Wie können 3D-Stadtmodelle bei der Planung und Verwaltung von Smart Cities helfen? Welchen Mehrwert bieten die digitalen Modelle dem Anwender? Wir geben einen kurzen Einblick in das, was möglich ist.
Die Verwaltung und Gestaltung moderner Städte ist eine komplexe Aufgabe, bei der verschiedene Disziplinen mit unterschiedlichen Inhalten und Anforderungen beteiligt sind. Um die spezifischen Bedürfnisse zu erfüllen, die im Kontext von Smart Cities bezüglich Planung und Entscheidungsfindung aufkommen, spielen semantische 3D-Stadtmodelle eine entscheidende Rolle. Sie bieten eine zuverlässige und zunehmend verfügbare Quelle für Objekte im urbanen Raum. Darüber hinaus dienen sie als Integrationsplattform für Informationen und Anwendungen rund um das Stadtsystem, da Daten aus verschiedenen Bereichen mit den gleichen Objekten verknüpft und somit an einer Stelle verortet werden können. Unter dem Motto „Digitaler Zwilling“ lassen sich verschiedene Fragen auf der Basis von 3D-Stadtmodellen beantworten.
Die Solarpotentialanalyse
Eine der Herausforderungen für eine nachhaltige Zukunft von Städten ist eine klimaneutrale Energieversorgung. Neben der Reduzierung der Energieverbräuche stellt sich die Frage, durch welche Energiequellen die aktuelle Erzeugung aus erschöpfbaren Ressourcen substituiert werden kann. Eine vielversprechende Option bietet die Energie in Form von Wärme aus solarer Einstrahlung. Sie wird sowohl für die Gewinnung von Strom als auch zur Versorgung mit Wärme verwendet. Um jedoch ein differenziertes Bild über die Menge und vor allem den Ort der Einstrahlung zu erhalten, werden Simulationen benötigt, welche die Realität möglichst exakt abbilden und eine „virtuelle“ Auswertung geplanter Maßnahmen erlauben.
Die Firma virtualcitySYSTEMS bietet dazu eine Lösung an, die in Zusammenarbeit mit Professor Kolbe von der TU München entwickelt wurde. Mit dem Produkt virtualcitySOLAR werden CityGML- Gebäudemodelle in wenigen Schritten mit Informationen zur solaren Einstrahlung angereichert. Hierbei erfolgt die Analyse anhand von LoD2-Gebäudemodellen, welche monatliche Einstrahlungswerte für die direkte, diffuse und globale Solarstrahlung enthalten und als generische Attribute im 3D-Stadtmodell gespeichert werden. Die Ergebnisse können dann als solare Gebäudetexturen der verschiedenen Einstrahlungsarten in der virtualcityMAP visualisiert und weiterverwendet werden. Ein weiterer Mehrwert entsteht durch die Abfragefunktionalität der energetischen Eigenschaften je Gebäude: Der Benutzer kann problemlos eine Datenbankanfrage über die Kartenanwendung stellen, um etwa Gebäude mit hohem Einstrahlungswerten farblich hervorzuheben.
Urbane Simulation zur Analyse
Über die enge Kooperation von virtualcitySYSTEMS mit dem CAD-Spezialisten CADFEM hinaus entstehen außerdem Simulationsanwendungen für den städtischen Raum. Ziel der Zusammenarbeit ist die Übertragung des Know-hows und vorhandener numerischer Lösungen in die urbane Dimension. Zu den größten Herausforderungen gehören hier nach wie vor die Modelloptimierung für die Anforderungen der Simulation, die Vernetzung der Modelle und die meist komplexe Bedienung der Simulationssoftware für Spezialisten. Genau an dieser Stelle setzt das Produkt ANSYS Discovery Live an, für dessen Vertrieb CADFEM verantwortlich ist. Schon nach wenigen Schritten hat man so ein Simulationsmodell aufgebaut, startet die Lösung und das Ergebnis baut sich unmittelbar vor dem Anwender auf. Eine Vernetzung oder ingenieursmäßige Eingaben sind nicht mehr erforderlich.
