Wer verstehen möchte, wie die derzeitige GNSS-Entwicklung den Markt revolutioniert, sollte den Blick in die oberfränkische Gemeinde Markt Thurnau richten. Dort ist der Bautechniker Marcel Knapp angestellt, wo er vor allem für die Bereiche Wasser und Abwasser verantwortlich ist. Zu seinen alltäglichen Werkzeugen gehört seit letztem Jahr eine mobile GIS-Lösung (Hersteller RIWA GmbH), die es ihm ermöglicht, Geodaten im Feld via Smartphone oder Tablet aufzunehmen.

Der 10xx an einem Tablet im Einsatz in der Agrarwirtschaft. Zu sehen außerdem die externe Antenne der Lösung. Foto: ppm
Was ihn noch von den meisten Nutzern solcher mobilen Lösungen unterscheidet: Mit seinem Equipment kann er Daten in Zentimetergenauigkeit aufnehmen. Dazu benötigt er lediglich eine Smartantenne (Leica Geosystems GmbH), die an einem Messstab montiert ist, plus eine Software (ppm GmbH), die in die mobile GIS-Lösung integriert ist. „Damit kann ich auf einfache Weise Vermessungsarbeiten in den Arbeitsalltag integrieren und die Vermessungspunkte in Echtzeit sofort in die GIS-Anwendung überspielen“, berichtet Knapp.
Weitere Mitarbeiter seien in maximal einer Stunde in das System eingewiesen und könnten produktiv arbeiten. „Der Empfang ist quasi flächendeckend, es gibt kaum Orte, bei denen der Empfang keine Messung zulässt“, so Knapp. Zuvor habe er für solche Arbeiten externe Vermessungsbüros beauftragen müssen, was nicht nur kostenintensiv war, sondern auch für lange Wartezeiten hinsichtlich der Messpunkte gesorgt habe. „Heute bin ich wesentlich flexibler und schneller“, so der gelernte Bautechniker.
Das Beispiel Markt Thurnau zeigt, wie sich das Geschäft entwickelt: Kundengruppen wie kleine Gemeinden gehören nicht zu der klassischen Klientel der bisherigen Spezialanbieter von GNSS-Lösungen. Das liegt nicht an den funktionellen Möglichkeiten, sondern schlichtweg an den bisherigen finanziellen Einstiegshürden, die noch oft im fünfstelligen Bereich liegen. „Dabei ist die Erfahrung im Zuge der Einführung mobiler GIS-Lösungen die, dass Anwender die höhere Genauigkeit professioneller Lösungen durchaus fordern“, sagt Artur Brei, Niederlassungsleiter von RIWA GIS in Amberg.
Genauigkeit, Flexibilität und Einfachheit: Die wesentlichen Merkmale dieser Lösung resultieren aus der rasanten Entwicklung auf dem Markt für GNSS-Lösungen. „Wir erleben heute einen Wandel im Markt, der sich schon lange ankündigt und aktuell voll wirksam wird“, sagt Michael Singer, Geschäftsführer der ppm GmbH aus dem Süden Münchens. Das Unternehmen, das auch stark in der Automobilindustrie vernetzt ist und dort den massiven Einzug der GNSS-Technologie vor dem Hintergrund des autonomen Fahrens begleitet, ist auf GNSS spezialisiert und entwickelt auch eigene Lösungen für den Zentraleuropäischen Markt.
Kopplung von Mobile GIS an GNSS
Die mobilen Anwendungen von RIWA liegen dabei im Trend. Das Unternehmen zählt rund 700 Kunden, die das webbasierende geografische Informationssystem einsetzen, vor allem kommunale Verwaltungen und Industriebetriebe über die Grenzen Bayerns hinweg. Als Ergänzung des modular aufgebauten RIWA GIS-Zen- trums gibt es die Android-basierenden RIWA-Apps, die zur Bereitstellung, Erfassung und Fortführung von eigenen Geodaten eingesetzt werden. „Rund die Hälfte der Unternehmen setzen auf die mobilen Lösungen, Tendenz stark steigend“, so Brei. Und das Interesse an den genaueren Positionsdaten in der mobilen Anwendung komme quasi von selbst.
