Vor dem Hintergrund der regulativen Anforderungen an die britische Wasserwirtschaft setzt United Utilities auf einen kollaborativen BIM-Ansatz. Dazu kommen die Bentley- Produkte ProjectWise und Navigator zum Einsatz, die integrierte Workflows vom Entwurf bis zur Ablaufplanung ermöglichen.
Im Zuge der Privatisierung der britischen Wasserwirtschaft vor 25 Jahren mussten die Netzbetreiber Assetmanagement-Programme (AMP) einführen. Diese werden bereits bei der Vergabe von Aufträgen an Bauunternehmen verwendet. In Großbritannien soll so die Modernisierung veralteter Anlagen gefördert und die Effizienz beim Betrieb der Infrastrukturen erhöht werden. United Utilities, die größte börsennotierte Wasserversorgungsgesellschaft in Großbritannien und Nordirland, hat sich vor diesem Hintergrund dazu entschieden, eine kollaborative BIM-Strategie zur Abwicklung von über 200 Wasserprojekten umzusetzen, die derzeit geplant und ausgeführt werden. Das Unternehmen hat neben den regulativen Anforderungen auch die betriebswirtschaftliche Optimierung im Sinn.
Strenger regulativer Rahmen
Jedes AMP der Wasserwirtschaft hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Im Jahr 2015 trat AMP6 in Kraft. In diesem Rahmen hat United Utilities insgesamt ein Investitionsprogramm im Wert von 6 Milliarden GBP für den Fünfjahreszeitraum bis 2020 aufgelegt. Für die mehr als 200 Bauprojekte fallen dabei alleine 2,9 Milliarden GBP an. United Utilities betreibt Wasserversorgungs- und Abwasseraufbereitungsanlagen und -netze für drei Millionen Haushalte und 200.000 Unternehmen. Mit diesen Investitionen will United Utilities seine Wasserinfrastruktur modernisieren, um im Laufe der nächsten fünf Jahre die Qualität des gelieferten Trink- und Badewassers sowie den Umweltschutz zu verbessern.
Unter kollaborativem BIM versteht das Unternehmen zunächst eine zentrale Verwaltung aller digitalen Daten, die bei den Projekten anfallen. Dies war nötig, da United Utilities in vielen Vorhaben mit zahlreichen Bauunternehmen und Ingenieurbüros als Partner zusammenarbeitet, auch bei komplexen Projekten. Für die effiziente Umsetzung des AMP6-Programms benötigte United Utilities zudem eine bessere Datenstruktur und ein Assetmanagement, bei dem Sach-, Geometrie- und Finanzdaten integriert sind. Ziel war es, die operative Unternehmenssteuerung und die Projektsteuerung mit einer Modellierung der Kostenstruktur und -entwicklung zu verknüpfen. Das Unternehmen entschied sich für den Einsatz von Bentley ProjectWise und Bentley Navigator. „ProjectWise ist der Grundpfeiler der BIM-Strategie von United Utilities zur Umsetzung des AMP6-Programms”, sagt Gregg Yarnold, der als leitender BIM-Technologe (CDE) bei United Utilities tätig ist.
BS 1192-Modul: Prozesse beginnen beim Entwurf
Wichtiger Bestandteil von AMP6 in England ist das BS 1192-Modul. Es enthält einen für Ausschreiber und Bieter in Projekten verbindlichen Projektstandard. So soll ein standardisiertes Informationsmanagement erreicht werden, das bereits in der Ausschreibungsphase definiert, wer wann welche Daten in welcher Struktur vorlegen muss. In britischen Infrastrukturprojekten entsteht so bereits in der Ausschreibungsphase ein zentraler Datenpool mit allen notwendigen Daten.
