rekonstruieren und haben digitale, lasergestützte Höhenmodelle mit aktuellen Landnutzungsdaten und historischen Karten verschnitten“, beschreibt Schmidt. Ein neu entwickeltes, computergestütztes Verfahren ermöglichte es, vom Menschen verursachte – sogenannte anthropogene – Veränderungen des Reliefs wie Straßen und Aufschüttungen aus diesen Höhenmodellen zu entfernen.
Bauleistung ihrer Zeit weit voraus
Die Forscher konnten auf Basis dieses von menschlichen Einflüssen bereinigten Reliefs jenen Verlauf des Kanals modellieren, bei dem die damaligen Arbeiter das geringste Erdvolumen bewegen mussten. „Wir konnten feststellen, dass dieser nach modernen Kriterien bestmögliche Trassenverlauf tatsächlich dem von den frühmittelalterlichen Baumeistern gewählten, s-förmigen Verlauf des Kanals entspricht“, fasst Prof. Dr. Zielhofer die Ergebnisse zusammen. Der Verlauf des Kanals zeigt somit eine eindeutige Abhängigkeit von der Topographie, also dem natürlichen Relief der Erdoberfläche – und nicht alleine vom Wechsel des geologischen Untergrunds, wie bisher angenommen.
Einige kleinere Abweichungen vom Verlauf mit dem absolut minimalsten Aushubvolumen haben den Forschern nach wahrscheinlich hydrologische Ursachen. An kritischen Stellen nahmen die Baumeister ein etwas größeres Erdvolumen womöglich aus dem Grund in Kauf, um besonders feuchte und statisch problematische Bereiche zu vermeiden und damit die Stabilität der Böschungen weiterhin zu gewährleisten. Fest steht nach den Ergebnissen der Studie: Der Trassenverlauf des Karlsgrabens folgt einem idealen Kompromiss aus minimalem Aushubvolumen und der Vermeidung kritischer Feuchtzonen – eine Ingenieurs- und Planungsleistung, die ihrer Zeit weit voraus war.