In einer Kurzstudie hat der ZVEI analysiert, wie sich das künftige Energienetz in Deutschland bis zum Jahr 2030 entwickeln wird. Dabei griffen die Experten auch auf Methoden des Geomarketings zurück.
Das wichtigste Fazit der „Studie zum Zukunftsbild Stromverteilnetze“: Die Veränderung des Energiesystems wird in vielfacher Hinsicht eine Modernisierung der Verteilnetze erfordern – weit über die physikalische Ertüchtigung hinaus. Digitale Technologien, die Netz- und Kundenanlagen einbinden, die aktive Teilnahme an Strom- und Flexibilitätsmärkten sowie neue Interaktionsformen mit dem Endkunden sind künftig unverzichtbar, damit die Verteilnetze nachhaltig funktionsfähig bleiben, so die im Auftrag des Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) erstellte Studie.
Die Studie beleuchtet daher auch soziologische Fragen: Wie gehen die Menschen mit ihrer neuen Rolle um, welche Gruppen und Akteure treiben neue Modelle nach vorne, welche halten sich eher konservativ an die bisherigen Rollen, Regeln und Marktgesetze, sowohl aus Sicht der Energie als auch des Verkehrs. Daher integrieren die Autoren der Studie (PricewaterhouseCoopers GmbH, Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung und TRENDONE GmbH) auch Methoden der Marktforschung und des Geomarketings. Entwickelt wurden fünf sogenannte Personas, die idealtypische Teilnehmer am Energienetz im Jahr 2030 darstellen. Drei der fünf Personas sind Haushaltskunden, davon eine Familie, die ein Einfamilienhaus bewohnt (Persona 1) und zwei Familien, die jeweils eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus bewohnen (Persona 2 und Persona 3). Zusätzlich sind ein Gewerbe- (Persona 4) und ein Industriekunde (Persona 5) abgebildet. Jede dieser Personas steht stellvertretend für eine Gruppe wichtiger Endkunden im Frame 2030.
Die Personas ermöglichen die Abbildung der Endkunden im Jahr 2030 als aktive Teilnehmer im Energiesystem und dadurch eine Bewertung des Einflusses von Veränderungen in ihrer energietechnischen Ausstattung und ihrem Verbrauchsverhalten auf das Verteilnetz. Zu den einzelnen Personas wurden beispielsweise Lastprofile für das Jahr 2030 entwickelt, die von den bisherigen Standardlastprofilen massiv abweichen. Dies soll Erkenntnisse über angeschlossene Verbraucher und Einspeisungen für eine Planung des Energiesystems und dessen stabilen Betrieb liefern. Viele Haushaltskunden werden einerseits durch dezentrale Erzeugung und das Verursachen starker Lastspitzen (insbesondere durch das Laden von Elektrofahrzeugen) für zusätzliche Netzbelastungen sorgen. Gleichzeitig können Flexibilitätsoptionen (Speicher, Lastverschiebung) und Home Energy Management Systems die Stromnetze stabilisieren.
Einfluß auf das Netz simulieren
Daraufhin untersuchte die Studie, welchen Einfluss die Personas und deren Last- und Einspeiseverhaltens auf den Niederspannungsbereich haben. Hierfür wurden unterschiedliche Netztopologien verwendet und die Auswirkungen auf die Stabilität der Netze untersucht. Dabei wurde auch die demografische Entwicklung für das Jahr 2030 berücksichtigt.
Dabei wird deutlich, wie hoch der Einfluss auf die Stabilität sein kann. Die Studie zeigt aber auch, wie ein progressives Lastverhalten der Personas Potentiale schafft, die Netzdienlichkeit zu steigern und damit die Netzplanung zu optimieren. Dies könne bereits bei geringer Durchdringung zu einer Entlastung des Verteilnetzes führen, so die Studie.
Es werden außerdem eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle entstehen, für die intelligente Stromverteilnetze mit Kommunikationseinheiten am Netzanschlusspunkt sowie entsprechende Backend- und mitunter auch IoT-Strukturen Grundvoraussetzung sein werden. (sg)