Die Umstellung auf den Standard XPlanung ist zwar deutschlandweit in vollem Gange, besonders bei den Großstädten. Doch es gibt noch immer Akzeptanzprobleme. Zum Beispiel auch, weil die Anforderungen an die Erstellung der Bebauungspläne (B-Pläne) selbst sich erhöhen. Die Vorteile erschließen sich in der Regel erst dann, wenn man eine übergreifende, homogene Prozesskette sieht, bei der alle Beteiligten auf einer einheitlichen Plattform arbeiten. Großstädten wie Hamburg, das ohnehin bei der Umsetzung von XPlanung eine Leuchtturmfunktion hat, ist dieser Umstand durchaus bekannt. Sie setzen daher auch umfangreiche Mittel und Ressourcen ein. Doch lohnt sich das „Hamburger Modell“ auch für kleinere Städte und ist dies überhaupt mit weniger üppigen Ressourcen umsetzbar? Diese Frage kann die Stadt Freiburg mit einem klaren Ja beantworten. Sie geht die Umstellung mit einem ganz ähnlichen Ansatz wie die Hansestadt an. Nicht nur die Erstellung und Migration der B-Pläne in den neuen Standard werden konsequent umgesetzt, die Breisgauer haben auch eine digitale Austauschplattform realisiert, die als Datendrehscheibe zu den externen Dienstleistern für die Erstellung und Fortführung der B-Pläne dient oder auch den Bürgerbeteiligungsverfahren zuspielt. Die Motivation für die 230.000-Einwohner-Stadt für ein solch ambitioniertes Modell war vielschichtig.
Zunächst entwickelt die Stadt Freiburg derzeit eine Digitalisierungsstrategie, die im Dezember vorgelegt werden soll. Deren Grundzüge sind beschlossen: „Wir verstehen sie als Bestandteil einer integrierten Stadtentwicklung, bei der Transparenz, Beteiligung und Kommunikation wie eine ‚DNA‘ der Kommune eingeschrieben sind“, heißt es auf der Homepage der Stadt. Dieser Ansatz kann auch auf das XPlanungs-Projekt angewendet werden. „Wir wollen hier keine Fassadendigitalisierung machen, bei der nur einzelne Bestandteile digitalisiert werden, sondern denken in übergeordneten Prozessketten“, sagt Michael Schulz, IT-Leiter im DIGIT, dem Fachamt für Digitales der Universitätsstadt. Seit einigen Jahren wird der Datenaustausch bei Stadt- und Raumplanung mit den externen Planern bereits workfloworientiert umgesetzt – nur eben noch nicht mit XPlanung.
Open-Source-Ansatz
Um das zu ändern, fiel die Wahl auf die Softwarelösung xPlanBox der Firma lat/lon aus Bonn, die seit April 2019 im Einsatz ist und gewissermaßen eine digitale Austauschplattform darstellt. xPlanBox ist eine auf dem Open Source Framework deegree basierende Lösung, die speziell für XPlanung entwickelt wurde. deegree beherrscht komplexes GML und kann das Datenschema auch Client-seitig performant darstellen. „Das ist eine enorm wichtige Eigenschaft, um das GDI-Konzept auch für XPlanung umzusetzen“, so der studierte Geologe. Weitere Basisprodukte der xPlanBox sind GDAL, GeoTools, OpenLayers und PostgreSQL mit PostGIS. Das Softwarepaket setzt auf offene Standards des OGC und ergänzt damit die Freiburger Systemlandschaft im Bereich der Geodateninfrastruktur, bei der ohnehin viele Open-Source-Programme im Einsatz sind.
Den Zuschlag zum Aufbau einer Digitalen Austauschplattform hatte die Stadt im Rahmen des Förderwettbewerbs „Städte, Gemeinden, Landkreise 4.0 – Future Communities 2018“ des Landes Baden-Württemberg erhalten. Zu dem Freiburger Ansatz gehört auch, nicht nur Teile oder neue Pläne XPlan-konform zu erstellen, sondern alle vollvektoriell nachzuerfassen. Mit der dafür eingesetzten Lösung WS LandCAD von Widemann Systeme werden also auch bisher lediglich eingescannte, ursprünglich analoge Pläne bearbeitet. „Für alle Digitalisierungsprojekte ist es enorm wichtig, dass eine komplette und belastbare Datenbasis als Grundlage vorhanden ist“, so Schulz. So ist beispielsweise geplant, auch stadtweite Analysen und Erhebungen durchzuführen, die die B-Pläne heranziehen. „Es würde Digitalisierung als Gesamtes ad absurdum führen, nur Einzelbestände zu überführen“, so der Informatikexperte. Die gewünschte Teilautomatisierung der zukünftigen Prozesse rund um die Stadt- und Raumplanung seien eben nur bei größtmöglicher Vollständigkeit sinnvoll durchzuführen.
