Die Oßwald GmbH aus Nürnberg hat sich auf die Straßenzustandserfassung spezialisiert. Dafür nutzt das Unternehmen das vom Fraunhofer IPM speziell entwickelte Messfahrzeug TORERO, um Straßenzustands- und Straßenraumerfassung mit dem gleichen Zeitstempel durchführen zu können.
Hohe Präzision, simultane Erfassung der Längs- und Querebenheit und ein geringes Gewicht – die Anforderungen der Oßwald GmbH an ein mobiles Messsystem zur Straßenzustandsüberwachung waren enorm hoch. Nach langer Suche ist das Nürnberger Unternehmen, das Teil der Demir-Unternehmensgruppe ist und sich auf Aufgaben im Bereich klassischer Vermessung, Straßenzustandserfassung und Mobile Mapping sowie die Planung und Dokumentation von Bauprojekten im Kabel- und Leitungsbau spezialisiert hat, schließlich beim Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik (IPM) in Freiburg fündig geworden: hier wurde seit 2018 das innovative Messfahrzeug TORERO geplant und entwickelt. Die Einzelanfertigung des Fraunhofer IPM, die Mitte 2020 an Oßwald ausgeliefert wurde, ist dabei nicht nur mit moderner Technik ausgestattet, sondern darüber hinaus als einziges System seiner Art in Deutschland in der Lage, Straßenzustands- und Straßenraumerfassung mit dem gleichen Zeitstempel durchführen zu können.
Dabei wiegt das innovative Fahrzeug unter 3,5 Tonnen, „wodurch es von jedem Mitarbeiter mit einem normalen Klasse-B-Führerschein zu führen ist. Und, noch wichtiger, TORERO kann auch auf solchen Straßen eingesetzt werden, die eine Maximallast von 3,5 Tonnen haben – was im kommunalen Bereich eine nicht zu unterschätzende Anzahl ist”, weiß Rudolf Rippl, Experte für Mobile Mapping und Straßenzustandserfassung bei der Oßwald GmbH. Darüber hinaus ist das Messfahrzeug mit zwei Ladybug 5+-Panoramakameras, GPS-Antennen zur genauen Positionierung und Ausrichtung des Fahrzeugs, Oberflächenkameras mit einer Auflösung von 8,8 Megapixeln, LED-Leuchten, vier Einzelbildkameras sowie Umgebungs- und Oberflächenlaser ausgestattet.
Einzigartiges Messfahrzeug
„Die Anforderungen an die Genauigkeit der Messungen im Zusammenhang mit Straßenzustandserfassungen sind enorm“, berichtet Rippl. „Auch bei Geschwindigkeiten von bis zu 80 km/h werden sehr hohe Auflösungen benötigt. Ebenfalls muss zur Vermeidung von Abschattungen eine gleichmäßige Beleuchtung gewährleistet sein.“ Zudem müssen die Systeme von TORERO so zueinander kalibriert sein, dass die Daten von allen Systemen deckungsgleich sind. „So lassen sich die Daten des Clearance Profile Scanners (CPS) zur Erfassung der Umgebung und des Pavement Profile Scanner (PPS) zur Erfassung der Oberfläche zu einer noch dichteren Punktwolke vereinen. Gleichzeitig sind sowohl die Punktwolken, die Bilder der Einzelkameras als auch die der Panoramakameras deckungsgleich“, führt der studierte Geograph aus. Um diese innovative Funktionsweise sicherzustellen, werden alle für die Straßenzustandserfassung relevanten Teile jährlich von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) auf Herz und Nieren geprüft. Die Kalibrierung der Systeme zueinander hingegen erfolgt beim Fraunhofer-Institut.
Zustandserfassung mit 800 Hz-Messfrequenz
Hauptkomponenten für die Zustandserfassung sind der PPS, der ebenfalls vom Fraunhofer IPM entwickelt wurde, vier Triangulations-Laser mit Submillimeter-Auflösung für die Messung der Längsebenheit, LED-Panels zur gleichmäßigen Ausleuchtung der Oberfläche sowie zwei 50 Megapixel-Oberflächenkameras. Der PPS arbeitet dabei mit einer 800 Hz-Messfrequenz und einem Scanwinkel von 70°, während der CPS eine 200 Hz-Messfrequenz aufweist. Zudem haben beide Scanner eine Scanfrequenz von 2 MHz. „Der Laser nimmt damit pro Sekunde bis zu 2 Millionen Punkte auf 4 Metern Breite auf“, so Rippl. Die aufgenommenen Daten werden dann beispielsweise zur Berechnung der Querebenheit der Straße oder für Vermessungsaufgaben genutzt, etwa dann, wenn es um genaue Vermessung von Straßenschäden, Schienen oder anderes Straßeninventar geht.
Die auf TORERO installierten Oberflächenkameras nehmen darüber hinaus Bildstreifen von 3,7 Zentimetern mit einer Auflösung von 0,6 Millimetern auf. „Diese müssen anschließend zu einem Mosaik ‚gesticht‘ werden. Das bedeutet, dass die einzelnen Bildzeilen sowohl quer als auch längs nahtlos ineinander übergehen müssen“, erklärt Rippl. Im Resultat entsteht ein Bildmosaik mit 10.000-mal-4530 Pixeln, welches einen Straßenausschnitt von 10-mal-4,53 Metern abbildet.
Scharf und kontrastreich auch bei hoher Geschwindigkeit
Die Luftfederung von TORERO erlaubt darüber hinaus auch bei unebener Fahrbahn eine maximale Laufruhe des Fahrzeugs, sodass die Aufnahmen auch bei schlechten Oberflächenverhältnissen hochwertig und nicht verwackelt sind. Durch die spezielle Beleuchtung können die Oberflächenkameras außerdem mit Belichtungszeiten von rund 50 µs betrieben werden, wodurch die Bilder auch bei Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h scharf und kontrastreich sind. „Die Schäden werden dann Meter für Meter betrachtet, sodass am Ende eine schematische xml-Datei entsteht, mit der Schäden systematisch ausgewertet werden können. Mithilfe der zusätzlichen Quer- und Längsebenheiten kann man sich dann ein gutes Bild des Straßenzustands und dessen Veränderung über einen bestimmten Zeitraum machen.“
Zwar ist die Auswertung der Befahrungsdaten zeitintensiv, gleichzeitig wird dieses Vorgehen bei Bundesautobahnen und -straßen gefordert. Eine Alternative dazu bietet sich auf Basis moderner Machine Learning-Algorithmen: „Hier kommen vorwiegend der Umgebungsscanner (CPS) und die Einzelbildkameras zum Einsatz. Neben Straßenschäden können so auch andere Objekte erkannt und verortet werden, sodass die Erstellung von Katastern und Straßeninventar teilautomatisiert stattfinden kann“, berichtet Geograph Rippl. Gleichwohl können die Panoramabilder in Kombination mit dem CPS auch für Planungen und Vermessungen verwendet werden. Rippl resümiert: „Gerade im kommunalen Bereich ist die doppelte Funktionalität von Vorteil, da hier nur ein Dienstleister zu einem Zeitpunkt das Gebiet befahren muss.“ (jr)