Pitney Bowes Software schafft neue Perspektiven für die Analyse von typischen Marketing-Fragestellungen im Einzelhandel. Grundlage ist eine maßgeschneiderte Datenmodellierung, die mit dem Partnerunternehmen DDS realisiert wird.
Standortplanung gehört im Handel zu den strategischen Kernaufgaben. Neue Filialen können den Umsatz maximieren, aber auch für Verluste sorgen. Mit den Mitteln der Location Intelligence (LI) können die Risiken minimiert beziehungsweise objektiviert werden. Die Geo-basierten Analysen werden immer genauer. Aktuelle Beispiele zeigen, dass Umsätze einer neuen Filiale bereits in der Planungsphase mit einer Treffsicherheit von bis zu 80 Prozent vorhergesagt werden können, und zwar abhängig von den Öffnungszeiten. Genau das ist Pitney Bowes bereits in mehreren Projekten gelungen, wie Burchard Hillmann-Köster, Client Director bei Pitney Bowes, berichtet. Wie genau also sehen diese LI-Methoden aus?
Pitney Bowes Software ist Anbieter von georeferenzierten Datenpaketen sowie Softwarelösungen und eines der wichtigsten Unternehmen im weltweiten Markt für LI. Die Lösungen MapInfo Pro und Spectrum Spatial versammeln dabei die Geo-Kompetenz des Unternehmens, das Software-Angebote für sämtliche Marketing- und Kommunikationsanforderungen von Firmen anbietet.
Das Unternehmen ist im Bereich Retail Analytics ein Vorreiter in Ländern wie den USA und Großbritannien. Inzwischen wurde auch in Deutschland das Angebot erweitert und bietet LI-Projekte jetzt auch hier aus einer Hand an. „Die kundenspezifische Datenmodellierung ist dabei inbegriffen, denn sie ist heute entscheidend für den Erfolg bei LI-Projekten“, so Hillmann- Köster.
Die Modellierung nutzt dabei verschiedene Datenquellen: Eigene Datensätze, die von Partnern – zum Beispiel von der DDS Digital Data Services GmbH, Deutschlands größtem Datenhändler – und solche, die bei den Unternehmen selbst vorliegen. Aus diesen Beständen werden in den Projekten Datenmodellierungen erstellt, die für die jeweiligen Fragenstellungen optimal modelliert werden. „Wir nutzen hierbei moderne Data-Science- Ansätze. Das ist wichtig, da wir Ansätze aus dem Data-Science-Umfeld verwenden, die traditionell nicht in der Standortplanung zum Einsatz kommen“, erklärt Hillmann-Köster.
Kombination aus Geodaten und Business Intelligence
„Data Science war bisher noch nicht im Bereich Location Intelligence verbreitet“, hebt Hillmann-Köster hervor und ergänzt „klassische alphanummerische Daten und Algorithmen, wie sie in der Data Science vorkommen, sind mehr in der Statistik bekannt.“ Gemeint sind etwa filialabhängige Umsatzdaten zu verschiedenen Tageszeiten oder die Markenpräferenzen des Kundenstamms an einem bestimmten Standort. „Solche Daten liegen Händlern mehr oder weniger explizit beispielsweise bereits in ERPoder CRM-Systemen vor. Per Data Science werden sie verwertbar und können die Filialplanung um elementare Informationen bereichern“, erläutert Hillmann-Köster.
Mit diesem Ansatz werden Modelle feiner, belastbarer und praxisrelevanter. Ein Beispiel: Seit Jahrzehnten verfügbar sind Kaufkraftdaten. Sie zeigen, wieviel Einkommen in den jeweiligen Wohngebieten zur Verfügung steht. Aber Kaufkraft hängt an Personen und die sind mobil. Sie arbeiten anderorts als sie wohnen und sind auch in der Freizeit und beim Shoppen mobil. Sprich, die Kaufkraft ist mobil, dynamisch und je nach Tageszeit und Konsumverhalten anders verteilt. „Wir können mithilfe der Data Science beispielsweise Umsätze je nach Produkt-Sortiment und Tageszeit vorhersagen“, erklärt Hillmann-Köster. „Zum Einsatz kommen dabei zum Beispiel Frequenzatlanten oder auch datenschutzkonforme Daten, die über die Mobilfunk-Kanäle generiert wurden und zum Beispiel Auskunft darüber geben, welche Zielgruppen sich wo über den Tagesverlauf befinden. So erreicht man in Projekten eine sehr viel bessere Umsatzprognose.“
Mithilfe der mobilen Informationen können Pitney Bowes Kunden bei der Datenmodellierung beispielsweise Fragestellungen zum Einzugsgebiet ihres geplanten Standortes neu bewerten. „Es kann zum Beispiel sein, dass in einem Gebiet, in dem die Bevölkerungsstruktur hauptsächlich durch die Mittelschicht geprägt ist, ein Standort dennoch de facto mehr von Kunden aus den oberen Bevölkerungsriegen besucht wird“, sagt Hillmann-Köster. In einem Kundenprojekt aus dem Gastronomiebereich etwa konnte das Unternehmen genau zeigen, warum eine Edel-Gastronomie nicht funktionierte: Tagsüber sei dort eher die gutverdienende Mittelschicht anwesend, abends aber eher weniger kaufkräftiges Publikum. In diesem Fall konnte der Systemgastronom eine andere Marke am Standort positionieren und seinen Umsatz deutlich maximieren, wie Hillmann-Köster beschreibt.