United Utilities definierte dafür mit ProjectWise ein strukturiertes Vorgehen. So entfällt die Notwendigkeit von Datenübertragungen, die in heterogenen, dezentralen Datenumgebungen zwangsweise anfallen und Zusatzkosten verursachen. Mit ProjectWise definierte United Utilities beispielsweise Regeln für die Benennung von Dokumenten. Dezentrale Projektteams können so Entwurfsinformationen schneller und effizienter entwickeln, austauschen und koordinieren. Da Project- Wise allen Mitarbeitern Zugang zu einer einzigen zuverlässigen Informationsquelle bietet, arbeiten Teams zudem mit den aktuellsten Informationen. Gleichzeitig brachte das Unternehmen die IT-Sicherheit der nunmehr zentralisierten Anwendung auf den neuesten technischen Stand.
Prozesstechnisch nutzt der Versorger die darin liegenden Optimierungspotentiale. Digitale Anlagendaten werden aus abgewickelten Projekten extrahiert und dann mit minimalem Aufwand dorthin importiert, wo sie im operativen Betrieb benötigt werden. Damit gewinnt das Unternehmen volle Kontrolle über den Dokumentenworkflow vom Entwurf bis zur Nutzung im operativen Betrieb. „Auf unserem Weg in eine kollaborative und digitale Welt haben wir die Sicherheit unserer Anlagendaten sogar noch erhöht”, sagte Gregg Yarnold. Alle Daten werden bei United Utilities zentral durch eine Firewall geschützt gespeichert, wobei nur die jeweils zuständigen Mitarbeiter Zugang zu den Daten haben. Der Kommentar von Yarnold: „In Anbetracht der möglichen Auswirkungen eines erfolgreichen Terroranschlags ist diese Datensicherheit von unschätzbarem Wert!”
Vom Entwurf bis zur Kollisionsprüfung
Geometrie first: Im Rahmen des kollaborativen BIM-Ansatzes werden bei United Utilities nun alle Sachdaten an die geometrischen Daten der materiellen Anlagen angebunden. Neue Projektdaten werden in die Modelle der bestehenden Anlagen integriert.
Da Bentley Navigator zur Bausimulation und Bauablaufplanung verwendet wird und eng in ProjectWise integriert ist, sind auch die Prozesse bei Entwurf, Kollisionserkennung und Bauablaufplanung eng verzahnt. Projektteams können ihre Entwurfs- und Bauverfahren in der vernetzten Welt testen. Mitarbeiter können so schon im Voraus die Bedeutung jeder Tätigkeit im gesamten Projektablauf erkennen. Alle Projektteilnehmer haben Zugang zu diesen kritischen Informationen, und zwar für alle Komplexitätsstufen. So sind Kollisionserkennungen überall verfügbar. Die Planer wissen, dass ein geeigneter Entwurf mit nur minimalen Änderungen vor Ort umgesetzt werden kann.
Rückwirkungen auf industrielle Fertigung
Das hat auch Vorteile für die Vorfertigung einzelner Bauteile durch externe Produktionsunternehmen. United Utilities setzt dabei auf das Prinzip des Design for Manufacturing and Assembly (DfMA), in dessen Zuge die konstruktive Gestaltung eines Produkts bereits in der Entwurfsphase optimal an die Fertigungsund Montagebelange angepasst wird. Ziel ist die Reduktion von Herstellungskosten, ohne Produktqualität und -zuverlässigkeit einzuschränken. Der Wasserversorger kann so die Herstellung von Bauelementen immer mehr in eine kontrollierte Fabrikumgebung verlagern. Dies vermeidet Nacharbeiten vor Ort und reduziert zudem den Einsatz von Lieferfahrzeugen. Die sich daraus ergebenden Einsparungen beim Programm für Investitionsprojekte schätzt das Unternehmen auf 40 Millionen GBP. Hinzu kommen Einsparungen durch einen effizienteren Betrieb der Wasserinfrastrukturanlagen. Aktuell strebt das Versorgungsunternehmen eine Erweiterung des BIM-Ansatzes zur Einbindung der Anlagenwartung an. Zudem wurde eine unternehmenseigene BIM-Akademie gegründet.