CycloMedia und das Ingenieurbüro Franz Fischer erstellen für die Stadt Luxemburg ein System zur Straßenzustandsanalyse. Grundlage dafür sind georeferenzierte 360 Grad-Panoramabilder und Laserscandaten der Straßenabschnitte.
Das Unternehmen Cyclo-Media Deutschland GmbH hat sich in den letzten Jahren mit der Befahrung von Städten und der Erstellung von 360 Grad – Panoramabildern (Cycloramas) in Deutschland einen Namen gemacht. Dabei schießt eine Spezialkamera, angebracht an ein Fahrzeug, alle fünf Meter eine Rundumaufnahme von einem bestimmten Straßenabschnitt, der mittels gängiger GIS-Lösungen virtuell betrachtet werden kann. Nun hat das Unternehmen sein Angebot um eine wesentliche Komponente erweitert. Zusätzlich zu den Bildaufnahmen wird die Umgebung nun auch noch mit Laserscans durch LiDAR-Sensoren erfasst. Basierend auf diesen beiden Aufnahmemethoden kann CycloMedia nun mit der Lösung CycloMedia VISTA eine visuelle Straßenzustandsanalyse anbieten. Neben den Messungen in den Bildern steckt somit eine hochgenaue Messung zur Verfügung. So können beispielsweise Straßenschäden wie Schlaglöcher ohne Besichtigung vor Ort erfasst und eingemessen werden. Durch die Daten will das Unternehmen bei seinen Kunden auch ämterübergreifende Synergien schaffen.
Cyclorama und LiDAR
Das System basiert auf der neuesten Aufnahmetechnologie (DCR10 mit einer Auflösung von 100 Megapixeln) und beinhaltet eine auf HTML 5 basierende Web-Anwendung (Street Smart) mit Schnittstellen zu verschiedenen GIS. Als Laserscanner ist ein Velodyne HDL-32E in das Gesamtsystem integriert. Darüber hinaus verfügt CycloMedia über die Messfunktion Measure Smart, mit der präzise Messungen direkt in der Laserpunktwolke vorgenommen werden können. Kommunen können auf dieser Basis eine umfassende Zustandserfassung realisieren und ein Pavement Management System aufbauen. Im Juli 2017 wurde diese neue Technologie in der Stadt Luxemburg eingeführt.
Unter dem Namen CycloMedia Vista erstellt CycloMedia in Kooperation mit Ingenieurbüro Franz Fischer GmbH ein Pavement Management System (PMS) für die Hauptstadt des Großherzogtums. „Die Straßenzustandserfassung und -bewertung ist ein Gemeinschaftsprojekt von Straßenbau und Vermessung“, erklärt Joé Welter, Verantwortlicher der Planungsabteilung der Straßenbauabteilung. „Das Ziel ist ein Fünfjahresplan für unser Straßenerhaltungsmanagement. Das heißt, wir wollen für die nächsten fünf Jahre einen Überblick darüber erhalten, welche Straßen wann saniert werden müssen und wie wir die Kosten für diese Arbeiten besser einteilen können. Dadurch, dass wir die Straßen virtuell begehen können, sind wir zudem in der Lage, unsere internen Ressourcen effizienter einzusetzen.“
Im Rahmen des Projekts befährt CycloMedia das 300 Kilometer lange Straßennetz der Kommune mit zwei Spezialfahrzeugen, die mit Panoramakameras und LiDAR Sensoren ausgerüstet sind. Alle fünf Meter erstellt das System vom Fahrzeug aus ein Cyclorama sowie eine Laserpunktwolke des entsprechenden Fahrbahnabschnitts und der unmittelbaren Umgebung. Durch die verbesserte Lichtempfindlichkeit der neuen Kamera DCR10 können die Aufnahmen auch in den frühen Morgenstunden beziehungsweise auch abends erfolgen, wenn die Straßen frei sind. Anschließend erstellt das Ingenieurbüro Fischer mit Hilfe von MeasureSmart und den HD-Cycloramas Polygone und übergibt diese über eine automatisierte Schnittstelle an das interne WebGIS des Vermessungsamtes. Dann erstellt das Büro Fischer ein softwarebasiertes Datenbanksystem zur Erfassung und Auswertung aller relevanten Daten für die Straßener- und unterhaltung. „Die Cycloramas stehen außerdem allen stadtinternen WebGIS-Nutzern anonymisiert und für kommunale Belange zur Verfügung“, erklärt Luc Didier vom Vermessungsamt Luxemburg.