Freiburg hat insgesamt 750 B-Pläne, davon sind aktuell rund 200 überführt. Im Rahmen des Förderprojektes hatte Freiburg die Besetzung einer Personalstelle für 10 Monate bewilligt bekommen, die ausnahmslos für das XPlanungs-Projekt eingesetzt wird. In Zukunft geht es darum, auch ohne diese Ressource die Umstellung möglichst schnell umzusetzen. Die Grundlagen für die Überführung sind geschaffen. So existieren die Codelisten, die für die individuellen Klassifizierungen der Objekte notwendig sind genauso wie die Verwendung der aktuellen Katasterdaten aus dem ALKIS-Datenbestand für die Transformation. „Das funktioniert für den Datenbestand, der ab den 1990ern erhoben wurde, problemlos, nur bei älteren Plänen ist dies manchmal eine Herausforderung“, so Geoinformatik-Experte Schulz.
Homogenisierung
Eine Besonderheit der Stadt Freiburg liegt darin, dass B-Pläne teils intern, teils durch externe Planungsbüros erstellt werden. Das Verhältnis ist ungefähr 50 zu 50, sodass der verwaltungsinterne Aufwand für die Homogenisierung und Qualitätssicherung der Daten besonders hoch ist. „Das war ein wesentlicher Treiber für das Projekt“, verrät Schulz. Bereits früher gab es mit dem CAD-Handbuch einen Leitfaden für die Erstellung von B-Plänen, doch dies war nicht ausreichend. „Nicht nur die Layerstruktur ist ein immer wieder auftauchendes Thema, sondern auch das Einhalten der Genauigkeiten, die aufgrund von Lücken, Klaffungen oder Abweichungen verbesserungsfähig waren“, so Schulz. Von den rund 750 in Kraft getretene B-Plänen befinden sich rund 60 in Aufstellung, die dementsprechend oft für die Bearbeitung und Überprüfung ausgetauscht werden müssen.
Seit 2010 stehen die Freiburger B-Pläne bereits Diensteorientiert zur Verfügung. Die Geltungsbereiche (Rasterumringe) wurden bereits von Anfang an XPlan-konform als Download angeboten, auch als INSPIRE-konformer Dienst. Dies geschah im Rahmen der Geodateninfrastruktur (GDI), die schon seit über 10 Jahren existiert, aber bisher nur als reine Darstellungs- und Download-Dienste. Dabei sind die bisherigen Erfahrungen mit einer stadtweiten GDI sehr positiv, sodass man sie auch auf die XPlanung übertragen und die externen Planungsbüros möglichst eng prozesstechnisch anbinden wollte.
Genau dies leistet nun die xPlanBox. Da die Lösung von lat/lon auf den Standards des Open Geospatial Consortium und der INSPIRE-Richtlinie basiert, steht die Dienste-basierte Bereitstellung und Visualisierung der Daten im Vordergrund. Dazu verfügt die xPlanBox über weitere Komponenten: Den XPlanManager für das Datenmanagement und den XPlanValidator für die automatische Prüfung der Daten, die über die Anforderungen einer GDI-orientierten Datendrehscheibe hinausgehen und auch im Sinne der Qualitätssicherung fungieren.
Die Überprüfung der Konformität der Daten umschließt sowohl die geometrische als auch die syntaktische und semantische Validierung der Daten, sprich der Validator soll jene Aufgaben erledigen, die bisher im Amt manuell durchgeführt wurden. Später soll der Validator auch die speziellen Regeln der Stadt berücksichtigen. Dazu sollen etwa Codelisten oder bestimmte Konformitätsregeln hinterlegt sein, die für XPlanGML-Dateien gelten. Die Ausgestaltung dieser Anwendung ist aber noch nicht umgesetzt, in der aktuellen Phase geht es darum, den externen Planungsbüros das neue Verfahren erst einmal nahezubringen und sie dabei zu unterstützen, die neuen Anforderungen abzudecken. (sg)