RIWA GmbH und ppm GmbH kooperieren aus diesem Grund seit dem Jahr 2015. In diesem Zuge entwickelte ppm den ppm GNSS Commander, der auch in Thurnau im Einsatz ist. Er koppelt professionelle GNSS-Systeme (in dem Fall von Thurnau ist dies ein Leica GG04plus) mit der RIWA-Karten-App, die in allen mobilen Fachapps des Herstellers integriert ist. Die auf Android basierende ppm GNSS Commander-App kümmert sich um den Datenaustausch, die Verwendung von Korrekturdaten und die Auswertung von Transformationen. Wobei die Transformation über vorgegebenen Projektionen oder auch online, mittels der RTCM Nachrichtentypen verarbeitet werden. Die RIWA KartenApp verwendet dann die örtlichen Koordinaten und Genauigkeitsdaten, sodass etwa Kanalschächte, Bäume, Schilder usw. zentimetergenau im GIS abgebildet werden können. RIWA GmbH fungiert auch als Vertriebspartner von ppm. ppm GNSS Commander ist dabei offen für andere GIS-Lösungen und wird bereits für andere Systeme projektbasiert eingesetzt.
Sinkende Preise verändern den Markt

Der 10xx hat kaum die Grundfläche eines Smartphones und kann mit einer Halterung einfach befestigt werden. So entsteht ein „handliches” Vermessungs-Smartphone. Foto: ppm
Für ppm steht die Entwicklung der GNSS- Technologie an einem entscheidenden Punkt. Das Unternehmen vertreibt für die Anforderung intelli- gente GNSS-Empfänger und Antennen verschiedenster Hersteller, unter anderem Trimble und Hexagon (NovAtel und Leica Geosystems), entwickelt aber auch eigene Produkte. „Sehr beliebt sind beispielsweise unsere 10xx GNSS Empfänger“, so Singer. Diese sind klein (10x5x3 Zentimeter), leicht (130 Gramm) und einfach anschließbar (per USB-Schnittstelle), was sie vor allem für den Einsatz mit Tablets oder Smartphones prädestiniert. Bisher war dieser Empfänger vor allem für Kunden interessant, die mit einer Genauigkeit bis zu 30 Zentimetern auskamen, aber die hohen Kosten für einen Mehr-Frequenz-Empfänger gescheut haben. Bisher lag der Preis für dieses Gerät bei rund 3.500 Euro.
Genau diese Preisschwelle sinkt aktuell rapide. Im Zuge der Adaption neuester Technologie auf dem Markt bringt ppm im August eine neue Version heraus, die nun nur noch 1.995 Euro kosten soll. Gleichzeitig unterstützt diese alle GNSS-Systeme mit nahezu allen Frequenzen und RTK-Funktion und „ist somit in der Lage, zentimetergenaue Positionen zu liefern“, so Singer. Zum Einsatz kommt dabei eine neu entwickelte Helix-Antenne, die mehrere Frequenzen und Satellitensysteme (L1/L2 GPS+GLONASS, E1/E5 Galileo, B1/B2 Beidou) unterstützt und damit eine robuste zentimetergenaue Echtzeit-Positionierung ermöglicht. „Auch der Chipdatensatz, der speziell für die Automobilindustrie entwickelt wurde, funktioniert hervorragend“, sagt Singer. Er ist überzeugt, dass mit diesen Entwicklungen ein massiver Marktumbruch stattfinden wird. „Die Zentimetergenauigkeit zu diesem Preis wird dafür sorgen, dass wir eine ähnliche Entwicklung wie im PC-Markt der 1990er Jahre sehen werden, als die ehemaligen Expertensysteme durch kostengünstigere Entwicklungen aus den Konsumentenbereich abgelöst und die Verbreitung der Computertechnik auf breiter Front ermöglicht wurden”, so Singer. Dann werden Anwendungen wie in der 4.000-Einwohner-Gemeinde Thurnau, ist der ppm-Geschäftsführer überzeugt, Normalität werden. (sg)