Im Bereich der Stadtplanung eröffnen sich auf diese Weise neue Möglichkeiten, um komplexe Strömungsverhältnisse schnell und unkompliziert zu analysieren – vor allem in frühen Planungsphasen. Über den virtualcityPLANNER lassen sich Planungsmodelle erstellen oder in die Kartenanwendung integrieren. Zusätzlich können detaillierte BIM-Gebäudemodelle bereits über das virtualcityBIM-Plug-In im Stadtmodell ergänzt werden. So lassen sich beispielsweise Windlasten für neue Gebäudeentwürfe unter Einbeziehung der vorhandenen Bebauung bestimmen, aber auch notwendige Veränderungen für die bestehende Bebauung werden erkennbar. Passt man Geometrien manuell an, verschiebt man Objekte, oder blendet man sie aus, passt sich auch das Simulationsergebnis simultan an. Darauf aufbauend können auch weiterführende Fragen – etwa zur Belüftung der Stadt oder zum Personenkomfort – beantwortet werden, um diese Aspekte in den Planungsprozess zu integrieren. Aber auch die 3D-Simulation von Schadstoffverteilungen oder Gefahrstoffkonzentrationen für Fragen des Umweltschutzes oder der Sicherheit wird auf eine wirtschaftliche Art und Weise möglich.
Integration von BIM-Anwendungen
Ein weiteres Problemfeld im Rahmen der 3D-Stadtmodelle ist die Verzahnung mit BIM-Anwendungen: Digitale Bauwerksmodelle und semantische 3D-Stadtmodelle werden bislang kaum integriert betrachtet. Zu unterschiedlich sind die Datenmodelle und Nutzergruppen, zu aufwändig war die Integration von BIM-Modellen in semantische 3D-Stadtmodelle. Mit virtualcityBIM bietet virtualcitySYSTEMS seinen Kunden jedoch eine Lösung, mit der IFC-Bauwerksmodelle eingelesen, regelbasiert in CityGML konvertiert und somit in 3D-Stadtmodelle integriert werden können. Detaillierte IFC-Planungsmodelle lassen sich damit auch direkt über den virtualcityPLANNER in den urbanen Kontext integrieren.
Die Software virtualcityBIM unterstützt das interaktive Mapping von IFC-Klassen auf CityGML- Dateiformate bzw. eine semantisch-geometrische Transformation. Aktuell ist damit die Ableitung von LoD1- und LoD2-Gebäudemodellen aus IFC-Gebäudemodellen möglich. Geplante Erweiterungen der Software sind die Umsetzung eines Mappings von IFC nach CityGML-LoD3 und in Teilen auch LoD4.
Stadtmodelle in Rahmen der Mobilität
Der Straßenraum bildet das Bindeglied zwischen 3D-Stadtmodell und Mobilitätsanwendungen. Da dieser Bereich bislang in CityGML unterrepräsentiert ist, hat sich virtualcitySYSTEMS dieses Themas angenommen. Ziel dabei ist eine Anreicherung eines auf offenen und etablierten Standards basierenden 3D-Stadtmodells um Straßenraumobjekte, beispielsweise Fahrbahnen, Gehwege, Bordsteine oder Verkehrsschilder. Der Grund: Für die Bereitstellung von Stadtmodellausschnitten für Anwendungen in der Fahrzeugentwicklung – von Sensorik über Assistenzsysteme bis zum Fahrsimulator für autonomes Fahren – ist der detaillierte Straßenraum unabdingbar. Aber auch die Straßennetze mit der dazugehörigen Logik können für Verkehrssimulationen genutzt werden und somit die Verkehrsplanung unterstützen. Zudem können sie mit ihren Metadaten als einzelne Layer bereits jetzt dynamisch in die virtualcityMAP integriert und somit individuell im urbanen Umfeld erlebbar gemacht werden. Zusammen mit der Integration von beliebigen Sensordiensten entsteht die Grundlage für innovatives Verkehrsmanagement auf Basis der 3D-Stadtmodellplattform.
Hierbei gilt es amtlich erfasste und valide 3D-Geobasisdaten mit zusätzlichen Straßenraumdaten und -modellen zu verknüpfen und über standardisierte Schnittstellen für Mobilitätsanwendungen zur Verfügung zu stellen. Dieses Ziel verfolgt die virtualcitySYSTEMS GmbH als Partner im Projekt „SAVe – Funktions- und Verkehrs-Sicherheit im Automatisierten und Vernetzten Fahren“ in einem Konsortium um die AUDI AG. Das Projekt wird vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) im Forschungsbereich automatisiertes und vernetztes Fahren (AVF) gefördert.