Moderne Städte müssen künftig voraussichtlich ein Wechselspiel von Starkregenereignissen und Trockenphasen meistern. Dazu ist ein durch das Schlagwort „Schwammstadt“ umrissener Paradigmenwechsel beim Umgang mit dem Niederschlagswasser nötig. Auf der IFAT Munich, die vom 30. Mai bis zum 03. Juni 2022 in München stattfinden wird, werden Herausforderungen und Hemmnisse diskutiert sowie Lösungen und Best Practice-Beispiele präsentiert.
Im Zuge des Klimawandels werden aller Voraussicht nach auch Städte und Gemeinden in Deutschland künftig noch häufiger und stärker von Starkregen, Hochwasser, Hitzeperioden oder Trockenheit betroffen sein. Als eine der zielführenden Anpassungsstrategien gilt das Konzept der Schwammstadt. Dahinter steht die stadtplanerische Idee, möglichst viel Regenwasser durch urbane Grünzonen, Feuchtgebiete, Wasser- und Überflutungsflächen sowie Multifunktions-Speicherräume aufzunehmen, anstatt es sofort und direkt in Kanäle und Vorfluter abzuleiten. Im Idealfall soll es dadurch gelingen, nicht nur die Folgen von Unwettern abzudämpfen, sondern Regenwasser für nachfolgende Trockenperioden zu speichern. Mit dem so gespeicherten Wasser ließen sich dann beispielsweise Bäume und Grünflächen am Leben erhalten, die wiederum im Zusammenspiel mit begrünten Dächern und Fassaden zur Kühlung und Luftverbesserung der Stadt beitragen.
Pioniere in Asien und Europa
Nach asiatischen Vorreitern, wie beispielsweise Singapur, gibt es mittlerweile auch etliche europäische Städte, die ambitionierte Schwammstadt-Projekte vorweisen können. Als Pioniere gelten hier Kopenhagen und Wien. In der dänischen Hauptstadt wird bereits seit dem Jahr 2014 eine entsprechende Wasserbewirtschaftung umgesetzt. Dazu gehört zum Beispiel ein Netzwerk aus unterirdischen Entlastungstunneln oder die Bewässerung von Stadtgrün mit Wasser aus zentral gelegenen Kläranlagen.
In der österreichischen Hauptstadt Wien wiederum entsteht auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern ein neuer Stadtteil namens Seestadt. Zu den hier realisierten wasserbewussten Maßnahmen zählen unter anderem großzügige, zusammenhängend gestaltete Wurzelräume, die Niederschlagswasser speichern und über lange Zeiten an die Stadtbäume abgeben. Außerdem agieren in die Baumgruben integrierte und mit streusaltresistenten Stauden bepflanzte Sicker-, Filter- und Absetzbecken wie dezentrale Kleinstkläranlagen.
In Deutschland gilt Hamburg als Vorreiter einer Schwammstadt. In der Hansestadt konnten nach Angaben des Wasserversorgungsunternehmens Hamburg Wasser in den letzten Jahren zum Beispiel Neubaugebiete geschaffen werden, in denen das Regenwasser fast komplett abgekoppelt ist von der Kanalisation. Münster, Berlin, München, Ludwigsburg, Leipzig – auch diese Städte verfolgen jeweils unterschiedlich umfangreiche Schwammstadt-Konzepte. Zahlreiche weitere Städte haben weitere Projekte angekündigt.
Juristischer Rahmen
Damit dieser Wandel in Zukunft möglichst vielen Gemeinden und Städten gelingen kann, ist es wichtig, dass die verschiedenen Fachabteilungen der jeweiligen Kommune – neben der Stadtentwässerung ist das vor allem die Raum- und Verkehrsplanung sowie das Grünflächenamt – eng miteinander kooperieren und zusammenarbeiten. „Diese Zusammenarbeit beginnt idealerweise bereits in der Phase Null, also noch vor dem eigentlichen Projektbeginn“, betont Johannes Lohaus, Sprecher der Bundesgeschäftsführung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA).
Juristisch sind entsprechende Schwammstadt-Projekte auf der Grundlage des geltenden Rechts bereits heute möglich. Das Abwasserrecht des Wasserhaushaltsgesetzes und der Landeswassergesetze sowie das Baugesetzbuch erkennen der dezentralen Niederschlagsbewirtschaftung Priorität zu. „Der rechtliche Rahmen muss aber noch weiter im Sinne einer wasserbewussten Zukunftsstadt optimiert werden“, führt Lohaus aus. Unter anderem müsse im Wasserhaushaltsgesetz ein klarer gesetzlicher Auftrag zur Entwicklung der dezentralen Niederschlagsbewirtschaftung normiert werden, so der DWA-Sprecher weiter. Ergänzend sollten Bundesländer wasserrechtliche Möglichkeiten der Entgelt- oder Gebührenmitfinanzieren des Starkregenrisikomanagements schaffen. Diese Möglichkeit sehen die Landesgesetze nach Einschätzung des Experten derzeit noch nicht ausreichend vor.
IFAT-Kernthema Schwammstadt
Die wasserwirtschaftliche Anpassung von Städten und Gemeinden an den Klimawandel ist eines der Kernthemen der Weltleitmesse für Wasser, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft IFAT Munich 2022. So werden Partnerinstitutionen der Messe, wie das Bayerische Umweltministerium, die DWA und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), dazu passende Veranstaltungen im Konferenzprogramm der Messe organisieren. Zusätzlich plant der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), bei Messe-Touren gezielt Lösungen zu Starkregen und Überflutungsvorsorge zu präsentieren. (jr)