Eine am Fraunhofer IPM entwickelte mobile Sensorbox erfasst 3D-Geodaten von Bussen, Taxis oder Müllfahrzeugen aus.

Müll- und Messfahrzeug gleichzeitig: Mit der kompakten und robusten Sensorbox auf dem Dach wird jedes Fahrzeug zum Messfahrzeug. Im März fuhr ein Müllfahrzeug der AWG durch das Stadtgebiet Wuppertal. Quelle: AWG Wuppertal
Immer mehr Kommunen bauen urbane digitale Zwillinge auf. Dabei gilt: Je aktueller und präziser die Daten, desto genauer lassen sich Prozesse innerhalb des virtuellen Stadtabbildes simulieren. Die am Fraunhofer IPM entwickelte mobile Sensorbox MUM mini geht dabei neue Wege. Sie erfasst hochpräzise 3D-Geodaten und kann an beliebigen Fahrzeugen implementiert werden. So kann das urbane Umfeld zeitlich engmaschig aufgenommen werden, ohne dass spezielle Messfahrzeuge im Einsatz sind.
MUM mini verarbeitet und reduziert Daten von zwei Laserscannern, mehreren Kameras und weiteren Sensoren direkt auf dem Messfahrzeug. Auch schmale Objekte wie z. B. Leitungen oder Schilder sind in der semantisch segmentierten 3D-Punktwolke erkennbar – Menschen oder Fahrzeuge hingegen werden anonymisiert, noch bevor die Daten an Geoinformationssysteme übermittelt werden.
Mit Saugnäpfen auf dem Fahrzeugdach befestigt

Die Sensorik des MUM mini Sensorik besteht aus zwei Laserscannern, mehreren Kameras, Positionierungseinheit, Rechen- und Speichermedien sowie der Stromversorgung.
Quelle: Fraunhofer IPM
Das am Fraunhofer IPM entwickelte Sensorsystem MUM mini (Mobile Urban Mapping System) schafft die Voraussetzung dafür, hochgenaue digitale Infrastrukturdaten zeitlich engmaschiger als bisher zu erfassen und instantan für digitale Stadtmodelle zur Verfügung zu stellen. Die gesamte Sensorik – bestehend aus zwei Laserscannern, mehreren Kameras, Positionierungseinheit, Rechen- und Speichermedien sowie der Stromversorgung – ist in einer kompakten Box untergebracht. Das zirka 20 Kilogramm leichte System ist nicht viel größer als zwei Schuhkartons und kann mithilfe von Saugnäpfen auf dem Dach beliebiger Fahrzeuge installiert werden. So werden Müllwagen, Taxis oder Busse zu Messfahrzeugen. »Unsere Sensorbox nimmt kontinuierlich Daten der Umgebung auf«, sagt Professor Dr. Alexander Reiterer, Leiter der Abteilung Objekt- und Formerfassung am Fraunhofer IPM. »Im Grunde ähnlich wie eine Smart Watch für den Menschen, nur eben für die Stadt.«
Intelligente Datenauswertung in Echtzeit
In einem automatisierten Prozess erkennen und klassifizieren spezifisch trainierte KI-basierte Algorithmen typische Objekte des urbanen Umfelds in den Kameradaten. Die Daten sind so genau, dass auch schmale Objekte wie z. B. Zäune, Schilder, Mülleimer oder Bäume erkannt werden. Durch Fusion mit den 3D-Daten der Laserscanner entsteht eine 3D-Punktwolke.
Um die großen Datenmengen in Echtzeit für digitale Stadtmodelle bereitstellen zu können, werden die Messdaten noch auf dem Fahrzeug mit einer speziellen KI vorverarbeitet und reduziert und vor dem lokalen Speichern automatisch anonymisiert. Über das 5G-Netz können sie direkt in Geoinformationssysteme gestreamt werden. Das System wurde im Rahmen des im Frühjahr 2025 abgeschlossenen Projekts MuSiS entwickelt.
Unterwegs in mehreren Städten

Müll- und Messfahrzeug gleichzeitig: Mit der kompakten und robusten Sensorbox auf dem Dach wird jedes Fahrzeug zum Messfahrzeug. Im März fuhr ein Müllfahrzeug der AWG durch das Stadtgebiet Wuppertal.
Quelle: AWG Wuppertal
Projekt MuSiS
Die Forschungsarbeiten zur Entwicklung des MUM mini-Systems erfolgten im Rahmen des Projekts MuSiS (Multimodaler digitaler Zwilling für eine sichere und nachhaltige Stadt). Das Projekt wurde vom Rahmen des Förderprogramms Invest BW vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus gefördert. Projektpartner sind das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM und die incontext.technology GmbH. Assoziierte Partner sind die Stadt Freiburg, die Freiburger Verkehrs AG, die Digital
Erste Messfahrten fanden in Heidelberg statt. Seit März ist MUM mini in Wuppertal unterwegs und wird bis Ende 2026 Messkampagnen zu unterschiedlichen Jahreszeiten durchführen. Fraunhofer IPM und die Stadt Wuppertal kooperieren im Rahmen der Forschungskooperation »DigiTal Zwilling«, die vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen gefördert wird. Auch die Stadt Freiburg plant Messfahrten mit dem MUM mini-System für ihre digitale Stadtentwicklung.
In Wuppertal sind insgesamt vier Messkampagnen geplant, die zu verschiedenen Jahreszeiten durchgeführt werden. Die ersten Messfahrten fanden an zwei Tagen Mitte März statt.
Nächste Schritte
Das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik verwandelt die in Wuppertal aufgenommenen Rohdaten anschließend in nutzbare Objektdaten, die dann in den DigiTal Zwilling eingepflegt werden. Da der Einsatz der Sensorbox MUM-mini in Kommunen bisher noch weitestgehend unerforscht ist, liefern die Befahrungen in Wuppertal einen ersten wertvollen Beitrag zur Erforschung des Nutzens von flexiblen Mobile Mapping Daten in Urbanen Digitalen Zwillingen.
Straßenumfeld – Fraunhofer IPM
Der Digitale Zwilling
Was früher das Reißbrett war, wird in Zukunft der digitale Zwilling sein: Ein virtueller dreidimensionaler Raum, in dem sich kommunale Projekte planen lassen – vom Netzausbau über die Verkehrswegeplanung und -instandhaltung, die Energieversorgung, Gefahrenkarten bis hin zu Besucherströmen bei Großveranstaltungen. Daten sind der Rohstoff für solche digitalen Stadtmodelle, wobei georeferenzierte räumliche Daten das Grundgerüst bilden. Diese 3D-Daten sind im Raum verortet und stammen aus unterschiedlichen Quellen, z. B. aus Satelliten- und Luftaufnahmen, vor allem aber aus Befahrungen mit Messfahrzeugen, die das Stadtgebiet mithilfe von Laserscannern und Kameras turnusmäßig üblicherweise alle ein bis zwei Jahre vermessen.