Wie bei multidimensionalen Analysen üblich, ist es wichtig, die Vergleichbarkeit verschiedener Datensätze zu beachten. Gerade bei Geodaten, die oft ein unterschiedliches geographisches Bezugssystem haben (PLZ, administrative Grenzen, freie Polygone etc.) ist dies eine Herausforderung. Vor diesem Hintergrund gewinnt ein spezielles Produkt von DDS besonders an Bedeutung: Das sogenannte DDS Data Grid ist ein Bezugsraster, das sieben mikro- und makrogeografische Ebenen beinhaltet.
Die kleinsten Rasterzellen betragen 100×100-Meter, im Makrobereich geht es bis 10×10 Kilometer. Ein solches Raster ermöglicht die systematische Verschneidung, Visualisierung und Analyse von Daten verschiedenster Herkunft. Datenpakete in einem solchen Raster sind unabhängig von administrativen und politischen Standards. „Data-Grids werden immer populärer, weil sie einheitlich und damit international anwendbar sind. Wir bei Pitney Bowes greifen selbst auf Grids zurück, um unsere Prognosen so genau wie nur möglich zu erhalten“, berichtet Hillmann-Köster.
Die Datenmodellierung ist Bestandteil der Projekte bei Kunden. Zunächst werden grundsätzliche Fragestellungen geklärt – zum Beispiel, ob das Sortiment einer bestehenden Filiale der dort am stärksten vertretenen Klientel entspricht oder welche Produkte an einem neuen Standort überwiegend angeboten werden sollen. „Wir stecken gemeinsam mit dem Kunden das Ziel der Standortanalyse fest und betrachten daraufhin den Datenbestand des Unternehmens. Dann bereinigen und bereiten wir Daten, die dem Kunden bereits vorliegen, auf und reichern sie mit zusätzlichen externen Informationen an – entweder aus unseren eigenen Datenbanken oder in Zusammenarbeit mit Partnern“, so Hillmann-Köster.
Solche Daten-Analysen sind im Handel äußerst gefragt. Das Wissen, das in ihnen enthalten ist, sollte also möglichst barrierefrei in den Unternehmen zur Verfügung stehen. Pitney Bowes hat daher seine Retail-Analytics- Anwendung, eine webbasierte Lösung, auf der Spectrum Plattform aufgesetzt. „Damit ist die Modellierung in Abhängigkeit der vergebenen Zugriffsrechte und Anwenderprofile für viele Mitarbeiter eines Unternehmens verfügbar“, so Hillmann-Köster. Über die Retail-Analytics-Anwendung können verschiedene Mitarbeiter flexibel Analysen vornehmen und schnell Ergebnisse erhalten. „Wir wollen damit auch mobilen Mitarbeitern – etwa im Außendienst oder auf Management- Ebenen – die Möglichkeit bieten, Analysen ad hoc zu erhalten, ohne diese erst bei einer spezialisierten Abteilung beauftragen zu müssen“, sagt der GIS-Experte.
Digital meets stationär
Die fortschrittlichen LI-Methoden helfen nach Erfahrungen von Pitney Bowes, komplexe Fragenstellungen im Zeitalter der Digitalisierung zu lösen. Für den Handel bedeutet das, dass er seine Multi-Channel-Strategien mit LI-Methoden begleiten kann. Die Frage nach der optimalen Kombination aus E-Commerce und stationärem Handel wie etwa Flagship-Stores kann so systematisch angegangen werden. In den USA hat das Unternehmen schon verschiedene Projekte durchgeführt, in denen für Kunden ein idealer Mix aus Online-Verkauf und stationären Läden entwickelt wurde. Sie fanden beispielsweise heraus, wie vormals reine Online-Händler den Bekanntheitsgrad ihrer Marke durch zielgerichtete Ladenstandorte erhöhen und so die Synergien im Multi-Channel-Bereich maximal ausschöpfen konnten. (vb)