Pavement Management System
„Unsere Aufgabe ist es, jedes einzelne Bild auf Straßenschäden, wie beispielsweise Unebenheiten, Risse oder Spurrillen zu überprüfen. Wir messen dabei direkt in der Laserpunktwolke“, erklärt Jens Klähnhammer vom Büro Fischer. „Im ersten Schritt arbeitet sich der entsprechende Mitarbeiter am Rechner Bild für Bild durch und digitalisiert zunächst den Straßenraum inklusive Fahrbahnund Gehwegflächen, Radfahrstreifen etc. Im nächsten Schritt werden alle erkennbaren Schäden markiert und klassifiziert.“ Über eine API werden diese Daten dann in das GIS der Stadt integriert. „In diesem GIS arbeiten wir dann weiter, indem wir aus den prozentualen schadhaften Flächenanteilen heraus Zustandsnoten entwickeln und dann Maßnahmen vorschlagen, die die Stadt Luxemburg vornehmen sollte um eine wirtschaftliche Straßenbauplanung zu realisieren.“ Ungefähr acht Wochen dauert die visuelle Zustandserfassung- und anschließende Zustandsbewertung der einzelnen Straßenabschnitte. Das Büro Fischer orientiert sich dabei an den Richtlinien der E-EMI 2012. Der Leitfaden für das Erhaltungsmanagement kommunaler Straßen kategorisiert den Straßenabschnittszustand in Form einer Skala von eins bis fünf, wobei 1,5 den Zielwert markiert, 3,5 den Warnwert, also einen kritischen Zustand und 4,5 den Schwellenwert. Wird letzterer überschritten besteht dringender Handlungsbedarf. Der Zustand beziehungsweise der Gesamtwert des Straßenabschnitts setzt sich jeweils aus Spurrinnentiefe, allgemeinen Unebenheiten, Rissen, Flickstellen und Oberflächenschäden zusammen. Zudem können die Zustandsnoten auch farbig in einer Straßenzustandskarte dargestellt werden, von blau (sehr gut) bis rot (sehr schlecht). „So lässt sich der Zustand der Straßenabschnitte aber auch die des ganzen Stadtgebiets oder einzelner Stadtviertel übersichtlich und leicht nachvollziehen“, so Klähnhammer.
Handlungsbedarf und Kosten
Auf Grundlage dieser systematischen Straßenzustandsbewertung ermittelt Büro Fischer den Finanzbedarf für die Instandhaltung der betroffenen Straßenabschnitte und erstellt ein Programm zur Optimierung der Straßenunterhaltung unter betriebswirtschaftlichen und technischen Aspekten. „Wir erstellen einen Fünf-Jahres-Plan darüber, welche Abschnitte saniert werden müssen, wieviel die Sanierung dieser Abschnitte kostet und wann die Sanierung notwendig ist. Das verantwortliche Straßenbauamt erhält somit eine realistische Planungsgrundlage und kann abschätzen, welche Investitionen in den nächsten Jahren notwendig sind“, erläutert Klähnhammer. „Wir als Dienstleister profitieren davon, dass wir wetterunabhängig und vom Schreibtisch aus arbeiten können. Das spart Arbeitszeit und Kosten für den Auftraggeber.“ Für Joé Welter bietet das System darüber hinaus auch andere Vorteile: „Die Zustandsbewertung und die Kostenabschätzung liefern wertvolle Argumente für die Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere, wenn es darum geht, Bauvorhaben genehmigen zu lassen. Die farbliche Visualisierung in den Straßenzustandskarten ermöglicht zudem eine realistische Beurteilung des Zustands einzelner Stadtviertel.“ Darüber hinaus werden die Panoramabilder innerhalb der Stadtverwaltung in zahlreichen Anwendungsgebieten ämterübegreifend eingesetzt.
Da eine zuverlässige Langzeitprognose über die Zustandsentwicklung des Straßennetzes im innerörtlichen Bereich aufgrund unvorhersehbarer Einflussfaktoren schwierig ist, raten CycloMedia und Franz Fischer zu regelmäßige Zustandserhebungen. So soll nach Ablauf des aktuellen Fünfjahresplan auch in Luxemburg die Befahrung der kommunalen Straßen wiederholt werden. 2017 ist zudem eine landesweite Befahrung geplant.