Die Hansa Luftbild AG bietet seit 2014 neben der klassischen Luftbildphotogrammetrie Straßenbildbefahrungen an. Warum diese Methode sinnvoll ist und welche Stärken das Verfahren hat, erklärt Hans-Christoph Tielbaar von Hansa Luftbild.
Seit über 20 Jahren generiert die Hansa Luftbild AG luftbildgestützte Aufnahmen zur Entwicklung von Straßen-, Grünflächen- oder Gebäudebestandskatastern. In dieser Zeit hat das Unternehmen aus Münster viele Zehntausende Straßenki- lometer erfasst und in GIS-Systemen dokumentiert. Für insgesamt weit über 100 Städte, Gemeinden und Kommunen hat Hansa Luftbild Straßenprojekte von 25 Kilometern Länge bis über 4.000 Kilometer Länge digital erfasst und analysiert. Lange galt Hansa Luftbild dabei ausschließlich als Player im Bereich der Luftbildphotogrammetrie, seit 2014 bietet das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der iNovitas Deutschland GmbH auch Straßenbildbefahrungen an.

Kombination aus Luft- und Befahrungsbildansicht in der Hansa Luftbild Auswertesoftware HLMap3D mit eingespiegelten GIS-Daten. Foto: Hansa Luftbild AG
Gemeinsam mit iNovitas bieten die Münsteraner neben den klassischen Methoden des Airborne Remote Sensing in Form von Bild- und Laserflügen auch die Durchführung von Bildbemessungsfahrungen und Mobile Mapping an. „Ein Widerspruch? Keineswegs, denn wir bleiben unserer photogrammetrischen Tradition verpflichtet: Sowohl die bekannten Luftbilder als auch die Befahrungsbilder lassen sich dreidimensional-stereoskopisch auswerten“, sagt Hans-Christoph Tielbaar, Vertrieb und Marketing bei Hansa Luftbild. Grund für die Neuorientierung des Unternehmens seien veränderte Kundenbedürfnisse gewesen, berichtet Tielbaar: „Viele Kunden möchten bei ihrer Arbeit im Büro den Straßenraum aus der gewohnten Perspektive nachvollziehen und die Situation am Monitor visualisieren können.“
Vorteile und Herausforderungen
Vorteile der Straßenbildbefahrung sieht der Geograph vor allem in der schnelleren Datenverarbeitung. „Der ganze Prozess geht viel schneller als die Datenaufnahme per Pedes – und ist damit von den Daten her homogener. Außerdem ist jede Auswertung aufgrund der aufgenommenen Fotos nachvollziehbar und kann abschnittsweise – beispielsweise für Projektierungszwecke – auf 1 bis 2 Zentimeter absolute Genauigkeit verbessert werden. Auch die relative Genauigkeit von unter 1 Zentimeter ist dank des Stereobildverfahrens mit seiner hohen Punktdichte und der damit entfallenden Interpolation zwischen den Punkten konkurrenzlos hoch.“ Diese Datengenauigkeit werde, so Tielbaar, durch die infra3D-Technologie von iNovitas erreicht. Der Geograph erklärt: „Die iNovitas hat sich auf bildbasierte Stereophotogrammetrie spezialisiert. Die stereobildbasierte mobile Aufnahmetechnologie er- möglicht die Erzeugung von präzise verorteten 3D-Bildern mit besseren und dichteren Tiefeninformationen – das Verfahren ist bis zu 15-mal präziser als Laserscanner-basierte Technologien.“

Detailansicht einer laufenden Auswertung im HLMap3D, mit Menüführung. Foto: Hansa Luftbild AG
Zudem hat die infra3D-Technologie von iNovitas einen weiteren Vorteil, wie Tielbaar erklärt: „Die aus den Stereo- daten direkt gewonnene 3D-Information in den Bildern ist pixelgenau mit der visuellen Bildinformation co-registriert und ermöglicht eine echte, verzögerungsfreie WYSIWYG-Nutzung der Bilddaten über die Web-Applikation.“ Die Technologie liefert auf diese Weise bei ungestörtem GNSS-Empfang und einer Erfassungsgeschwindigkeit von 80 km/h 3D-Punkte mit einer Genauigkeit von 5 bis 20 Zentimetern. Mithilfe der integrierten Sensororientierung und ausreichend zur Verfügung stehender Passpunkte können flächendeckend absolute Genauigkeiten in Lage und Höhe von 5 Zentimetern – unabhängig vom GNSS-Si- gnalempfang – garantiert werden. Darüber hinaus lässt sich der infra3D-Service z.B. an GIS-Systeme wie Hansa ExperMaps anbinden. „Auf diese Weise lassen sich auch bestehende Geodaten z.B. von Industrieunternehmen wie ThyssenKrupp oder von Hafenbetreibern wie bremenports veredeln und auch der Datenaustasuch zwischen vielen anderen Systemen ist problemlos möglich“, erklärt Experte Tielbaar.
Zwar haben die Straßenbefahrungen damit einige Vorteile gegenüber der klassischen Luftbildphotogrammetrie, doch gehen damit auch Herausforderungen für den Münsteraner Dienstleister einher. „Die Anforderungen der Auftraggeber sind beispielsweise oft sehr heterogen“, betont der Geograph. „Eine gute, unabhängige Beratung der ausschreibenden Stellen vor der Ausschreibungsveröffentlichung würde in vielen Fällen den großen Nutzen für die Fachabteilungen deutlich erhöhen.“
Zustandsbewertung und andere Anwendungen
Durch die auf diese Weise erreichte, hohe Genauigkeit können die aufgenommenen Bilder für eine breite, verteil- und skalierbare Nutzung abteilungsübergreifend eingesetzt werden. „Richtig messen ist allemal besser als klicken und hoffen, dass das Ergebnis stimmt“, so Tielbaar. „So verbessert sich auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Anwender.“ Daher tritt der Zustand der Straßen aktuell in den Vordergrund. „Bei Hansa Luftbild haben wir daher eine visuelle und messtechnische beziehungsweise kombinierte Zustandserfassung nach EEMI- und Pavement Management-Vorgaben mit der Abschätzung der Entwicklung des baulichen Zustands zur Erarbeitung von Straßenerhaltungsmanagement- plänen entwickelt.“ Gleichzeitig werden Fachkatastererstellungen gern miteinander kombiniert. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Stadt München: Im Winterhalbjahr 2019/2020 hat die iNovitas rund 3.600 Kilometer der bayerischen Landeshauptstadt befahren und die Daten aufbereitet. Die Auswertung erfolgt anhand der 3D-Daten mit der von Hansa Luftbild entwickelten HLMap3D-Applikation. „Diese ermöglicht es, die Bildbefahrungsdaten in xyz-Dimension mit eingespiegelten anderen Daten wie Kataster, Objektbegrenzungen und bereits ausge- werteten Bereichen zu sehen und auf dem anderen Teil des Splitscreen die dazugehörige Senkrechtperspektive mit Kataster, Orthofoto und Auswertung darzustellen“, berichtet Tielbaar. „Beide Bildschirmteile laufen auto- matisch kongruent – die Auswertung kann also sowohl in der Senkrechtansicht als auch in der Schrägansicht erfolgen.“ Auch seien auf diese Weise teilautomatisierte Auswertungen möglich.

Detailansicht einer laufenden Auswertung im HLMap3D in Adlershof. Foto: Hansa Luftbild AG
Zudem könnten die Daten, so der Geograph, auch für Vorplanungen, Visualisierungen, Nachvermessungen und/oder ergänzende Erfassungen verwendet werden. Für die Anwender besonders interessant sei jedoch, dass „die Straßen auch aus dem Büro heraus befahrbar sind – ohne, dass kosten- und zeitintensive Vor-Ort-Besuche notwendig sind. Das entlastet den Haushalt des Auftraggebers.“ Auch ermöglichen Straßenbildbefahrungen die Bildnutzung für Fassadentexturierung von 3D-Stadt- so- wie Gebäudemodellen, die Messung von Lichtraum- und Fahrbahnprofilen und eine Post-Einzelbemaßung. (jr)